Gespräch des Tages

Börsen - Differenzierte Entschleunigung

Das Wahljahr 2013 wirft bereits deutlich seine Schatten voraus: Um sich in der aktuell angespannten Situation offenbar keine Unentschlossenheit im Bemühen um ein sicheres Finanzsystem vorwerfen zu lassen, hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen gleich mehrere Gesetzesentwürfe und Kabinettsbeschlüsse auf den Weg gebracht, die zum Teil deutlich über die aus Brüssel stammenden Richtlinien hinausgehen. Neben dem jüngsten Vorpreschen in Sachen Basel III sorgten etwa die Alleingänge bei den Entwürfen zur Umsetzung der AIFM-Richtlinie und des Hochfrequenzhandelsgesetzes für Befremden. Neben einer Konterkarierung des gewünschten Level Playing Field auf europäischer Ebene sehen die Kritiker durch diese deutschen Vorstöße selbstverständlich auch ihre jeweiligen Interessen gefährdet.

So war etwa der Gesetzesentwurf zum Hochfrequenzhandelsgesetz Ende Juli zunächst noch durchaus positiv aufgenommen worden. Die Deutsche Kreditwirtschaft begrüßte, dass die organisatorischen Anforderungen an den Betrieb algorithmischer Handelssysteme einen einheitlichen Qualitätsstandard sicherstellen. Für alle Akteure am Finanzmarkt - so das Echo der Deutschen Börse - sei es gut, dass jetzt Rechtssicherheit im Umgang mit Hochfrequenzhändlern herrsche. Auch die Stuttgarter Börse sah sich zunächst in ihren Selbstregulierungsbemühungen zugunsten der Privatanleger bestätigt. Doch mit größerem zeitlichen Abstand wurde auch mehr und mehr Kritik vernehmbar: So forderte die Stuttgarter Börse zwischenzeitlich einige Nachbesserungen, etwa beim Anwendungsbereich oder bei der differenzierten Behandlung unterschiedlicher Marktteilnehmer.

Der Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) regte eine über den Gesetzesentwurf hinausgehende Regulierung an, beispielsweise mit Hilfe von Mindesthaltezeiten oder in Form einer gewissen Ausführungspflicht. Gleichzeitig mache, so der BVI weiter, der deutsche Alleingang eine Finanztransaktionssteuer zur Bekämpfung des Hochfrequenzhandels erst recht überflüssig. Größtenteils auf Ablehnung schließlich stößt der Gesetzesentwurf bei den Wertpapierhandelsfirmen, wobei man insbesondere ein solches nicht abgestimmtes Vorgehen für sachlich höchst verfehlt halte. Diese grundsätzliche Kritik an einem übereilten Handeln des Bundesfinanzministeriums teilen inzwischen einige Verbände und Börsen.

Dabei erscheint das Thema alles andere als geeignet, um schnell abgehandelt zu werden. Etwa die Hälfte der an den bedeutendsten Börsen getätigten Transaktionen in Aktien und Währungen werden inzwischen nicht von Menschen veranlasst. Sie sind vielmehr das Produkt von Computeralgorithmen, die es ermöglichen, in Bruchteilen von Sekunden große Datenmengen zu analysieren und Hunderte von Ordern zu initiieren. Robo Trader in Form von quantitativen Modellen und neuronalen Netzwerken ersetzen in zahlreichen Investmenthäusern die menschlichen Händler. Geschwindigkeit ist bei der Orderausführung zum wichtigs - ten Erfolgsfaktor avanciert. Um die letzten Milli- oder gar Mikrosekunden Vorsprung vor anderen Marktteilnehmern zu haben, versuchen die Handelshäuser die Leitungslängen zu minimieren und platzieren ihre Großrechner deshalb möglichst in unmittelbarer Nähe zu den Börsen.

Angesicht der Bedeutung, die der Hochfrequenzhandel an den Kapitalmärkten mittlerweile erlangt hat, ist es sicherlich wichtig, die Regulierung nicht über's Knie zu brechen. Zu unterschiedlich sind die Interessenlagen und die Strategien der entsprechenden Marktteilnehmer. Während Arbitragestrategien beispielsweise durchaus positiven Einfluss auf die Marktliquidität haben können, sind "unfreundliche" Strategien wie etwa "Quote Stuffing" oder "Wash-Trades" als bedenklich einzustufen. Um nicht unnötig die Gefahr zu verstärken, dass der Hochfrequenzhandel von den zukünftig regulierten Märkten in weniger regulierte Bereiche abgleitet, wird sich das Bundesfinanzministerium deshalb die Stellungnahmen im Konsultationsverfahren freilich sehr genau anschauen müssen. In einigen Bereichen ist es sicher sinnvoll, mit restriktiven oder gar prohibitiven Regeln marktschädigendes Verhalten zu begrenzen und das Risiko sogenannter Flash Crashs - im Mai 2010 etwa verloren einige Aktien innerhalb weniger Minuten 50 Prozent oder mehr ihres Wertes - zu reduzieren. Gleichzeitig bedarf es jedoch auch transparenz erhöhender Regeln, um dieses viel gescholtene Segment des Hochfrequenzhandels endlich zu entmystifizieren.

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