Aufsätze

Einbindung von Versicherungen für den Transfer von operationellen Risiken im Advanced Measurement Approach

Versicherungen werden in der Kreditwirtschaft zunehmend als wichtiges Instrument zur Steuerung operationeller Risiken wahrgenommen. Im AMA-Ansatz (Advanced Measurement Approach) besteht zusätzlich die Möglichkeit, Versicherungen kapitalmindernd in Anrechnung zu bringen. Hierzu ist zunächst eine genaue Kenntnis der vorhandenen Versicherungen notwendig. Auf dieser Basis erfolgt zunächst eine Abbildung der Versicherungsverträge auf die Baseler Verlustereigniskategorien. Im zweiten Schritt werden die Schadenfälle in Hinblick auf mögliche Zahlungsverläufe analysiert und der Nettoverlust der Schadenfälle berechnet. Dabei sind die durch die Aufsicht geforderten Sicherheitenabschläge zu berücksichtigen.

Quantifizierung von operationellen Risiken

Die Mehrzahl der Kreditinstitute hat sich inzwischen für die Quantifizierung von operationellen Risiken auf einen Ansatz gemäß der SolvV festgelegt. Der Fokus der Finanzwirtschaft richtet sich nun auf Methoden zur Steuerung der vorhandenen operationellen Risiken. Laut einer aktuellen Studie1) wollen zirka 90 Prozent der befragten Banken, unabhängig vom gewählten Ansatz zur Quantifizierung der operationellen Risiken, zur Steuerung operationeller Risiken Versicherungen einsetzen und gleichzeitig ihr Versicherungsportfolio optimieren.

Für Kreditinstitute, welche die Höhe der Eigenkapitalunterlegung für operationelle Risiken mittels eines fortgeschrittenen Ansatzes (AMA) berechnen, wurde gemäß der SolvV eine Minderung des regulatorischen Eigenkapitals durch Versicherungen und andere Instrumente der Risikoverlagerung ermöglicht. Bei Verwendung des Basisindikatoransatzes oder des Standardansatzes können Versicherungen nicht zur Minderung der Eigenkapitalunterlegung verwendet werden.

An die Versicherungspolicen, die im AMA-Ansatz gemäß § 292 SolvV zu einer Minderung der Eigenkapitalunterlegung bis zu 20 Prozent führen dürfen, wird eine Vielzahl von Anforderungen gestellt. Mit der Veröffentlichung der Endfassung der Solvabilitätsverordnung haben sich diese Anforderungen verändert. Waren im ersten Entwurf eine Bonitätsbeurteilung einer anerkannten Ratingagentur und eine ausgezeichnete Bonität gefordert, so ist in der Endfassung der SolvV eine angemessene Bonität des Versicherers notwendig. Neu hinzugekommen ist die Klausel, dass Versicherungen, die risikomindernd eingesetzt werden, keine "Erstattung von Bußgeldern und sonstigen Strafen" beinhalten dürfen, die "aufgrund eines bankaufsichtlichen Eingreifens vom Institut zu leisten sind". Die im ersten Entwurf der SolvV konkret dargestellten Sicherheitsabschläge bei Versicherungen mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr wurden in der Entfassung durch "geeignete Abschläge" ersetzt. Die Empfehlung des Fachgremiums operationelle Risiken stellt dar, unter welchen Bedingungen die Sicherheitsabschläge mit kürzer werdender Laufzeit entfallen können.

Zuordnung der vorhandenen Versicherungsverträge

In der Praxis stellt sich die Frage, wie die risikomindernde Wirkung von Versicherungen in das AMA-Modell integriert werden soll. In einem ersten Schritt ist eine Zuordnung der vorhandenen Versicherungsverträge zu den Verlustereigniskategorien nach Basel beziehungsweise SolvV notwendig. Dabei sollten jeweils die speziellen Eigenschaften des Versicherungsvertrags berücksichtigt werden, um eine Zulassung zur Risikominderung gemäß § 292 SolvV zu gewährleisten.

Tabelle 1 enthält einen Vorschlag zur Zuordnung von Versicherungsprogrammen auf die erste Ebene der Verlustereigniskategorien nach Basel II. Die Zuordnung hängt von der konkreten Ausgestaltung der Versicherungsverträge ab und kann nicht pauschal vorgenommen werden.

Ein Vorteil einer Abbildung der operationellen Risiken und der Versicherungspolicen, unabhängig vom gewählten Quantifizierungsansatz, besteht in der Möglichkeit zur Verbesserung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses und der Optimierung des Versicherungsportfolios, zum Beispiel durch Anpassung von Selbstbehalten oder Deckungslimiten.

Versicherungen können als Instrument des Risikotransfers in das Modell des fortgeschrittenen Messansatzes integriert werden. Als Marktstandard für den AMA hat sich in den letzten Jahren der Verlustverteilungsansatz herausgebildet.

Modellierung im Verlustverteilungsansatz

Die Grundlage eines Verlustverteilungsansatzes bilden die Verteilungsfunktionen für die Schadenhöhe und -häufigkeit. Die Verteilungsfunktionen werden aus den mittels verschiedener Methoden zum Management operationeller Risiken, wie beispielsweise Schadenfalldatensammlung, Risikoinventur oder Self Assessment, erhobenen Daten abgeleitet. Anschließend werden diese Verteilungen in einem bestimmten Beobachtungszeitraum, zum Beispiel mit Hilfe einer Monte-Carlo-Simulation, zu einer Verlustverteilungsfunktion aggregiert. Aus der Gesamtverlustverteilung wird das gewünschte Risikomaß (Value at Risk, Expected Shortfall) ermittelt (siehe Abbildung 1).

Versicherungen lassen sich auf zwei Wege in den Verlustverteilungsansatz integrieren:

- Versicherungen werden einzeln bewertet und anschließend in einer Summe vom errechneten Bruttoverlust der aufgetretenen Schadenfälle subtrahiert.

- Vorhandene Versicherungen werden auf die einzelnen Verluste abgebildet und deren Effekt auf die einzelnen Verlustereignisse berechnet. Anschließend werden die so berechneten Nettoverluste der einzelnen Ereignisse aggregiert.

Berechung des Nettoverlusts

Die zweite Variante spiegelt ein realistischeres Bild des Einflusses von Versicherungen auf die operationelle Verlustsituation eines Instituts wider. Im Gegensatz zur ersten Methode werden bei der zweiten Variante sowohl Überschneidungen oder Deckungslücken in den Versicherungsverträgen als auch große Verluste, die durch vorhandene Versicherungslimite nicht mehr abgedeckt sind, transparenter. Dadurch ist die Anerkennung von Versicherungen gemäß der zweiten Variante durch die Aufsichtsbehörde wahrscheinlicher.

Zur Berücksichtigung von Versicherungspolicen muss deren spezifische Ausgestaltung analysiert werden und in die Modellierung einfließen. Eine Versicherungspolice wird durch den Selbstbehalt und eine Obergrenze für einzelne Schadenereignisse sowie das Versicherungslimit für alle Schadenereignisse in einem Zeitraum charakterisiert. Die Versicherungsleistung ist abhängig von der Höhe des einzelnen Schadens und der Gesamthöhe aller aufgetretenen Schäden in einem bestimmten Zeitraum.

Zunächst muss bei Berechnung des Nettoverlusts der Schadenfälle stets das Gesamtlimit des Versicherungsvertrags darauf hin überprüft werden, ob es durch frühere Zahlungsströme bereits ausgeschöpft ist. Ist das Gesamtlimit überschritten, erhält das Institut keine weiteren Zahlungen des Versicherungsunternehmens. Der Nettoverlust des einzelnen Schadenfalls entspricht dann dem Bruttoverlust. Ist das Gesamtlimit hingegen noch nicht überschritten, hängt die Zahlung des Versicherungsunternehmens von der Höhe des Schadenfalls ab (Abbildung 2).

Bei der Ermittlung des Nettoverlusts müssen folgende drei Fälle unterschieden werden:

- Ist die Verlusthöhe kleiner als der Selbstbehalt, erfolgt keine Zahlung des Versicherungsunternehmens und der Nettoverlust ist gleich dem Bruttoverlust.

- Liegt die Verlusthöhe zwischen dem Selbstbehalt und dem Limit für einzelne Verluste und dem Selbstbehalt zusammen, entspricht der Nettoverlust dem Selbstbehalt.

- Übersteigt die Verlusthöhe die Summe aus dem Limit für einzelne Schadenfälle und dem Selbstbehalt, zahlt das Versicherungsunternehmen maximal die Höhe des Limits. Der Nettoverlust ist folglich der Bruttoverlust abzüglich des Limits.

Dieses Vorgehen zur Bestimmung des Nettoverlusts muss für alle Schadenfälle wiederholt und anschließend zu einer Verlustverteilung aggregiert werden. Die Verlustverteilung spiegelt den Nettoverlust der aufgetretenen Schadenfälle wider.

Sicherheitenabschläge

Um die Anforderungen der SolvV an die Versicherungsverträge zu erfüllen, muss dieser Ansatz für die regulatorische Anerkennung erweitert werden. In der SolvV § 292 Abs. 3 werden bei der Verwendung von Versicherungen für folgende Situationen geeignete Abschläge gefordert: Gegenparteirisiko, Zahlungsunsicherheiten und Vertragslaufzeiten.

Die Abschläge sollten gemäß der zuvor dargestellten Methode zur Berechnung des Nettoverlusts auf Ebene der einzelnen Risikoereignisse in der Modellierung berücksichtigt werden. Gemäß der Empfehlung des Fachgremiums operationelle Risiken können die Abschläge auf Grundlage von Expertenschätzungen und historischen Daten vorgenommen werden.

Beim Transfer von operationellen Risiken auf ein Versicherungsunternehmen wird das operationelle Risiko in ein Adressenausfallrisiko transformiert. Treten beim Versicherungsunternehmen Liquiditätsprobleme auf, kann es den Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen.

Aus diesem Grund sollte ein Abschlagfaktor auf die Zahlungsströme der Versicherungsunternehmen vorgenommen werden. Ein geeigneter Abschlagfaktor stellt die einer Ratingklasse zugeordneten Ausfallwahrscheinlichkeit dar.

In diesem Zusammenhang kann durch eine Erhöhung des Abschlagfaktors der Konzentration auf ein bestimmtes Versicherungsunternehmen in der Modellierung Rechnung getragen werden.

Abschläge aufgrund von Laufzeiten und Zahlungsunsicherheiten

Die Unsicherheiten bezüglich der Zahlung von Versicherungsunternehmen liegen unter anderem in einer unterschiedlichen Auslegung der Schadenursache oder der Schadenhöhe durch Kreditinstitut und Versicherungsunternehmen. Daraus kann beim Kreditinstitut ein Liquiditätsrisiko entstehen. Werden Versicherungszahlungen erst spät gezahlt, fehlt Kapital zur Deckung anderer Schadenfälle. Zur Bestimmung eines Abschlagfaktors kann auf Basis der historischen Verlustfälle die Wahrscheinlichkeit berechnet werden, dass ein Schadenfall versichert ist. Dies geschieht durch Division der Anzahl der versicherten Fälle und der Gesamtanzahl der als Versicherungsfall angezeigten Schadenfälle.

Des Weiteren müssen die Restlaufzeiten der Versicherungsverträge im Modell berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit zur Berechnung eines Abschlagfaktors für Versicherungsverträge mit einer Laufzeit weniger als einem Jahr ist, die verbliebene Restlaufzeit in Tagen durch 365 zu dividieren. Dies ist jedoch nach Meinung des Fachgremiums operationelle Risiken nicht notwendig, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Restlaufzeit die Deckung nicht vermindert.

Zulässigkeit von anderen Instrumenten zur Risikoverlagerung

Ebenso dürfen Verträge mit einer Restlaufzeit von weniger als 90 Tagen berücksichtigt werden, wenn der Versicherungsvertrag automatisch verlängert wird, keine Kündigung vorliegt oder bereits ein direkt anschließender Versicherungsschutz abgeschlossen wurde.

Gemäß § 292 Abs. 4 SolvV sind zur Risikoverlagerung zusätzlich zu Versicherungen andere Instrumente zulässig, "sofern diese zu erkennbaren und verlässlichen Minderung des operationellen Risikos führen und das Institut dies der Bundesanstalt darlegen kann".

Die Aufgabe der Kreditinstitute ist es nun, zu prüfen, ob die Risiken, die nicht durch einen traditionelle Versicherungsvertrag abgedeckt werden können, über Produkte des Alternativen Risikotransfers (ART), wie beispielsweise Finite-Risk-Lösungen oder Contingent Capital, verlagert werden können.

Quellen:

Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Instituts-Gruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung -SolvV), 14. Dezember 2006.

Empfehlung des Fachgremiums operationelle Risiken zur Berücksichtigung von Versicherungen in fortgeschrittenen Messansätzen.

Silke Brandt (2004): "Operational Risk and Insurance: Quantitative und qualitative aspects", Universität Frankfurt 2004.

David Bazzarello et al. (2006): "Modelling insurance mitigation on operational risk capital" in Journal of Operational Risk, No.1, 2006.

Dr. Peter & Company AG (2006): Studie "Quantifizierung operationeller Risiken", Oktober 2006.

Insurance Companies (2001): "Insurance of operational risk under the new Basel capital accord" 2001.

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