Aufsätze

Erfolgreiche Schweizer Genossenschaftsbanken vor strukturellen Herausforderungen

In der Schweiz sind die die Genossenschaften regelnden Bestimmungen im Obligationenrecht verankert (Art. 828-926 OR). Das Obligationenrecht sieht für alle Genossenschaften - unabhängig von der konkreten Geschäftstätigkeit - besondere risikobegrenzende Artikel vor. Dazu gehören Vorschriften über die Reservenbildung und für die Verwendung des Reinertrags sowie spezielle Pflichten der Genossenschafter, spezielle Artikel über die Haftung der Genossenschaft und der Genossenschafter sowie allfällige (statutarische) Nachschusspflichten. Genossenschaftsmitglieder haben außerdem auch weitgehende Stimmrechte (one man one vote) sowie besondere Aufsichts- und Kontrollrechte. Für Kreditgenossenschaften gelten darüber hinaus noch weitere Sonderbestimmungen nach Art. 828-926 OR, so müssen Kreditgenossenschaften beispielsweise den Reingewinn nach einem bestimmten Schlüssel verwenden und einen Reservefonds bilden (Art. 861 OR).

Fördergedanke

Hervorzuheben ist weiter Art. 828 OR, der den eigentlichen Zweck einer Genossenschaft definiert, nämlich "in der Hauptsache die Förderung oder Sicherung bestimmter wirtschaftlicher Interessen ihrer Mitglieder in gemeinsamer Selbsthilfe". Das heißt, nicht die isolierte wirtschaftliche Gewinnmaximierung für Shareholder, sondern die (wirtschaftliche) Förderung der Mitglieder und anderer Stakeholder ist die Aufgabe der Genossenschaftsbank, dies im deutlichen Unterschied zu rein renditeorientierten Kapitalgesellschaften. Im Gegensatz zum deutschen Recht ("Investierendes Mitglied") sieht das konservativere Schweizer Gesellschaftsrecht zur Finanzierung von genossenschaftlichem Eigenkapital nur die Ausgabe von Anteil scheinen, die verzinst werden können (Art. 832, 833, 859 Abs. 3 OR), und allenfalls Zusatzanteilscheine vor. Weitere Finanzierungsinstrumente wie etwa der "Split" werden vereinzelt erfolgreich verwendet (zum Beispiel aktuell von der WIR Bank), die Ausgabe von partizipationsscheinähnlichen Beteiligungscheinen - in Österreich bei Genossenschaftsbanken seit Langem im Einsatz - sind in der Schweiz durch Raiffeisen angestoßen, durch die Rechtsprechung aber - mit problematischer Begründung - untersagt worden.

Neben dem gesellschaftsrechtlichen Rahmen des Obligationenrechts gelten für Genossenschaftsbanken aufgrund ihrer Geschäftstätigkeit alle weiteren Bestimmungen des Schweizer Finanzmarkt- und Aufsichtsrechts wie für alle anderen Banken auch. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Eigenkapitalvorschriften, die in der Schweiz - beispielsweise durch den "Too big to fail"-Eigenmittel-Puffer (bis 4,3 Prozent) und den Zusatz-Puffer für antizyklische Risiken der Schweizer Nationalbank insbesondere zur Kontrolle von Immobilienrisiken (2,3 bis 2,5 Prozent) - deutlich über Basel III hinausgehen. Das heißt, es müssen zukünftig bis zu 19 Prozent des Kapitals als Eigenkapital in verschiedenen Klassen in der Bilanz ausgewiesen werden. Diese Vorschriften werden unabhängig von der Rechts form und den besonderen rechtlichen Vorschriften zur Reservenbildung bei Kreditgenossenschaften angewendet. Diese Nichtberücksichtigung der genossenschaftlichen Besonderheiten durch die Finanzmarktaufsichtsbehörden ist ein Umstand, der auf europäischer Ebene von Genossenschaftsbanken und ihren Verbänden immer wieder beklagt wird.

Charakteristik des Genossenschaftsbanking

Gemäß einer Europäischen Studie sind europäische Genossenschaftsbanken kundenorientiert (steigender Marktanteil, wachsende Beschäftigung, hohe lokale Filialdichte), haben effiziente Operations (gutes Kosten-/ Ertragsverhältnis) mit einem einfachen Geschäftsmodell, das auf Retailbanking und Hypothekargeschäft fokussiert ist, sie sind gut kapitalisiert (hohe Eigenkapitalquoten), operieren mit niedrigeren Risiken als andere Banken (tiefer Wertberichtigungsbedarf) und verfügen über gute Kreditratings. Genossenschaftsbanken sind zudem krisenresilienter als andere Banken. Im Folgenden wird untersucht, ob das auch für die Schweiz zutrifft. Kaum Daten gibt es jedoch über den Strukturwandel von Genossenschaftsbanken, das heißt Bank- und Filialeröffnungen beziehungsweise -schließungen oder Fusionen, insbesondere auch in Bezug zur Agilität anderer Bankengruppen. Es darf vermutet werden, dass Genossenschaftsbanken diesbezüglich noch agiler als das Total der Banken in der Schweiz sind, dies bleibt zu überprüfen.

Markt und Marktanteil: Die Genossenschaftsbanken beanspruchen nur einen kleinen Teil des schweizerischen Bankgeschäfts für sich (2012 rund sieben Prozent der gesamten Bilanzsumme aller Banken); dominante Player mit rund 50 Prozent des Geschäfts sind nach wie vor die beiden Großbanken Credit Suisse und UBS (Abbildung 1), allerdings ist die wohl systemrelevante genossenschaftlich strukturierte Raiffeisengruppe die drittgrößte Schweizer Bank (Bilanzsumme). Die Bilanzsumme aller Genossenschaftsbanken ist zwischen 1999 und 2012 um rund 138 Prozent gestiegen, die der anderen Banken im Schnitt jedoch nur um 18 Prozent (Abbildung 4).

Setzt man jedoch die Gesamtbilanzsumme 2012 der Genossenschaftsbanken von 188,782 070 Milliarden Schweizer Fran ken (Abbildung 3) ins Verhältnis zum Schweizer BIP (nominal) von 2012 mit 591,9 Milliarden Schweizer Franken, so wird deutlich, dass die Genossenschaftsbanken mit rund 31,9 Prozent des BIP eine bedeutende inländische Wertschöpfung erbringen - im Gegensatz zu den Großbanken, deren Wertschöpfung international ist.

Beschäftigung und Personalbestand: Die gesamte Bankenbranche hat im Zeitraum von 2010 bis 2012 den Bestand der Mitarbeiter um 2,4 Prozent verringert. Bei den genossenschaftlichen Banken geht der Trend jedoch in die andere Richtung (Abbildung 2). Die Raiffeisengruppe hat dabei schweizweit als einzige große Bankengruppe im Jahre 2012 einen höheren Personalbestand als 2010, die Zunahme von 1,8 Prozent ist zudem noch um die Mitarbeiter der übernommenen Notenstein Privatbank bereinigt, die seit Anfang 2012 zur Raiffeisengruppe gehört. Die Genossenschaftsbanken schaffen also Arbeitsplätze (die kleinen prozentual mehr), während die Bankengruppen mit anderen Rechtsformen eher Mitarbeiter abbauen, diese Unterschiede sind hochsignifikant.

Struktur der Genossenschaftsbanken

Mit Ausnahme der WIR Bank (Gründungsjahr 1934) sind alle Genossenschaftsbanken im 19. Jahrhundert gegründet worden und gehören damit zu den ältesten Banken der Schweiz. Betrachtet man die Strukturdaten der Genossenschaftsbanken, so fällt auf, dass das System dreigliedrig aufgestellt ist: Es gibt einen Großkonzern (die Raiffeisengruppe mit über 1 000 Filialen, landesweit tätig, drittgrößte Bank der Schweiz, wohl systemrelevant), zwei mittelgroße Gruppen (WIR, Clientis), die einen größeren Raum mit wenigen Filialen abdecken sowie viele Kleinstbanken, die nur mit ein bis zwei Filialen lokal vertreten sind und weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Dabei spiegelt die unterschiedliche Profitabilität der Banken (Bruttogewinn/Filiale) deren unterschiedliche Förderziele beziehungsweise die Gewinnerwartungen der Mitglieder (Abbildung 3).

Im Vergleich zu den Nachbarländern ist das genossenschaftliche Banking in Deutschland mit 1 078 Banken beziehungsweise 13 056 Filialen und zwei genossenschaftlichen Zentralinstituten insgesamt größer, aber zentraler organisiert. Die Deutsche Bevölkerung ist jedoch auch rund zehnmal größer als die Österreichische beziehungsweise Schweizer Bevölkerung, die etwa gleich groß sind. Auf eine Bankfiliale der genossenschaftlichen BVR-Gruppe in Deutschland kommen somit 6 170 Einwohner, auf eine Bankfiliale der österreichischen Raiffeisengruppe sind es 3 868 Einwohner, während in der Schweiz 7 089 Einwohner auf eine Filiale kommen - das heißt die Schweiz hat hier noch "Synergiepotenzial" im Sinne von Sparmöglichkeiten durch Bank-Zusammenlegungen im Vergleich zu Österreich beziehungsweise Deutschland.

Schweizer Genossenschaftsbanken haben sich zudem auf ihre Kerntätigkeit "Banking" im Inland beschränkt - ganz anders als beispielsweise die österreichischen Raiffeisenbanken, die stark international aufgestellt sind (2013: 15 Länder mit Fokus Osteuropa) und sehr diversifizierte Geschäftsfelder außerhalb des eigentlichen Kerngeschäfts Banking betreiben (1 600 unabhängige Genossenschaften gehören zur Gruppe, unter anderem auch Molkereien, Lagerhäuser und Friedhofsgärtnergenossenschaften).

Filialen

Das Genossenschaftsbanking in der Schweiz ist regional heterogen verteilt, in der Zentral- und Ostschweiz ist die Filialdichte geringer. Die lokalen Filialen der genossenschaftlichen Einzelbanken werden ergänzt durch das Netz der WIR Banken - dieses betreibt neun Filialen in regionalen Zentren - und das große flächendeckende Netz der über 1 000 Raiffeisenbanken, -niederlassungen oder -geschäftsstellen beziehungsweise -filialen.

Im Vergleich zum Filialnetz von Großbanken fällt das dichtere - und damit kundenfreundlichere - Netz insbesondere in ländlichen Regionen auf, während eine Großbank wie die UBS im Vergleich mit Raiffeisen nur ein Drittel der Filialen aufweist, die zudem vorwiegend auf städtische Zentren und Agglomerationen konzentriert sind.

Das Filialnetz der Genossenschaftsbanken ist dabei - zumindest bei Raiffeisen und damit der Mehrheit der Genossenschaftsbanken - einem stetigen Wandel unterworfen, in den Jahren 1999 bis 2012 kamen bei Raiffeisen Schweiz insgesamt 403 Filialen durch Fusionen dazu, 141 Filialen wurden neugegründet und 402 wurden geschlossen (Raiffeisen Schweiz inklusive Niederlassungen Schweiz). Raiffeisen kombiniert hier neue Märkte und Kundennähe mit Effizienzsteigerungen, ohne das lokale Dienstleistungsangebot - im Gegensatz zu den Großbanken, die zwei Drittel weniger Filialen haben - maßgeblich zu reduzieren. Dass diese Transformationen lohnen, zeigt der Zuwachs der Bilanzsumme von der Raiffeisen Gruppe 1999 bis 2012 um plus 13 Prozent, im gleichen Zeitraum ist die Bilanzsumme der Großbanken um 26,8 Prozent gesunken.

Effizienzsteigerungsprojekte und Skaleneffekte prägten jedoch alle Bankengruppen von 1999 bis 2012 in der Schweiz: Im Schnitt aller Banken ging die Anzahl unabhängiger Banken fusionsbedingt um ein Fünftel zurück. Besonders stark sind die Rückgänge bei den Kleinstinstituten, das heißt gemeindeeigenen Instituten (75 Prozent) und auch Genossenschaftsbanken (28,6 Prozent) sind überdurchschnittlich weniger geworden; besonders gering ist die Reduktion bei den Auslandsbanken (8,7 Prozent). Diese Unterschiede sind statistisch hochsignifikant.

Allerdings ist die Anzahl der Genossenschaftsbanken in den Krisenjahren 2008 bis 2012 nahezu stabil geblieben (nur ein Institut verschwand) während hier insbesondere die Aktiengesellschaften deutliche Reduktionen zeigen. Dies kann als ein Indikator für die Krisenresilienz von Genossenschaftsbanken gesehen werden.

Bilanzstruktur - Entwicklung der Aktiva und Passiva im Trend

Die Schweizer Genossenschaftsbanken sind sehr erfolgreich, sie konnten ihre Bilanzsummen im Zeitraum von 1999 bis 2012 mehr als verdoppeln. Das Wachstum liegt deutlich über dem Total aller Banken, das lediglich 19 Prozent betrug (Abbildung 4), die Unterschiede sind hochsignifikant.

Der Anteil der Forderungen (gegenüber Kunden und Hypothekarforderungen) an der Bilanzsumme konnte bei den Genossenschaftsbanken über den betrachteten Zeitraum konstant gehalten werden, er beträgt 2012 ungefähr 87 Prozent, genau wie 1999. Es konnten Sicherheiten in Form von Wertschriften und Edelmetallen aufgebaut werden, während über den ganzen Bankensektor betrachtet solche Handelsbestände, vor allem im Zuge der Finanzkrise ab 2008, stark abgebaut wurden.

Beim Total der Banken stieg der Anteil der Forderungen an der Bilanzsumme von 41 Prozent auf 53 Prozent an. Allgemein wurden die Handelsbestände in Wertschriften und Edelmetallen bei allen - gegenläufig zu den Genossenschaftsbanken - abgebaut, dies geschah vor allem ab 2008. Dafür verfügt das Total aller Schweizer Banken über deutliche höhere Bestände an flüssigen Mitteln als Genossenschaftsbanken, ein großer Anstieg ist wiederum ab dem Jahr 2008 beobachtbar (Zuwachs 1 111 Prozent gegenüber 542 Prozent bei den genossenschaftlich organisierten Instituten).

Dem Hypothekargeschäft kommt bei den genossenschaftlichen Instituten ein höherer Stellenwert als anderen Banken zu. Im Allgemeinen konnten zudem die Forderungen konstant gehalten und Sicherheiten aufgebaut werden (Abbildung 4).

Blick auf die Passivseite

Vergleicht man die Passivseite der Bilanz, so zeigt sich, dass die Abnahme bei Wertberichtigungen und Rückstellungen für Kredite bei genossenschaftlichen Instituten deutlich geringer ist als beim Total der Banken (Abbildung 5) und - insbesondere in den Krisenjahren 2008 bis 2012 - trotz massiv mehr Geschäften nahezu unverändert blieb, das heißt Kredite von Genossenschaftsbanken sind weniger krisenanfällig. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass aufgrund des einfacheren Geschäftsmodells und weniger Ausfällen eine Konsolidierung auf hohem Niveau stattgefunden hat beziehungsweise eine weitere Reduktion nicht nötig war. Im konkreten Falle von Raiffeisen Schweiz reduzierten sich die Wertberichtigungen von 0,087 Prozent aller Kredite im Jahr 2003 (Daten hier erstmals erhoben) auf 0,012 Prozent im Jahr 2013, was einer Reduktion um 86,2 Prozent entspricht und damit die sorgfältige Risikopolitik der Raiffeisen Gruppe unterstreicht.

Die eigenen Mittel bei allen Genossenschaftsbanken konnten über die Jahre stark erhöht werden (420 Prozent), dies direkt im Vergleich zum Total aller Banken (60 Prozent), was einmal mehr die Stabilität des genossenschaftlichen Bankings unterstreicht (Abbildung 5).

Bemerkenswert ist zudem, dass sich das Gesellschaftskapital im betrachteten Zeitraum bei den Genossenschaftsbanken massiv erhöht hat, während beim Total der Banken eine deutliche Abnahme zu verzeichnen ist. Genossenschaftsbanken legen allerdings deutlich weniger Wert auf die Bildung von allgemeinen gesetzlichen Reserven, sie haben im Unterschied zu der gesamten Bankenbranche die allgemeinen gesetzlichen Reserven verringert. Die Abnahme von 1999 bis 2012 beträgt fast 50 Prozent, die Unterschiede sind statistisch hochsignifikant.

Bei den Genossenschaftsbanken verhält sich die Zunahme des Gewinnvortrags in etwa gleich wie die Zunahme der Bilanzsumme, jeweils im Bereich von knapp 140 Prozent im Zeitraum von 1999 bis 2012. Beim Total der Banken ist die Zunahme des Gewinnvortrags mit 162 Prozent zwar größer, doch die Bilanzsumme erhöht sich nicht in gleichem Maße (lediglich 18,8 Prozent gegenüber 137,8 Prozent bei den Genossenschaftsbanken (Abbildung 5). Alle Unterschiede zwischen Genossenschaftsbanken und dem Gesamt aller Banken sind statistisch hochsignifikant.

Eigenkapitalausstattung im Detail

Die genossenschaftlichen Banken konnten in den letzten Jahren die eigenen Mittel gegenüber dem Total aller Banken markant steigern, wie aus Abbildung 5 ersichtlich ist. Wie sieht es aber im Detail bei den heutigen strengen Regularien für die Eigenmittel von Banken aus? Für die Raiffeisengruppe waren die Daten erhältlich. Es zeigt sich, dass die geforderten Eigenmittel von der Raiffeisenbanken-Gruppe in der Schweiz stets gut erbracht werden können, dies wird auch durch das gute Rating von Moodys bestätigt. Eindrücklich werden nicht nur die gesetzlichen Quoten der verschiedenen Klassen von Eigenkapital erfüllt, sondern es steigt auch der Eigenmitteldeckungsgrad von 1999 bis 2013 auf nahezu das Doppelte - von 98 Prozent auf 186,4 Prozent (Abbildung 6).

Vergleicht man die Eigenkapitalausstattung der Raiffeisen Gruppe mit der strukturell ähnlichen Deutschen BVR Gruppe, so zeigt sich, dass die Raiffeisengruppe Schweiz mit höherer Eigenkapitalausstattung unterwegs ist (Kernkapitalquote 2012 von 12,6 Prozent anstelle von 10,15 Prozent der BVR).

Kosten und Erträge

Der Bruttogewinn konnte bei den Genossenschaftsbanken von 1999 bis 2012 um 44 Prozent gesteigert werden, während der gesamte Bruttogewinn der Schweizerischen Banken um 34 Prozent abnahm. Diese Zahl ist umso beachtlicher, als Genossenschaftsbanken ja gesetzlich zu Mitgliederförderung und nicht zu Gewinnmaximierung verpflichtet sind. Betrachtet man das Krisenjahr 2008, so fällt auf, dass der Einbruch bei Genossenschaftsbanken hier weitaus geringer ist. Auch dies spricht für die Stabilität der genossenschaftlichen Institute im Sinne von Krisenresilienz (Abbildung 7), Unterschiede statistisch hochsignifikant).

Ein weiterer Indikator für das Wachstum der genossenschaftlichen Institute ist auch der gestiegene Personalaufwand, der sich von 1999 bis 2012 mehr als verdreifachte. Im Vergleich dazu wuchs der Personalaufwand aller Banken im Schnitt jedoch lediglich 32 Prozent. Das Personalaufwand-Gewinnverhältnis weist für Genossenschaften einen leicht höheren Wert aus (122 Prozent statt 100 Prozent gegenüber dem Total aller Banken), was darauf hinweist, dass die Genossenschaftsbanken bei allem positivem Bilanzwachstum zukünftig ein Auge auf die Kosten haben sollten.

Geschäftsstruktur und Geschäftsmodell

Schweizer Genossenschaftsbanken fokussieren ihr Geschäft vor allem auf Retailkunden und Hypothekargeschäft, ergänzend kommt das Firmenkundengeschäft hinzu (Abbildung 8). Die WIR Bank und die Raiffeisengruppe operieren dabei in der ganzen Schweiz, alle anderen Banken sind nur regional tätig.

Analysiert man die Ertragsstruktur der Bankengruppen nach Rechtsformen für das Jahr 2012, so sticht das - auf bestimmte Geschäftsfelder fokussierte - einfachere Geschäftsmodell der Genossenschaftsbanken gegenüber dem Schnitt aller anderen Banken deutlich mit dem hohen Anteil am Zinsgeschäft sowie dem geringeren Ertrag im Bereich Kommissionen und Dienstleistungen (alle Banken 44 Prozent Genossenschaftsbanken 14 beziehungsweise 16 Prozent) hervor (Abbildung 9).

Stabiles Wachstum vor strukturellen Herausforderungen

Die Schweizer Genossenschaftsbanken sind mit neun Prozent Marktanteil (Gesamtbilanzsumme) zwar nur ein kleiner Teil des Schweizer Bankings, erbringen aber mit rund 30 Prozent des nominalen BIPs einen wesentlichen Beitrag an die nationale Wertschöpfung. Sie operieren ähnlich wie ihre europäischen Kollegen. Sie sind ebenso kundenorientiert (steigender Marktanteil, wachsende Beschäftigung, hohe lokale Filialdichte), haben effiziente Operations (gutes Kosten-/Ertragsverhältnis) mit einem einfachen Geschäftsmodell, das auf Retailbanking und Hypothekargeschäft fokussiert ist, sie sind gut kapitalisiert (hohe Eigenkapitalquoten), operieren mit niedrigeren Risiken als andere Banken (tiefer Wertberichtigungsbedarf) und verfügen über gute Kreditratings. Schweizer Genossenschaftsbanken sind wie ihre europäischen Kollegen auch krisenresilienter als andere Banken. Allerdings - und das ist die Schweizer Besonderheit im europäischen Kontext von Genossenschaftsbanken - bezüglich Zusammenschlüssen und Strukturwandel (Neueröffnungen) sind Genossenschaftsbanken noch agiler als das Total aller Banken in der Schweiz.

Das Geschäftsmodell der Schweizer Genossenschaftsbanken zeigt sich im betrachteten Zeitraum von 1999 bis 2012 sehr krisenresistent, stabil und wachsend. Es ist konservativ geprägt mit einem Fokus auf Hypothekar- beziehungsweise Zinsgeschäften im Inland-Retailsegment, gefolgt vom Kommissionsgeschäft und wenig Firmenkundengeschäft. Kritisch betrachtet hat das Geschäftsmodell aber wenig Risikodiversifikation, deswegen ist weiteres Wachstum mit diesem Geschäftsmodell vermutlich begrenzt. Man kann allenfalls Mitbewerbern im Inland Marktanteile

streitig machen. Möglich dürfte dies vor allem bei den durch die Finanzkrise und die Steuerproblematik mit dem Ausland (Stichwort: unversteuerte Vermögen von ausländischen Bankkunden) stark geprüften Groß-, Privat- und Kantonalbanken sein. Ungenutzte Potenziale sind aber auch in der Geschäftsdiversifikation im Inlandbankengeschäft (mit Erweiterung der Dienstleistungen im Banking) sowie im Non-Bankingbereich zu finden. Das heute größte unternutzte Potenzial der Genossenschaftsbanken dürfte aber vermutlich außerhalb des ländlichen Raumes in den Städten liegen, denn der Anteil der Stadtfilialen bei Genossenschaftsbanken ist heute noch klein.

Die Genossenschaftsbanken haben die Fehler anderer Banken nicht mitgemacht. Ihr Erfolg basiert auf einem sehr robusten und nachhaltigen Geschäftsmodell. Es ist aber zu hinterfragen, ob in einer anderen Konjunktur- beziehungsweise Wertephase die Erfolge des Genossenschaftsbankings ebenso groß sein können und ob nicht andere Banken - vom Erfolg der genossenschaftlichen Werte angeregt - sich nicht auch die spezifischen DNA-Elemente der Genossenschaftsbanken auf die eine oder andere Weise zu eigen machen werden.

Engpass Kapitalbeschaffung?

Strukturell dürften auch die genossenschaftlich organisierten Kleinstbanken in Zukunft ein Problem haben, die steigenden Kosten für IT und Virtualisierung, Eigenkapitalkosten und Complianceaufwendungen im Griff zu behalten; für sie steht wohl zumindest mittelfristig eine Strukturbereinigung an.

Die Perspektive des weiteren Wachstums ist kurzfristig sicher intakt, bleibt aber mittelfristig wohl - auch aus Sicht der limitierten Kapitalbeschaffungsinstrumente für Genossenschaftsbanken gegenüber Aktiengesellschaften - nicht einfach aufrechtzuerhalten, wie der gestoppte Versuch mit neuen Kapitalinstrumenten (Beteiligungsscheine) für Raiffeisen durch das Bundesgericht zeigt. Hier sind innovative Konzepte der Genossenschaftsbanken und der Gesetzgeber gefordert.

Dazu kommt, dass durch den Wertewandel - nicht zuletzt ausgelöst durch die Finanzkrise 2008 und das damit verbundene zunehmende Bedürfnis nach Sicherheit - viele Banken tendenziell wieder konservativer werden und somit sich ihr Geschäftsmodell an das der Genossenschaftsbanken annähert. Dadurch nimmt der Konkurrenzdruck auf die Genossenschaftsbanken mit eben diesem Geschäftsmodell zu. Das kann dazu führen, dass neue Strategien - wie etwa genossenschaftliche Differenzierungsstrategien, die das genuin Genossenschaftliche betonen - verstärkt erarbeitet und strategisch wie kommunikativ genutzt werden müssen.

Zudem treten neue Mitbewerber, sogenannte "Non- und Near Banks", vermehrt in den Markt ein. Zu denken ist hier beispielsweise an Facebook, das in Irland eine Banklizenz erworben hat, ein neuer Mit bewerber im Beziehungsgeschäft, der aufzeigt, wie Beziehungsbanking neu elektronisch gestaltet werden kann - wo doch eigentlich lokale Beziehungen das genuine Merkmal der DNA von Genossenschaftsbanken sind.

Ebenso herausfordernd sind neue Online-Bezahlungssysteme wie Paypal, die das traditionelle Swift-Netzwerk der Banken im Zahlungsverkehr konkurrenzieren und gerade im Retailgeschäft - dem angestammten Geschäft der Genossenschaftsbanken - vermehrt an Bedeutung gewinnen. Hier gilt es, das genuin Genossenschaftliche in die moderne Sprache von heute mit den aktuellen Technologien zu übersetzen und die genossenschaftliche DNA so neu für Mitglieder, Kunden und andere Stakeholder erlebbar zu machen.

Der Beitrag kann in einer Langfassung mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis und ausführlichen Fußnoten unter Angabe der Autorennamen oder eines Schlagwortes auf der Homepage des Verlages www.kreditwesen.de abgerufen werden.

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