Gespräch des Tages

EZB - Das Spiel mit dem Feuer

"Enttäuschung über EZB dürfte Schweizer Börse belasten", "Asien-Börsen verarbeiten Enttäuschung über EZB und Fed", "Auch Wall Street von Draghi enttäuscht" - allein diese am Tag nach der EZB-Sitzung Anfang August willkürlich herausgegriffenen Headlines zeigen sehr deutlich, wie schmal der Grat zwischen geschürten Hoffnungen und enttäuschten Erwartungen ist. EZB-Präsident Mario Draghi wollte helfen, die Märkte beruhigen und ein Zeichen setzen. Europas Notenbank werde alles im Rahmen ihres Mandates Mögliche tun, um den Euro zu schützen, sagte er in London in die Mikrofone, und das sei ein ganze Menge. Die anonymen Märkte, sprich die ordentlichen Händler ebenso wie die wechselhaften Spekulanten, nahmen den Italiener beim Wort, die Kurse schnellten sprunghaft nach oben. Als dann Lieferung erwartet wurde, enttäuschte die EZB all die Hoffnungen. Nein, die Zinsen werden nicht gesenkt; nein, die EZB werde nicht in großem Stil Anleihen der verschuldeten Süd-Länder aufkaufen, um die Zinsen auf ein erträglicheres Niveau zu drücken; nein, die Primärmaßnahmen seien Sache der Politik, und die seien noch lange nicht ausgeschöpft, erst danach werde die EZB aktiv. So sehr dies von all den stabilitätsbewussten Verfechtern der klassischen Notenbankpolitik zu begrüßen ist, das Spiel von Mario Draghi ist gefährlich, denn: Enttäuschte Märkte ohne Hoffnungen fallen, so auch in diesem Fall.

Natürlich steht die Europäische Zentralbank unter einem gewaltigen Druck. Die Politik vor allem der europäischen Krisenstaaten, aber auch der sich im Wahlkampf befindlichen US-Amerikaner sowie internationale Organisationen wie der IWF fordern mehr oder weniger deutlich ein stärkeres Eingreifen der Notenbank. Warum aber Draghi den Druck ohne erkennbare Not durch Äußerungen wie jene in London noch weiter erhöht, ist nur schwer nachvollziehbar. Die Zwänge seines Heimatlandes Italien dürfen für den EZB-Präsidenten eigentlich keine Handlungsmaxime mehr sein. Und seine Vergangenheit als Investmentbanker, der von volatilen Märkten gelebt hat, nehmen nur heftige Spötter als Vorwand. Wichtig wäre, dass alle Beteiligten begreifen, dass man Kapitalmärkte schon lange nicht mehr alleine durch Ankündigungen steuern kann. Das mag zu Zeiten der Deutschen Bundesbank für die D-Mark und vielleicht auch noch in den Anfangsjahren der EZB funktioniert haben, doch inzwischen ist die Kommunikationspolitik aller Notenbanker sehr viel offener und sehr viel berechenbarer geworden. Ob das immer gut ist, ist zumindest fraglich. Denn heute werden Statements wie das des Italieners Draghi auf jeden Fall auch darauf getestet, was davon tatsächlich zu halten ist. Stimmt dann Lieferung nicht mit Bestellung überein, trägt das keineswegs zur Beruhigung, erst recht nicht zur Stabilisierung bei.

Natürlich ist die nun eingenommene Position der EZB richtig. Ohne verlässliche Arbeit der politisch Verantwortlichen und das Erfüllen der Erwartungen an die Spar- und Wachstumsziele wird nie Ruhe einkehren. Das haben die bisherigen Rettungsversuche allesamt gezeigt. 100 Milliarden Euro Hilfe für Spaniens Banken haben für drei Stunden Ruhe an den Märkten gesorgt. Was kosten drei Wochen? Und die Begeisterung für Anleihekäufe durch die Notenbank oder den ebenfalls gemeinschaftlich finanzierten ESM dürfte sicherlich nicht weiter wachsen, wenn die gewaltigen Bestände an griechischen Papieren in den Büchern der Notenbank nun im Zuge eines vom IWF vehement geforderten erneuten Schuldenschnitts zu drastischen Abwertungen und damit wahrscheinlich auch zu Nachschusspflichten aller Länder führen werden. Deutschland ist immer mit knapp 30 Prozent dabei. Doch vielleicht wird das ja auch anderen zu viel? Die Mahnungen des deutschen Bundesbankpräsidenten Jens Weidmann mögen für manche zwar lästig sein - richtig sind sie allemal!

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