Aufsätze

Harmonisierung und Digitalisierung des europäischen Meldewesens

Von Basel III zu CRR/CRD IV zu IST: Als Reaktion auf die Entstehung und den Verlauf der letzten globalen Finanzkrise verabschiedete der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ein Reformpaket, das unter dem Namen Basel III firmiert. Basel III bezeichnet ergänzende Empfehlungen zu der im Jahr 2004 verabschiedeten Rahmenvereinbarung über die internationale Konvergenz der Eigenkapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen für Banken (Basel II). Einerseits umfasst Basel III Empfehlungen zur Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen und die Bildung von Eigenkapitalpuffern. Andererseits beinhaltet Basel III eine Rahmenvereinbarung über die Messung, Standards und die Überwachung in Bezug auf das Liquiditätsrisiko der Banken.

Erhöhung der Widerstandsfähigkeit und der Transparenz

Die europäische Umsetzung von Basel III wird durch die Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation, kurz CRR) und die Kapitaladäquanzrichtlinie (Capital Requirements Directive, kurz CRD IV) vollzogen und schrittweise bis 2019 umgesetzt. Erklärtes Ziel der neuen Empfehlungen ist die Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der Banken und Bankensysteme gegenüber real- und finanzwirtschaftlichen Schocks.

Auf Grundlage des CRR/CRD-IV-Pakets erarbeitet die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) technische Durchführungsstandards (Implementing Technical Standards, kurz ITS), die nach einer Bestätigung der Europäischen Kommission unmittelbare Gültigkeit in allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union besitzen. Die ITS stellen ein einheitliches Regelbuch für alle europäischen Banken dar und sollen neben der Widerstandsfähigkeit auch die Transparenz und Effizienz des europäischen Bankensystems stärken. Die ersten beiden Standards übermittelte die EBA im Juli 2013 an die Europäische Kommission, einerseits Offenlegungspflichten der Banken in Bezug auf ihre Eigenmittel (EBA ITS 2013/01 - Disclosure for Own Funds by Institutions), andererseits aufsichtsrechtliche Meldepflichten der Banken gegenüber ihren nationalen Aufsichtsbehörden (EBA ITS 2013/02 - Supervisory Reporting). Beide Standards sind derweil von der Europäischen Kommission angenommen worden.

Der zweite Standard beschreibt die beiden zentralen Rahmenwerke der aufsichtsrechtlichen Meldepflichten von zirka 8 000 europäischen Banken, das "Common Reporting Framework", kurz COREP und das "Financial Reporting Framework", kurz FINREP. Ersteres umfasst die Bereiche Eigenmittel und Verschuldungsquote, Großkredite und Liquidität. Letzteres deckt das gesamte externe Rechnungswesen der Banken in einem sehr hohen Detailgrad ab, wobei sowohl nationale als auch internationale Rechnungslegungsstandards Berücksichtigung finden.

Beide Rahmenwerke bestehen aus mehreren Meldemodulen, jedes Meldemodul aus einer oder mehreren Tabellengruppen und jede Tabellengruppe aus einer oder mehreren Tabellen (Vordrucke/Meldebögen). Datenqualität wird mittels Validierungsregeln erreicht, die tabellenspezifischer Natur, tabellenübergreifend, tabellengruppenübergreifend, modulübergreifend oder gar rahmenwerkübergreifend sein können.

Umfangreiche Meldepflichten in festen Abständen

Banken sind verpflichtet, in festen Abständen Meldungen entsprechend der Standards an die nationalen Aufsichtsbehörden abzugeben (erste Meldestufe). Anschließend sind die nationalen Aufsichtsbehörden verpflichtet, die entgegengenommenen Meldungen an die EBA weiterzuleiten (zweite Meldestufe). Neben den beiden beschriebenen Standards hat die EBA bis heute 13 weitere Standards an die Europäische Kommission übermittelt, unter anderem Ergänzungen von FINREP um aufsichtsrechtliche Meldepflichten für notleidende und gestreckte Risikopositionen sowie aufsichtsrechtliche Meldepflichten bezüglich der Belastung von Vermögenswerten (Asset Encumbrance). In Tabelle 1 werden die verschiedenen Rahmenwerke, Meldemodule, Tabellengruppen und die Anzahl der Tabellen je Tabellengruppe zusammengestellt. Nicht berücksichtigt ist hier die Dynamik (sogenannte Z-Achsen oder Blätter) vieler Tabellen, also die Tatsache, dass viele Tabellen mehrfach zu melden sind, beispielsweise für verschiedene Risikopositionsklassen, Länder oder Währungen.

Von ITS zu DPM zu XBRL: Die Tabellen und Validierungsregeln veröffentlicht die EBA als Anhänge ihrer Standards. Diese Anhänge sind vordruckbasiert, das heißt, die einzelnen Datenpunkte werden durch ihre Tabellenposition beschrieben, wohingegen sie außerhalb ihres Tabellenkontextes keine Bedeutung besitzen. Die vordruckbasierten Anhänge dienen ausschließlich der Visualisierung, sind jedoch für den Datenaustausch zwischen nationalen Aufsichtsbehörden und EBA ungeeignet. Für diesen Zweck definiert die EBA ein sogenanntes Datenpunktmodell (Data Point Model, kurz DPM), welches jeden Datenpunkt der vordruckbasierten Anhänge mit bestimmten Dimensionen versieht.

Ein Datenpunkt kann dabei beliebig viele Dimensionen zugewiesen bekommen. Beispielsweise wird der Datenpunkt "Eigenmittel" der Tabelle "CA1 - Eigenmittel" (Reihe 010, Spalte 010) durch die Dimensionen Metrik (Betrag, der Übergangsbestimmungen enthält), Basis (Eigenmittel), Hauptkategorie (Regulatorische Kapitalinstrumente) und Eigenmittel (Gesamte Eigenmittel) beschrieben.

Ableitung einer XBRL-Taxonomie

Aus dem DPM wird eine sogenannte XBRL-Taxonomie abgeleitet. XBRL steht für eX-tensible Business Reporting Language und ist ein nicht-proprietärer, web-basierter, offener Standard zum Austausch von Unternehmens-, Finanz- und Meldeweseninformationen, dessen erste Spezifikation das Konsortium XBRL International im Jahr 2000 veröffentlichte. Die XBRL-Spezifikation definiert die Regeln für XBRL-Taxonomien. XBRL-Taxonomien sind Spiegel bilder rechtlicher Rahmenbedingungen (beispielsweise der CRR/CRD IV, IFRS oder E-Bilanz in Deutschland) und definieren die Regeln bestimmter XBRL-Dokumente. Daten enthaltende und den Regeln einer XBRL-Taxonomie entsprechende XBRL-Dokumente werden schließlich XBRL-Instanzdokumente genannt. Jeder in den Vordrucken enthaltene Datenpunkt besteht im Prinzip aus zwei XBRL-Bausteinen, seiner Definition und seiner Ausprägung.

Als Beispiel dient der Datenpunkt "Eigenmittel" der Tabelle "CA1 - Eigenmittel" (Reihe 010, Spalte 010), dessen XBRL-Bausteine Tabelle 2 zu entnehmen sind. Die Definition beinhaltet den Kontext des Datenpunktes (context id), die Meldeeinheit (entity), den Meldezeitraum (period) und die Dimensionen des Datenpunktes (scenario). Die Ausprägung selbst erfolgt in einer bestimmten Metrik und beinhaltet im vorliegenden Beispiel die Genauigkeit des Wertes, die Währung des Wertes und den Wert selbst. Sowohl die Metrik als auch die vordefinierten Dimensionen ergeben sich unmittelbar aus dem DPM.

Die nationalen Aufsichtsbehörden sind verpflichtet, Meldungen der Banken als XBRL-Instanzdokumente an die EBA zu übermitteln. Während XBRL auf der zweiten Meldestufe verpflichtend ist, steht es den nationalen Aufsichtsbehörden frei, in welcher Form sie die Meldungen der von ihnen beaufsichtigten Banken entgegennehmen.

Gegenüber traditionellen Formen der Unternehmens- und Finanzberichterstattung, wie der Veröffentlichung von Jahresberichten im PDF-Format oder in proprietären XML-Formaten, bietet XBRL einige Vorteile. Erstens lassen sich die mittels XBRL verbreiteten Daten schneller und kostengünstiger ihrem eigentlichen Zweck, der Datenanalyse, zuführen. Zweitens führt die Standardisierung der Berichterstattung im Rahmen einer XBRL-Taxonomie zu einer besseren Vergleichbarkeit von Unternehmens-, Finanz- und Meldewesendaten. Drittens bietet XBRL die Möglichkeit der Datenvalidierung und steigert damit die Datenqualität der Informationen.

Umsetzung in Deutschland

Die Bundesbank hat entschieden, die Meldungen der Banken auf der ersten Meldestufe auf der gleichen technischen Basis entgegenzunehmen und zu validieren, wie dies von der EBA auf der zweiten Meldestufe erwartet wird. Das aktuelle DPM (2.0.1) und die abgeleitete aktuelle XBRL-Taxonomie (2.0.1) sind damit auch Grundlage der Meldungen deutscher Banken an die Bundesbank. Für die nationale Bearbeitung der Meldungen hat die Bundesbank die XBRL-Taxonomie um eine Kopfzeile erweitert, die allgemeine Meldeinformationen enthält. Hierzu zählen verschiedene Identnummern, das Datum der Meldungserstellung, der Meldungszeitraum, die Meldungsart (einzeln/konsolidiert), der Name der Meldewesensoftware und die Kontaktdaten der meldenden Entität.

Die Aufsichtsseite verspricht sich von den neuen, umfassenden Meldewesenanforderungen weitreichendere und tiefergehende Analysemöglichkeiten, um die Solvabilitäts- und Liquiditätsprobleme einzelner Banken frühzeitig erkennen und die Stabilität des gesamten Bankensystems sicherstellen zu können.

Die interne Umsetzung der ITS, des DPM und der gesamten XBRL-Technologie stellt die deutschen Banken vor erhebliche Herausforderungen. Vor dem Hintergrund der erst im Dezember 2013, und damit nur vier Monate vor dem ersten Meldestichtag zum 31. März 2014, veröffentlichten finalen fachlichen und technischen Vorgaben hat die EBA die Einreichungsfristen für die ersten Meldungen des COREP-Rahmenwerkes bis einschließlich 30. Juni 2014 verlängert.

Erschwerend bei der Umsetzung hinzugekommen ist, dass die zur Verfügung gestellten Validierungsregeln teilweise nicht der erforderlichen Qualität entsprachen und bereits angepasst werden mussten. Zwar werden die neuen Anforderungen bezüglich der Datenqualität mittelfristig greifen, aber in der Einführungsphase zusätzliche Aufwände auf Seiten der Banken und der Bundesbank mit sich bringen. Bereits heute ist zu erkennen, dass die Agilität des Meldewesens, also sowohl Änderungen als auch Erweiterungen der Meldeinhalte seitens der EBA, und die damit verbundenen Anpassungen des DPM und der XBRL-Taxonomien sowohl die Banken als auch die Bundesbank vor weitere Herausforderungen stellen werden.

Implementierung als Herausforderung

Aus Sicht der Bankenaufsicht stellt sich die grundlegende Frage, wie die immensen Datenvolumina, welche die neuen Anforderungen mit sich bringen, ausgewertet werden können. Aus Sicht der Banken stellt sich die grundlegende Frage, wie Änderungen und Erweiterungen der Meldeinhalte effizienter umgesetzt werden können. Letzten Endes stellen die Harmonisierung und Digitalisierung des europäischen Meldewesens einen wichtigen, aber keinesfalls einfachen Schritt im Prozess der Neugestaltung der europäischen Bankenaufsicht dar. Während ITS, DPM und XBRL mittel- bis langfristig Effizienzgewinne versprechen, müssen zu allererst die Implementierungsprojekte in Europa erfolgreich abgeschlossen werden, damit sich Bankenaufseher und Banken gleichermaßen in der neuen Realität des Meldewesens einfinden können.

Dr. Maciej Piechocki , Member of the Management Board , BearingPoint RegTech
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