Kreditwesen aktuell

Die IWF-Frühjahrstagung 2014 - Weltwirtschaft, Quotenreform und Finanzmarktregulierung

Wie kann das Wachstum der Weltwirtschaft gefördert werden? Wie soll mit dem Stocken der IWF-Reformen umgegangen werden? Wie lässt sich die Regulierung der Finanzmärkte verbessern? Das waren die Fragen, die auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank sowie bei dem parallel stattfindenden Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure diskutiert wurden. Kurz gefasst lauten die Antworten: Die Förderung des Wirtschaftswachstums erfordert vor allem Strukturreformen - wichtig ist aber auch, die Finanzierung von Investitionen zu fördern. Das Stocken der IWF-Reformen wird allgemein als untragbar empfunden - die USA wurden aufgefordert, die Reformen schnellstmöglich zu ratifizieren. Bei der Regulierung der Finanzmärkte geht es weiterhin um das "Too big to fail"-Problem - geklärt werden muss hier, wie Banken abgewickelt werden können, ohne dass dabei die Finanzstabilität gefährdet wird oder Steuergelder ausgegeben werden.

Weltwirtschaft in einer Erholungsphase, aber fortbestehende Risiken

Während die Weltwirtschaft weiter moderat wächst, verändern sich die dahinter stehenden Kräfte. Das Wachstum in den fortgeschrittenen Ländern festigt sich spürbar, gleichzeitig lässt die Dynamik in einigen Schwellenländern nach. Die an ziehende Wirtschaftsdynamik der fort geschrittenen Länder könnte zwar dazu führen, dass die Weltwirtschaft schneller wächst als zurzeit angenommen wird, es bestehen aber noch deutliche Abwärtsrisiken. Darüber waren sich die Teilnehmer der Tagung, einschließlich der Vertreter der Bundesbank, einig.

Neben den aktuellen geopolitischen Unsicherheiten sind es vor allem die gestiegenen Anfälligkeiten mancher Schwellenländer, die gegenwärtig Sorgen bereiten. Es herrscht Einvernehmen darüber, dass diese Länder gefordert sind, Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Widerstandsfähigkeit zu verbessern. Die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum stand zwar nicht mehr im Zentrum der Diskussion, dennoch wurde mehrfach davor gewarnt, dass die Reformbereitschaft in den Krisenländern nachlassen könnte. Auch die Bundesbank sieht Reformmüdigkeit als eines der größten Risiken für die Erholung im Euro-Raum.

Der IWF selbst betont, dass vor allem anhaltend niedrige Inflationsraten im Euro-Raum eine Gefahr seien. Diese Position wurde allerdings nicht von allen Teilnehmern der Tagung geteilt, und auch die Bundesbank vertritt hier eine andere Ansicht. Die derzeit niedrigen Inflationsraten sind vielmehr in erster Linie auf fallende Energie-, Rohstoff- und Lebensmittelpreise sowie auf die notwendigen Anpassungsprozesse in den europäischen Krisenländern zurückzuführen. Aus Sicht der Bundesbank ist eine breit angelegte deflatorische Entwicklung im Euro-Raum nicht erkennbar. Nicht zuletzt die expansive Geldpolitik des Eurosystems stützt eine wirtschaftliche Erholung, in deren Kielwasser auch die Preise wieder steigen dürften. Sollte es zu einer lang andauernden Phase sehr niedriger Inflationsraten kommen, verfügt das Eurosystem über Ins trumente, um dem entgegenzuwirken. Wichtig dabei ist aber auch, mögliche Risiken zu berücksichtigen, die mit dem Einsatz solcher Instrumente verbunden sind.

Das Wachstum stärken - aber wie?

Das weltweite Wachstum zu stärken, ist einer der Schwerpunkte der Agenda der australischen G20-Präsidentschaft. Bis zum Gipfel in Brisbane im November 2014 ist jedes Land der G20 aufgefordert, eine umfassende Strategie zur Förderung von Investitionen, Wettbewerb, Beschäftigung und Handel vorzulegen. Bereits im Februar hatten sich die Mitglieder der G20 in Sydney darauf verständigt, die globale Wirtschaftsleistung über die kommenden fünf Jahre um zwei Prozentpunkte über die damalige IWF-Prognose hinaus anzuheben.

Bei dem Treffen in Washington ging es nun um die Frage, welche Strategien geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Deutschland hat dabei für möglichst konkrete und ambitionierte Strukturreformen geworben. Auch aus Sicht der Bundesbank ist es erfreulich, dass die australische Präsidentschaft einen entsprechenden Schwerpunkt setzt und die Bedeutung von Strukturreformen für das Wachstum betont. Diskutiert wurde vor allem, wie der Wettbewerb auf Produkt- und Arbeitsmärkten gestärkt werden kann.

Die internationalen Organisationen haben ebenfalls die Bedeutung von Strukturreformen unterstrichen und weitergehende Maßnahmen angemahnt. Die Bundesbank unterstützt das Streben nach ambitionierten Wachstumsstrategien, diese sollten aber nicht als planwirtschaftliche Übung verstanden werden. Das Wirtschaftswachstum wird von vielen Faktoren beeinflusst, und die genaue Wirkung von Strukturreformen lässt sich nicht exakt bestimmen.

Einen weiteren wichtigen Bestandteil der Wachstumsstrategie bilden die Arbeiten der G20 zur Verbesserung der langfristigen Investitionsfinanzierung. Auch sie wurden in Washington diskutiert. Im Kern haben sich die Länder darauf verständigt, Reformen durchzuführen, um private Investitionen attraktiver zu machen. Einigkeit herrschte darüber, dass ein dauerhaftes und ausgewogenes Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum am ehesten gefördert werden kann, wenn sich die Bemühungen auf Infrastrukturprojekte und auf die Verbesserung der Finanzierungsbedingungen von kleinen und mittleren Unternehmen konzentrieren.

Stockende IWF-Reformen - komfortable Finanzausstattung des Fonds

Die Umsetzung der Quoten- und Governance-Reformen des IWF ist völlig zum Stillstand gekommen. Die Beschlüsse von 2010 können nicht in Kraft treten, solange die USA sie nicht ratifizieren - und danach sieht es momentan nicht aus. Aus diesem Grund werden auch die Arbeiten an der 15. Allgemeinen Quotenüberprüfung gegenwärtig nicht fortgesetzt, denn diese baut auf den 2010 beschlossenen Reformen auf und soll eigentlich bis Januar 2015 abgeschlossen sein. Dieser Stillstand wird nicht nur von Seiten der Bundesbank kritisch gesehen. Eine zunehmende Zahl von Ländern empfindet die Verzögerungen als auf Dauer untragbar und als zunehmende Belastung für die Glaubwürdigkeit und Legitimität des IWF. Vor diesem Hintergrund wurde in Washington Folgendes vereinbart: Sofern die Reformen von 2010 nicht bis zum Ende dieses Jahres umgesetzt sein sollten, wird der IWF damit beauftragt, Optionen für das weitere Vorgehen zu entwickeln. Das Stocken der Reformen beeinflusst die Finanzausstattung des IWF jedoch nicht nennenswert. Diese bleibt mit mehr als 1 000 Milliarden US-Dollar weiterhin komfortabel, zumal der IWF selbst erwartet, dass die Kreditnachfrage auf mittlere Sicht zurückgeht.

Mit Blick auf die Finanzmarktregulierung stand das "Too big to fail"-Problem im Mittelpunkt. Es ist Konsens, dass es auch systemrelevanten Banken möglich sein muss zu scheitern, ohne die Stabilität des gesamten Finanzsystems zu gefährden. Hierzu sind Mechanismen notwendig, die eine geordnete Abwicklung solcher Banken ermöglichen. Dabei ist entscheidend, dass im Abwicklungsfall genügend Mittel zur Absorption von Verlusten zur Verfügung stehen. Diese Verlustabsorptions masse (Gone-Concern Loss-Absorbing Capacity, kurz GLAC) soll es ermöglichen, die betroffene Bank abzuwickeln und deren kritische Funktionen fortzuführen, ohne auf Steuergelder zurückgreifen zu müssen. Die Bundesbank unterstützt die Entwicklung eines internationalen Standards zu GLAC. Wichtig ist hierbei, dass dieser Standard kompatibel mit bestehenden Regulierungen, insbesondere jenen im Rahmen von Basel III, ist.

Verbesserte Datenstandards - ein wichtiger Beitrag zur Krisenprävention

Mit den Krisen der vergangenen Jahrzehnte ist das Bewusstsein dafür gestiegen, wie wichtig verlässliche, international vergleichbare Statistiken sind. Sie sind unerlässlich, um die wirtschaftliche Situation und Risikolage von Volkswirtschaften einzuschätzen und den Märkten die Analyse von Risiken zu erleichtern. Sowohl der IWF als auch die G20 arbeiten daran, die Verfügbarkeit solcher Daten zu verbessern - der IWF mit seinen Initiativen zur Verbesserung der Datenbereitstellung durch freiwillige Standards, die G20 mit ihrer "Data-Gaps-Initiative".

Einen weiteren wichtigen Schritt hat der IWF getan, indem er den Special Data Dissemination Standard (SDDS) nochmals erhöht hat. Dieser Datenstandard beinhaltet noch genauere unterjährige Daten für den realen Sektor, den öffentlichen Bereich, die finanziellen Unternehmen und die Außenwirtschaft. Damit schafft er eine verlässliche und zeitnahe Grundlage für makroökonomische und makroprudenzielle Analysen.

Somit wird der SDDS Plus Standard in einer Welt stark verflochtener Finanz- und Gütermärkte künftig ein wichtiges Instrument zur Krisenprävention sein - vorausgesetzt, ihm treten möglichst viele Länder bei. Deutschland hat während der Frühjahrstagung als eines der ersten Länder seine Absicht erklärt, dem SDDS Plus beizutreten - die Bundesbank begrüßt diesen Schritt.

Dr. Andreas Dombret , Global Senior Advisor , Oliver Wyman GmbH, München (und Vorstand i.R., Deutsche Bundesbank)
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