Sparkassentag 2013 Aufsätze

Sparkassen im 21. Jahrhundert zwischen Tradition und Moderne

Nichts ist moderner als eine gute Tradition. Einer Idee, die im 18. Jahrhundert in Hamburg ihren Anfang nahm und die Umbrüche des 19. und 20. Jahrhunderts nicht nur erfolgreich überstanden, sondern die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft mitgestaltet hat, gehört auch die Zukunft. So werden die Sparkassen mit ihrem regionalen, kundenorientierten Geschäftsmodell gestärkt aus dem gegenwärtigen Strukturwandel der Kreditwirtschaft hervorgehen können, wenn jetzt die Weichen in Politik, Finanzgruppe und jeder einzelnen Sparkasse richtig gestellt werden.

Herausfordernder Start ins 21. Jahrhundert

Der Start ins 21. Jahrhundert war und ist für die gesamte Kreditwirtschaft herausfordernd. Finanzkrise, Konjunkturkrise, Euro- und Staatsschuldenkrise sowie Finanzrepression lauten die Stichworte. Verunsicherte Anleger und die extrem niedrigen Zinsen begrenzen die Ertragsmöglichkeiten für Banken und Sparkassen. Zugleich steigt der Kostendruck durch überbordende Regulierung, aber auch durch notwendige Investitionen zum Beispiel für den Ausbau neuer Vertriebskanäle.

Mit der Tradition der deutschen Stabilitätskultur hat Europa in der Not leider gebrochen. Dafür zahlen auch die deutschen Sparkassen und ihre Kunden die Zeche. Die negativen Realzinsen werden auf lange Sicht zu sinkenden Sparquoten führen, mit negativen Konsequenzen für das Vorsorge- und Anlagegeschäft. Zudem wird bei geringerer Ersparnisbildung die Refinanzierung des Kreditgeschäfts erschwert. Nur wo gespart wird, kann auch investiert werden. Diese Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Wirtschaftskreislauf sollte sich die Politik immer wieder vor Augen führen.

Die Kreditwirtschaft hat eine dienende Funktion für Bürger und Unternehmen. Was passiert, wenn diese Bodenhaftung verloren geht, konnte eindrucksvoll während der Finanzkrise oder aktuell auf Zypern studiert werden. Doch die Politik tut sich leider schwer, die richtigen Lehren zu ziehen und die Weichen zielgerichtet zu stellen. Statt nur die eigentlichen Verursacher von Finanzkrise und Instabilität an die Kandare zu nehmen, geraten zunehmend diejenigen in Sippenhaft, die wie die Sparkassen mit ihrem traditionellen Geschäftsmodell als regionale Finanzdienstleister in der Krise stabilisierend gewirkt haben.

Die angesichts der Finanzkrise in der Tat notwendige stärkere Regulierung erfolgt leider zu undifferenziert. Außerdem wird zugelassen, dass der Wettbewerb durch staatlich gestützte Banken verzerrt wird. Das Geld deutscher Sparer wird so zur Stützung ausländischer Banken und zum Kauf von Staatsanleihen südeuropäischer Krisenländer missbraucht, statt in die Regionen zu fließen und den deutschen Mittelstand zu stärken.

Stärkung mittelständischer Strukturen

Dabei müsste gerade die Stärkung mittelständischer Strukturen ganz oben auf der Agenda stehen. Deutschland ist besser als andere Volkswirtschaften durch die Krisenjahre gekommen und steht als Konjunkturlokomotive in Europa trotz Krise unter Dampf. Zu verdanken ist dies insbesondere der Innovationskraft und dem klugen Wirtschaften der mittelständischen Unternehmen, deren Erfolg in Deutschland und auf den Weltmärkten für sich spricht.

Dem hohen Gewicht des Mittelstands hierzulande entspricht die mittelständische Struktur der deutschen Kreditwirtschaft mit der starken Marktposition von Sparkassen und Genossenschaftsbanken - ein beneidenswertes Erfolgsmodell. Nicht ohne Grund wird im Ausland über die Neu-Etablierung eines Sparkassensektors nachgedacht, der dort in der Krise als Stabilitätsanker schmerzlich vermisst wurde.

Insofern müsste die Politik die Sparkassen und Genossenschaftsbanken nach Kräften unterstützen. Doch leider werden in deutscher Gründlichkeit durch enge Auslegung international vereinbarte Regulierungen eher noch weiter verschärft. Das alles geschieht sicher in allerbester Absicht, um Krisen vorzubeugen, aber in der Summe belastend für mittelständische Strukturen. Zu wünschen wäre stattdessen eine Regulierung mit mehr Augenmaß. Und eine möglichst schnelle Rückkehr zu normalen Zinsen, die Sparer und Sparkassen - und damit die gesamte Wirtschaft - stärken. Wenn es die Sparkassen nicht schon gäbe, dann müsste man sie erfinden. So vielfältig wie die deutschen Regionen, so vielfältig sind die Sparkassen in Deutschland. Es gibt Großsparkassen in bevölkerungsreichen Wirtschaftszentren und kleinere Institute in dünn besiedelten Regionen. Die einen wie die anderen verstehen es, sich erfolgreich auf die jeweiligen Bedürfnisse der Menschen und Unternehmen vor Ort einzustellen.

Vielfalt aus Tradition

Auch die Ursprünge der heutigen Sparkassen sind vielfältig: In freien Städten wie Bremen, Frankfurt, Hamburg oder Lübeck waren die Bürger eher bereit, aus eigener Initiative gemeinnützige Aufgaben zu übernehmen, die andernorts die Obrigkeit wahrnahm. So wurde 1778 als Vorläuferinstitut der Haspa die erste Sparkasse in Deutschland - wenn nicht sogar in Europa - von der Allgemeinen Versorgungsanstalt der Patriotischen Gesellschaft in Hamburg auf Initiative sozial engagierter Bürger ins Leben gerufen. Die erste kommunale Sparkasse Deutschlands entstand 1801 in Göttingen.

Im Laufe der Geschichte wurden die meisten aus privater Initiative entstandenen Sparkassen kommunalisiert. Jedoch gibt es bis auf den heutigen Tag Freie Sparkassen in Bremen, Hamburg und Schleswig- Holstein. Sie sind öffentliche Sparkassen in privater Rechtsform und elementarer Bestandteil der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe. Der Hanseatische Sparkassen- und Giroverband zählt mit den Großsparkassen in Bremen und Hamburg zwei Freie Sparkassen zu seinen Mitgliedern.

Es gibt zwar zu Eigenheiten der Regionen passende Unterschiede in den historischen Wurzeln und der Rechtsform, aber ganz klar nur eine gemeinsame Geschäftsphilosophie aller deutschen Sparkassen: Gemeinwohlverpflichtung, Finanzdienstleistungen für alle Kundengruppen und Förderung des Mittelstands vor Ort in der Region sowie ein breit gefächertes gesellschaftliches Engagement sind gelebte Tradition und Wettbewerbsvorteil zugleich.

Mit zunehmender Globalisierung scheint der Trend unaufhaltsam zu größeren Einheiten zu gehen. Die regionalen Sparkassen sind hier jedoch ein wohltuender Gegenpol und Stabilitätsanker in einer globalisierten Welt. Denn Vertrauen entsteht durch Nähe. Und die wünschen sich die Menschen gerade angesichts zunehmender Komplexität in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld.

Die Dezentralität ist ein Wettbewerbsvorteil der Sparkassen, der trotz Regulierungs- und Kostendruck auch im 21. Jahrhundert unbedingt erhalten werden muss. Eigenständige Sparkassen mit langer Tradition in ihrer Heimatregion bieten herausragende Marktkenntnis vor Ort und sind mit den Menschen, Unternehmen und Institutionen bestens vernetzt. Schnelle Erreichbarkeit von persönlichem Service und kompetenter Beratung wird trotz der steigenden Bedeutung mobiler und Online-Services auch in Zukunft einen hohen Stellenwert für die Menschen behalten.

Betriebswirtschaftliche Nachteile der Dezentralität können durch Bündelung der Kräfte im Verbund der Sparkassen zumindest teilweise ausgeglichen werden. Wenn alle an einem Strang ziehen, kann durch partnerschaftliche Zusammenarbeit und sinnvolle Arbeitsteilung die traditionelle Vielfalt selbstständiger Sparkassen in den und für die Regionen dauerhaft erhalten bleiben.

Strategische Ausrichtung für das 21. Jahrhundert

Selbstverständlich muss jede Sparkasse sich selbst fit machen, um auch im 21. Jahrhundert erfolgreich zu sein. Neben Verbesserung der Kosten- und Erlössituation als Daueraufgabe muss auch die strategische Ausrichtung laufend justiert und an das sich wandelnde Umfeld angepasst werden.

So führen Nullpreisstrategien in die Erlössackgasse. Wenn Kunden sich erst einmal daran gewöhnt haben, dass Leistungen verschenkt werden, ist es schwer, hierfür später Geld zu nehmen. Gerade das Girokonto ist Dreh- und Angelpunkt jeder Bank-Kunde-Beziehung. Deshalb sollte auf Quersubventionierungen verzichtet werden.

Die moderne Interpretation traditioneller Stärken wie Kundennähe, Kompetenz und Regionalität wird unsere Zukunft bestimmen. Künftig wird es darauf ankommen, die starke Marke Sparkasse mit ihren Kernwerten auch fest in der digitalen Welt zu verankern und zugleich ein bedarfsgerechtes stationäres Filial- und Centernetz zu gestalten.

Das stationäre Vertriebsnetz befindet sich seit Langem in stetem Wandel und wird so seinen Wert auch in Zukunft behalten können. Anpassung von Standorten und Öffnungszeiten an die Kundenbedürfnisse sowie die Einrichtung von Spezial-Kompetenz-Centern für spezielle Zielgruppen wie Studenten, Heilberufe oder große Unternehmen differenziert nach Branchen forcieren erfahrungsgemäß gleichermaßen Kundenorientierung und Geschäftserfolg.

Kundennähe in der digitalen Welt

In der neuen digitalen Welt bestimmt der Kunde, wie, wann und wo er mit seiner Sparkasse in Kontakt treten möchte. Das ist die zentrale strategische Herausforderung für die Sparkassen. Sie erfordert neue Lösungen und technische Verfahren. Auch in der digitalen Welt ist und bleibt ein kompetenter Berater in der komplexen Welt der Finanzen unentbehrlich. Die Kunden sehen ihn vielleicht nur nicht mehr so oft persönlich, sondern kommunizieren über E-Mail, Video-Konferenz oder soziale Medien mit ihm, statt ihn in einer Filiale oder einem Kunden-Center aufzusuchen.

Sparkassen können und wollen nicht zur reinen Online-Bank werden. Aber durch intelligente Verknüpfung der Kanäle können sie die beste Kombination aus traditioneller und moderner Bankenwelt bieten und ihre Markenwerte und Wettbewerbsvorteile wie Kundennähe, Kompetenz und Regionalität voll ausspielen. Dazu müssen die Sparkassen den klaren Trend zu mobilen und Online-Services aktiv gestalten und ein voll integriertes digitales Leistungsangebot für die Kunden entwickeln. Denn junge Menschen suchen ihre erste Bankverbindung - wie alles andere auch - zuerst übers Netz. Und wer schon Sparkassenkunde ist, erwartet ebenfalls Modernität.

Auch in Zukunft werden die Sparkassen mit Internetpräsenz, mobilen und Online-Services und der Interaktion von echten Kunden mit echten Beratern vor Ort in Filialen und Centern oder über soziale Netzwerke 24 Stunden am Tag das Tor zur Finanzwelt sein. Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit zum Wohle der Kunden und der Region haben bei den Sparkassen schließlich gute Tradition. Das gilt erst recht im 21. Jahrhundert.

Dr. Harald Vogelsang , Präsident, Hanseatischer Sparkassen- und Giroverbands (HSGV), Hamburg
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