Börsenfusionen

Umfeld unverändert freundlich

Die Deutsche Börse blickt mittlerweile auf eine längere Historie versuchter Übernahmen und Fusionen zurück. Mit Ausnahme des Erwerbs der US-amerikanischen Optionsbörse International Securities Exchange (ISE) Ende 2007 sind diese sämtlich gescheitert. Die Gründe hierfür waren vielschichtig: Ablehnung durch die Hauptaktionäre, Widerstand des jeweiligen Konsolidierungspartners oder Rückzug aus eigenem Ermessen. Am jüngsten Fall des gescheiterten Zusammenschlusses mit Nyse Euronext, bei dem bekanntlich das Veto der Wettbewerbshüter ausschlaggebend war, wird erneut deutlich: Börsenkonsolidierungen sind hochsensible Themen. Die betroffenen Unternehmen sind nicht nur stark reguliert, sondern gelten oftmals auch als Prestigeobjekte für den jeweiligen Standort und das Land.

Angesichts dieser Brisanz war der Plan eines Zusammenschlusses zweier Kolosse wie der Deutschen Börse und Nyse Euronext zwar von vornherein ambitioniert. Gleichwohl wäre eine Fusion aus Eigentümersicht durchaus wünschenswert gewesen. Dies hat auch die starke aktionärsseitige Zustimmung gezeigt. Beide Häuser hätten sich gut ergänzt und in nicht unerheblichem Umfang Synergien heben können - und dies in einer Industrie, die aufgrund ihrer mehr technologischen als kapitalintensiven Ausrichtung für Konsolidierungen prädestiniert ist. Die Unternehmen hätten so ihre Kräfte zu einer Zeit gebündelt, in der einer Börse ohnehin eine erhöhte volks- und finanzwirtschaftliche Bedeutung zukommt.

Kapitalmarkt ersetzt Kreditfinanzierung

Im aktuellen Umfeld kann der generelle Stellenwert von Börsen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Stichworte sind Disintermediation und Basel III. Zum einen unterliegen infolge der Finanzkrise die Bankbilanzen nämlich einem Schrumpfungsprozess; Geschäftsaktivitäten werden heruntergefahren. Zudem lastet Abschreibungsdruck auf der Eigenkapitalbasis der Banken und dies zu einer Zeit, in der von regulatorischer Seite erhöhte Anforderungen an ebendiese Kapitalbasis gestellt werden. Diese Gemengelage birgt die Gefahr, dass die Banken ihre Kreditvergabetätigkeit einschränken, wodurch wiederum der Transmissionsmechanismus des geldpolitischen Systems gestört würde. Im Extremfall könnten monetäre Lockerungsschritte der Zentralbanken im Finanzsektor versickern.

Angesichts dieser Gefahren steigt die Bedeutung der Börsen als Marktplatz - und somit alternativer Anbieter - externen Finanzierungskapitals für Unternehmen. Im internationalen Vergleich wird die Börse als Kapitalquelle in Deutschland immer noch relativ wenig genutzt. Wie die Tabelle/Grafik zeigt, boxt Deutschland diesbezüglich deutlich unter seiner Gewichtsklasse. So erreichte die Aktienmarktkapitalisierung in Deutschland in Relation zum Bruttoinlandsprodukt in den Übertreibungsjahren um die Jahrtausendwende einen Höchstwert von 60 Prozent. Aktuell liegt der Wert unter 40 Prozent. Letzteres entspricht in etwa dem derzeitigen Durchschnittsniveau für die Schwellenländer. Diese Größenordnung liegt deutlich unter der anderer industrialisierter Staaten wie die USA, Großbritannien oder Japan, deren Werte aktuell zwischen 60 und 120 Prozent liegen. Prinzipiell vergleichbare "Rückstände" gibt es auch in anderen Börsensegmenten. In der Rückschau der vergangenen Jahre hatte die vergleichsweise geringere Abhängigkeit deutscher Unternehmen von der Kapitalmarktfinanzierung zwar durchaus auch seine positiven Seiten. Dies machte sie nämlich auch weniger verwundbar durch Kapitalmarktschwankungen. Nichtsdestoweniger zeigt der lebhafte Start des börsengehandelten Mittelstandssegments für Unternehmensanleihen exemplarisch den Bedarf nach alternativen externen Finanzierungsquellen.

Auch im Alleingang erfolgreich

Das somit im wahrsten Sinne des Wortes "börsenfreundliche" Umfeld ist dann auch ausschlaggebend dafür, dass die gescheiterte Fusion mit der Nyse Euronext sicherlich schade, aber kein Beinbruch ist. Die unmittelbare Kursreaktion der Aktie der Deutschen Börse auf das Scheitern spricht dieselbe Sprache. Im Vergleich zu anderen internationalen Börsen steht die Deutsche Börse nämlich auch alleine recht gut da. Dies gilt zum einen in Bezug auf das Geschäftsmodell, das gut diversifiziert ist. Zum anderen gilt dies aber auch vor dem Hintergrund der regulatorischen Veränderungen, die den Börsenbereich betreffen. Vielversprechend ist hier etwa der geplante Transfer des Clearings und Handels von "Over-the-Counter"-Geschäften im Derivatebereich auf etablierte Börsen. Hiervon versprechen sich die Regulierungsbehörden eine erhöhte Transparenz. Es liegt nun an der Deutschen Börse, die Kräfte zu mobilisieren, um das durchaus auch regional vorhandene Wachstumspotenzial zu schöpfen.

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