Aufsätze

Wandelanleihen als Instrument der Kapitalmarktfinanzierung

Wandelanleihen gehören seit Jahrzehnten zum Standardrepertoire der Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt,1) da sie spezifische Unternehmens- und Investoreninteressen gleichermaßen bedienen können.2) Sie werden daher sowohl von börsennotierten wie auch privaten Unternehmen als Finanzierungsinstrument genutzt. Im vergangenen Jahr war eine rege Emissionstätigkeit insbesondere in Europa festzustellen.3)

Liquiditätsschonung

Als Fremdkapitalprodukt sind Wandelanleihen grundsätzlich weniger empfindlich gegen Konjunkturschwankungen als Aktien. Dem Anleger bieten sie durch die für die Laufzeit fest vereinbarte Verzinsung eine eher konservative Form der Kapitalanlage, besitzen jedoch durch das mit der Anleihe verbundene zusätzliche Wandlungsrecht auf Aktien eine spekulative Komponente, für die der Anleger je nach Marktlage unter Umständen gar keine nennenswerten Mittel aufbringen muss. Gleichwohl ist das Risiko des Anlegers begrenzt, da er bei einem ungünstigen Kursverlauf auf eine Umwandlung verzichten und sich die Anleihe zurückzahlen lassen kann. Dies steigert gerade in den gegenwärtigen Zeiten mit volatilen Aktienmärkten die Attraktivität von Wandelanleihen als Anlageinstrument. Für das emittierende Unternehmen ist von Vorteil, dass die Verzinsung typischerweise niedriger liegt als bei vergleichbaren gewöhnlichen Anleihen und die Emission somit eine günstigere Fremdfinanzierung ermöglicht. Den Emittenten ist die mit der Zinsersparnis einhergehende Liquiditätsschonung derzeit sehr willkommen.

Ferner können Wandelanleihen bei allgemein erwarteter günstiger Kursentwicklung der Aktien des emittierenden Unternehmens oftmals einfacher platziert werden als direkte Aktienemissionen per Kapitalerhöhung und sorgen für eine Diversifizierung der Kapitalgeber des Unternehmens. Außerdem haben sich Wandelanleihen auch als Referenzwert oder Anlageobjekt anderer Kapitalmarktprodukte etabliert, zum Beispiel von sogenannten Wandelan-leihen-Fonds, die mittlerweile von vielen großen Fondsgesellschaften angeboten werden. Hier kann die Anlageform in gewissem Umfang die Tatsache ausgleichen, dass die meisten Wandelanleiheemissionen kein Rating oder ein Non-Investment- Grade-Rating aufweisen.

Wandelanleihen können aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften durchaus als Finanzierungsinstrument zur Überbrückung von Krisenzeiten gesehen werden. Dies verdeutlichen auch weitere denkbare Verwendungen über die reine Kapitalaufnahme hinaus, so zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung als eine von mehreren Eigenkapitalkomponenten eines umfassenden Restrukturierungskonzepts, durch das ein sanierungswilliger Investor schrittweise eine größere Beteiligung erwirbt. Eine Sonderrolle nehmen Wandelanleihen im Kontext steuerlich und aufsichtsrechtlich getriebener Anlagestrukturen ein, zum Beispiel bei Anlagen institutioneller Anleger im Bereich Alternative Investments.

Funktionsweise

Wandelanleihen sind regelmäßig festverzinsliche Wertpapiere in Form von Inhaberschuldverschreibungen,4) die von einer Aktiengesellschaft ausgegeben werden. Sie verbriefen neben dem Recht auf Zins- und Kapitalrückzahlung auch ein Wandlungsrecht für den Anleger. Er kann durch Ausübung dieses Wandlungsrechts seine Gläubigeransprüche aus der Anleihe in einen Anspruch auf Aktienlieferung "umwandeln" und erhält dann eine bestimmte Zahl Aktien der Gesellschaft anhand eines bereits bei Begebung der Anleihe festgelegten Wandlungsverhältnisses. Wenn ein Anleger sein Wandlungsrecht nicht ausübt, erhält er bei Endfälligkeit den Nennbetrag zurück.

Rechtlich gesehen ist der Anleger zunächst ausschließlich ein Fremdkapitalgläubiger und später - im Fall der Ausübung des Wandlungsrechts und Lieferung der Aktien - nur noch ein Aktionär. Bilanziell wird die Wandelanleihe jedoch typischerweise als Mischform von Fremd- und Eigenkapitalkomponenten gesehen und kann unter bestimmten Bedingungen teilweise als Eigenkapital angerechnet werden.5)

Ausgestaltungsvarianten

In der konkreten Ausgestaltung der Anleihe bestehen einige Variationsmöglichkeiten.6) Beispielsweise kann bei einer sogenannten Pflichtwandelanleihe (Mandatory Convertible Bond) vorgesehen werden, dass die Wandlung spätestens zum Laufzeitende zwingend erfolgt und nicht mehr im Ermessen des Anlegers liegt, was für den Anleger natürlich ein erhöhtes Risiko mit sich bringt.7) Ferner kann in Form sogenannter Optionsanleihen ein separierbares Bezugsrecht auf Aktien vorgesehen werden, das neben der Anleihe fortbesteht und getrennt von ihr gehandelt werden kann.

Eine Abwandlung zur Pflichtwandelanleihe stellen sogenannte Bedingte Wandelanleihen (Contingent Convertible Bonds oder CoCo Bonds) dar, die erst kürzlich durch eine Emission der Lloyds Banking Group in den Fokus der Öffentlichkeit gerieten und bei denen es beim Eintritt bestimmter Ereignisse - im Falle dieser Emission das Absinken des aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals unter einen bestimmten Schwellenwert - automatisch zu einer Umwandlung in Aktien des emittierenden Unternehmens kommt.8)

Außerdem kann sich das Wandlungsrecht anstatt auf eigene Aktien der Emittentin auf "fremde" Aktien anderer Unternehmen beziehen. Eine solche Umtauschanleihe (Exchangeable Bond) kann zum Beispiel dem einfachen Abbau von Beteiligungsbesitz des emittierenden Unternehmens dienen. Auf sie sind grundsätzlich die gleichen rechtlichen Erwägungen wie für Wandelanleihen anwendbar, jedoch bestehen für diese reine Fremdkapitalaufnahme keine besonderen aktienrechtlichen Voraussetzungen, da die Aktionäre der Emittentin nicht vor Eingriffen in ihre Mitgliedschaftsrechte geschützt werden müssen.9)

Aktienrechtliche Voraussetzungen

Grundlegend zu unterscheiden von der Wandelanleihe ist die Aktienanleihe (Reverse Convertible Bond). Es handelt sich um eine reguläre Anleihe, bei der die Emittentin berechtigt ist, die Rückzahlung anstatt in bar nach Wahl durch die Lieferung von Aktien Dritter in vorher bestimmtem Umfang zu leisten. Aktienanleihen werden oft von Banken als Anlageprodukt angeboten. Aus wirtschaftlicher Sicht handelt es sich um den Verkauf einer Verkaufsoption, wobei sich die Risikoprämie in einer im Vergleich zum Marktzinsniveau erhöhten Verzinsung widerspiegelt.10)

Aufgrund der Aktienausgabe im Wandlungsfall hat die Wandelanleihe einen verwässernden Effekt auf den bestehenden Aktienbesitz. Aktienrechtlich ist deshalb im Gegensatz zu sonstigen Fremdkapitalprodukten eine bloße Geschäftsführungsmaßnahme als Grundlage für die Emission nicht ausreichend, sondern die Hauptversammlung hat darüber (wie bei einer Kapitalerhöhung) mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals zu beschließen.11)In der Regel wird die Ausgabe nicht direkt in der Hauptversammlung beschlossen, sondern der Vorstand dazu für eine Dauer von maximal fünf Jahren ermächtigt.12) Anders als beim genehmigten Kapital ist eine Zustimmung des Aufsichtsrats von Gesetzes wegen nicht erforderlich, dies kann jedoch der Ermächtigungsbeschluss vorsehen.13) Die wesentlichen Anleihebedingungen werden typischerweise im Hauptversammlungsbeschluss vorgegeben und die Festlegung der weiteren Einzelheiten dem Vorstand bei der Ausgabe überlassen.14)

Den bestehenden Aktionären steht bei der Begebung von Wandelanleihen ein gesetzliches Bezugsrecht auf einen ihrer Beteiligung entsprechenden Teil der Emission zu.15) Das Bezugsrecht kann durch Beschluss der Hauptversammlung mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des vertretenen Grundkapitals ausgeschlossen oder der Vorstand zu diesem Ausschluss ermächtigt werden, was in der Praxis häufig geschieht.16) Auch der bei Kapitalerhöhungen vielfach eingesetzte erleichterte Bezugsrechtsausschluss für bis zu zehn Prozent des Grundkapitals ist anwendbar.17)

In jüngster Zeit wurden in der Rechtsprechung Zweifel laut, ob im Hauptversammlungsbeschluss zur Schaffung eines bedingten Kapitals ein nicht absolut bezifferter Mindestbetrag für die Wandlung vorgesehen werden darf, der lediglich als prozentualer Abschlag vom Börsenpreis der Aktien ausgedrückt wird. Dies wurde jedoch inzwischen in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs18) höchstrichterlich geklärt und hat den Gesetzgeber zu einer entsprechenden Änderung des Aktiengesetzes19) bewogen. Die Umsetzung von Transaktionen ist damit rechtssicherer geworden.20)

Neben der Einholung einer Ermächtigung ist auch die Herkunft der Aktien zu sichern, die bei einer eventuellen Wandlung geliefert werden müssen.21) Diese stammen meist aus einem für diesen Zweck vom Gesetz vorgesehenen bedingten Kapital, das die Ausgabe neuer Aktien in dem Umfang ermöglicht, in dem Wandlungsrechte ausgeübt werden. Andere denkbare Lieferquellen wie etwa Aktien aus regulären Kapitalerhöhungen oder zuvor von der Gesellschaft im Markt erworbene eigene Aktien spielen in der Praxis aufgrund der in diesem Zusammenhang schwerfälligeren Umsetzung kaum eine Rolle.

Wahl der Emittentin

Wandelanleihen können direkt von der betreffenden Gesellschaft oder indirekt über eine (bei deutschen Großunternehmen regelmäßig in den Niederlanden angesiedelte) Finanzierungstochtergesellschaft (Finance B. V.) begeben werden. Diese leitet den Emissionserlös an die deutsche Muttergesellschaft weiter, welche die Rückzahlung garantiert und sich verpflichtet, bei Wandlung Aktien zu liefern.22) Hintergrund dieser indirekten Form der Kapitalaufnahme ist, dass nach marktüblicher Ansicht keine Quellensteuer auf die Zinszahlungen einbehalten werden muss. Das kann den Kreis möglicher Investoren vergrößern und insbesondere für diejenigen ausländischen Anleger interessant sein, für welche die Quellensteuerfreiheit aufgrund ihrer persönlichen Steuersituation entscheidend ist. Die ausländische Zweckgesellschaft emittiert die Wandelanleihe, unterliegt jedoch nicht dem deutschen Aktienrecht. Dennoch hat die deutsche Muttergesellschaft in dieser Konstellation alle regulären aktienrechtlichen Anforderungen so zu erfüllen, als ob eine direkte Emission vorliegt. Dies ist sachgerecht, denn der verwässernde Effekt der Ausgabe, auf den sich die besonderen aktienrechtlichen Voraussetzungen gründen, tritt bei der direkten und der indirekten Struktur gleichermaßen ein.

Platzierungsfragen

Wandelanleihen werden in der Praxis wie andere Eigen- und Fremdkapitalpapiere von Banken zur Platzierung übernommen. Das öffentliche Angebot von Wertpapieren setzt in Deutschland einen Wertpapierprospekt im Einklang mit dem Wertpapierprospektgesetz (WpPG) voraus. Da Wandelanleihen meist mit einer Mindeststückelung von 100 000 Euro ausgegeben werden, kann jedoch das Angebot stets unter Nutzung einer prospektrechtlichen Ausnahmevorschrift prospektfrei erfolgen.23)

Häufig werden Wandelanleihen auf Term-sheet-Basis in einem sogenannten "accelerated placement" platziert, das heißt der Verkauf erfolgt im Rahmen einer Privatplatzierung an institutionelle Anleger in kürzester Zeit allein anhand der grundlegenden Konditionen, die in einem ein- bis zweiseitigen Termsheet zusammengefasst sind.24) Die Anleihe ist damit wirtschaftlich emittiert, aber die eigentliche rechtliche Begebung des Wertpapiers sowie die Anleihe- und Vertragsdokumentation folgen erst einige Zeit nach Platzierung.

Börsennotierung und Prospektpflichten

Üblicherweise werden Wandelanleihen börsennotiert, um den Wunsch der Anleger nach Handelbarkeit zu erfüllen. Bei Platzierung auf Termsheet-Basis erfolgt auch die Notierungsaufnahme erst einige Zeit später. Selten wird hierfür der - prospektpflichtige und europarechtlich harmonisierte - Regulierte Markt als Börsensegment gewählt, sondern eher eine prospektfreie Einbeziehung in den Freiverkehrshandel vorgezogen.25)

Nach jüngster Marktpraxis wird häufig die Zulassung zum Handel im luxemburgischen börsenregulierten Euro-MTF-Markt erwirkt, der eine rechtlich dem Freiverkehr vergleichbare Qualität hat und für den lediglich ein vereinfachter, aber von der Luxemburger Börse zu billigender Prospekt verlangt wird, dessen inhaltliche Voraussetzungen geringer sind als diejenigen nach dem europarechtlich harmonisierten Regime der Prospektrichtlinie.26)

Sofern Wandlungsobjekt der Anleihe börsennotierte Aktien der Emittentin sind, werden diese im Wandlungsfall ausschließlich an die Anleiheinhaber ausgegeben, was deshalb kein (weiteres) prospektpflichtiges Angebot darstellt. Auch die Zulassung dieser weiteren sogenannten Bezugsaktien zum Börsenhandel ist prospektfrei möglich.27) Je nach Ausgestaltung der Transaktion kann also die Erstellung, Billigung und Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts für die Ausgabe einer Wandelanleihe komplett vermieden und der Dokumentationsaufwand gering gehalten werden.

Anleihebedingungen

Die Anleihebedingungen von Wandelanleihen unterscheiden sich in vielen allgemeinen Punkten wie etwa Status der Anleihe, Fälligkeit des Kapitals, Kündigungsrechten und Einzelheiten zur Verzinsung nicht von regulären Unternehmensanleihen. Zusätzliche Regelungen in technischer Hinsicht betreffen beispielsweise den Wandlungszeitraum, die Ausübung des Wandlungsrechts und die Lieferung der Aktien.28)

Weitere inhaltliche Anforderungen ergeben sich aus der stärkeren Schutzbedürftigkeit von Gläubigern einer Wandelanleihe gegenüber reinen Fremdkapitalgläubigern: Da eine eigenkapitalrelevante Änderung in den Unternehmensverhältnissen zwar nicht unmittelbar die Rückzahlungsfähigkeit des Emittenten beeinträchtigt, aber einen wirtschaftlichen Eingriff in das Wandlungsrecht darstellen kann, enthalten die Anleihebedingungen daher in der Regel umfangreiche Schutz- und Anpassungsmechanismen, um eine solche Verwässerung zu vermeiden. Dies betrifft insbesondere Kapitalerhöhungen, die Ausgabe weiterer Wandelanleihen, Ausschüttungen, Kontrollwechsel durch Übernahmen sowie die Folgen von Umwandlungen, Squeezeouts und Delistings.29)

Attraktivität in Krisenzeiten

Die zahlreichen kleinen und großen Emissionen deutscher Unternehmen, die es in der jüngsten Zeit gegeben hat, belegen die Attraktivität von Wandelanleihen als Finanzierungsinstrument gerade in Krisenzeiten. Die aktienrechtlichen Erfordernisse sowie die kapitalmarktrechtlichen Anforderungen an Strukturierung, Platzierung und Dokumentation führen zu einem vergleichsweise geringen Mehraufwand gegenüber der Emission reiner Anleihen ohne Wandlungsrecht. Mit weiteren Transaktionen dieser Art ist daher in naher Zukunft fest zu rechnen.

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