Gespräch des Tages

Wirtschaftspolitik - Interessenvertretung

Ob es der Frau Bundeskanzlerin demnächst genauso geht? "Die Börse reagierte auf die Wiederwahl von Präsident Obama mit einigen Kursverlusten", steht über den Finanznachrichten. Das ist nachvollziehbar. Denn amerikanische Wirtschaftspolitik hat es schon in den vergangenen vier Jahren nicht gegeben, durchaus so wenig wie hierzulande. Wenn man, in nie ganz passenden europäischen Kategorien, der amerikanischen Regierung den Richtungsstempel "leicht linksliberal" würde aufdrücken können, ist das bislang unlösbare Dilemma bereits deutlich: Wie kann man einer Volkswirtschaft, die alles Heil von einem freien Kapitalismus erwartet und deshalb erstrebt, wie kann man einer derartigen Ökonomie immerhin ein paar soziale Errungenschaften abringen, ohne dass die Unternehmungslust sofort nachlässt?

Das geht schon in der Bundesrepublik nicht richtig, obwohl sie sich nun schon seit einem halben Jahrhundert ihrer sozialen Marktwirtschaft rühmt. Wer nicht mehr auf Kosten von Unbedarfteren und Ohnmächtigeren, von Umwelt und Gemeinwesen soviel Geld verdienen kann, wie er es "eigentlich" als freier Macher vorhat, der lässt im sozialen Druck lieber manches. "Es lohnt sich ja nun nicht mehr".

Folgerichtig folgt Wirtschaftspolitik heute mitnichten noch irgendwo den edlen Überzeugungen aus, sagen wir den klassischen, sozialen, liberalen, konservativen Glaubensbekenntnissen. Sondern sie konzentriert sich, selbstverständlich immer nur ganz pragmatisch, einerseits auf eine Sozialpolitik aus den Staatskassen. Das stört nicht etwa die Finanzpolitiker, sondern nur die Stabilitätsfanatiker. Im Ergebnis sind Steuersenkungen nahezu unmöglich, sobald sie die Steuereinnahmen insgesamt senken. Andererseits muss außerdem "die Wirtschaft" bei Investitionslaune gehalten werden, was nur mit Subventionierung oder verwandten Erleichterungen funktioniert. Wiederum mit Geld vom Staat. Was im wunderfeinen amerikanischen Demokratiemodell in just diesem Sinne bei Wahlkampfkosten von sechs Milliarden Dollar an Rückvergütungen jetzt fällig steht, können nicht allein Böswillige annehmen. Dementsprechend wird man auch von der wiedergewählten amerikanischen Regierung weder eine greifbare Haushaltskonsolidierung noch irgendwelche Zugeständnisse an die Weltmeinung gegen die mondiale Ausbeutung erhoffen können.

Dazu die typisch amerikanische Geldpolitik. Die berühmte Fed ist bislang noch von jeder amerikanischen Präsidentschaft als eine Institution eingesetzt worden, die "die Wirtschaft" mit möglichst billigem Geld zu stützen hat. Die Fed ist beschäftigungsorientiert, nicht in erster Linie stabilitätsorientiert. Sie soll Fehler der Finanzpolitik, sogar Zwänge der Sozialpolitik nicht kritisieren, sondern möglichst ausgleichen.

Dass Zentralnotenbanken, seit der europäischen Schuldenkrise vor allem die EZB, gerade nicht als Instrumente der Regierungspolitik eingesetzt werden sollten respektive dürften, erschien dem "reelected President" bereits bislang in seinen wenigen Reden zur Sache als völlig unverständlich. Das wird nicht besser werden: Lob aus Washington wird es für Europa und Euro immer nur geben, wenn EZB-Interventionen der Staatsfinanzierung statt der Geldwertstabilität dienen - ach ja: und ein klein wenig natürlich auch amerikanischen Investoren. Da ist sie allemal wieder, die Wirtschaftspolitik als Interessenvertretung. K.O.

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