Eurokrise verständnisvoll lösen

Markus K. Brunnermeier/Harold James/Jean-Pierre Landau, The Euro and the Battle of Ideas. Princeton University Press, 1. Auflage (16. September 2016), 440 Seiten, 28,99 Euro, ISBN 978-0691172927

Beinahe täglich erscheinen neue Bücher zur Eurokrise. Auch Vorschläge zur ihrer Lösung existieren inzwischen in Hülle und Fülle. Dabei findet jeder Autor seinen eigenen Ansatz bestens geeignet, alle Probleme zu beseitigen. Trotzdem ist ein Ende der Krise nicht in Sicht. So funktioniert das nicht, fanden der deutsche Volkswirt Brunnermeier, der englische Wirtschaftshistoriker James und der französische Verwaltungsfachmann Landau. Gemeinsam ergründeten sie, worin sich vor allem das deutsche und französische Verständnis der Eurokrise unterscheiden. Im Ergebnis fördern sie erhebliche institutionelle, kulturelle, geistesgeschichtliche und historische Unterschiede im ökonomischen Verständnis der Partner zutage. Auf dieser Grundlage versuchen die Verfasser, durch Kompromisse einen Interessenausgleich zu erreichen; eine echte Bereicherung der Debatte, die auf Dialog und Konsenssuche setzt.

Im Wesentlichen widmen sich Princeton-Ökonom Brunnermeier und seine Mitstreiter dem unterschiedlichen Ökonomieverständnis in Frankreich und Deutschland. Die Regierungen beider Länder hätten den Verlauf der Krisenpolitik maßgeblich geprägt, wenn auch zuletzt vor allem Berlin das Sagen gehabt habe. Das Buch verdeutlicht nicht nur die divergierende Auslegung des Maastrichter Stabilitätspakts oder der Nichtbeistands-Klausel. Auch weniger bekannte Unterschiede in der Diagnose und Lösung ökonomischer Probleme werden erklärt: So löst die französische Denkweise das politische Trilemma zwischen autonomer Geldpolitik, Kapitalmobilität und festen Wechselkursen am liebsten zugunsten fester Wechselkurse unter Verzicht auf freien Kapitalverkehr. Die deutsche Tradition wählt genau umgekehrt. Auch ein voneinander abweichendes Verständnis des keynesianischen Einkommensmultiplikators führt dazu, dass Frankreichs Politik traditionell für Stimulierung eintritt, während deutsche Regierungen

Austerität bevorzugen. Bemerkenswert ist auch, dass sich mehrere Kapitel mit dem heterogenen Verständnis von Finanzmarktstabilität beschäftigen. Dieses Thema hatten die Maastricht-Verträge von 1992 leider ignoriert. Als das Manko im Zuge der globalen Finanzkrise offensichtlich wurde, waren schnelle Lösungen gefragt. Die europäische Bankenunion zum Beispiel stampfte die EU in vergleichsweise atemberaubendem Tempo aus dem Boden, wobei sie längst noch nicht vollendet ist. Auch hier lassen sich erhebliche Meinungsverschiedenheiten ausmachen, etwa beim Thema "Verursacherversus Gemeinlastprinzip", wie die Autoren anhand des Hickhacks um entsprechende Bailin- versus Bailout-Regeln verdeutlichen. Brunnermeier & Co. erhellen in diesem Zusammenhang die ideologische Grundhaltung der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds - beides schon an sich vielschichtige Institutionen. Daneben sprechen sie geistesgeschichtliche Traditionen weiterer Akteure an. So erfahren die Leser viel über Italien, was auch angesichts der geldpolitischen Lockerung der EZB unter Mario Draghi interessiert. Schließlich erklärt das Buch, welchen intellektuellen Einfluss angelsächsisch geprägte Ökonomen in und außerhalb der Eurozone auf die gemeinsame Krisenpolitik ausüben.

Die Autoren sind optimistisch: Was ihnen gelungen sei, nämlich durch gegenseitiges Verständnis nationale und ideologische Gräben zu überwinden, müssten auch die Euro-Partner schaffen. An vielen Stellen bieten sie deshalb Vorschläge, die Kompromissformeln darstellen. Beispielsweise Brunnermeiers Lieblingsvorschlag "European Safe Bonds" (ESBies), die er mit Kollegen der Euronomics Group bereits im Jahr 2011 in die Diskussion gebracht hatte. Kundige Leser können viele Abschnitte überspringen oder direkt in die umfangreichen Referenzen gehen, die das Buch bietet. Zumal manche Kapitel sehr detailliert einzelne politische Ereignisse ausführen, die Fachleute jenseits des Studentenalters intensiv miterlebt haben. Wer aber verstehen will, warum die Lösung der Eurokrise schon so lange auf sich warten lässt und was zu tun wäre, um Ergebnisse zu erzielen, wird das Buch als Bereicherung empfinden.

Prof. Dr. Britta Kuhn, VWL und International Economics, Wiesbaden Business School der Hochschule RheinMain

Die hier empfohlenen Bücher sind eine Ergänzung des Werkes von Müller-Gugenberger, Handbuch des Wirtschaftsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts, siehe ausführliche Rezension in Kreditwesen 8/2017, S. 406

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