Hauptherausforderung und Spannungsverhältnisse einer Notenbank in zwei Jahrhunderten

Die Bank. Das Geld. Der Staat. Nationalbank und Währungspolitik in Österreich 1816-2016, Clemens Jobst und Hans Kernbauer, Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2016, 317 S., 29,90 Euro, ISBN 978-3-593-50518-3

Am 1. Juni 2016 jährt sich zum 200. Mal die Gründung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Geburtsstunde der "privilegirten oesterreichischen National-Bank" als private Aktiengesellschaft hatte mit dem Erlass zweier Patente, des Haupt- und des Bankpatents, durch Kaiser Franz I. geschlagen. Dank ihrer Unabhängigkeit vom Staat sollte sie das Vertrauen in die Währung wiederherstellen. Deshalb erhielt die Bank auch das Monopol zur Banknotenausgabe. Denn das zerrütteten Wirtschaftsund Finanzwesens des österreichischen Kaisertums bedurfte nach den napoleonischen Kriegen einer notwendigen Stabilisierung. Das war der Beginn der wechselvollen Geschichte der OeNB, einer der ältesten Notenbanken der Welt. Diese Geschichte der OeNB und damit auch die Geschichte der Währungspolitik werden in einem kürzlich erschienenen Werk dargestellt.

Interessant und auch erstaunlich ist wie die Studie zeigt, dass trotz der zwischenzeitlich erfolgten Änderungen in Staatsform, Wirtschaftsstruktur und Währungspolitik die Hauptherausforderung einer Notenbank unverändert geblieben ist: Wie erhält und behält man ein stabiles Zahlungsmittel? Damit eng verbunden sind mehrere Spannungsverhältnisse: Erstens zwischen der staatlichen Bereitstellung eines Zahlungsmittels und den inflationären Anreizen zu Staatsfinanzierung und Konjunkturpolitik. Zweitens zwischen der (Wirtschafts-)Politik einer unabhängigen Notenbank und der Kontrolle der Notenbank durch den Staat. Drittens zwischen Transparenz und Rechenschaftspflicht einerseits und der manchmal notwendigen Geheimhaltung andererseits. Und viertens zwischen Nähe und Distanz zum Bankensystem. Auch im Eurosystem, dem Verbund von EZB und den nationalen Zentralbanken der Euroländer, dem auch die OeNB angehört, sind diese Spannungsverhältnisse evident insbesondere gilt das zur Positionierung bei der direkten und indirekten Finanzierung des Staates/der Staaten.

"Die Bank. Das Geld. Der Staat." ist der erste Versuch seit den inzwischen über 50 Jahre alten Arbeiten von Othmar Bachmayer (1960) und Siegfried Pressburger (1966), die Themen OeNB und Währungspolitik umfassend zu behandeln. Es ist mit insgesamt 317 Seiten weit mehr als ein "knapper Überblick", wie die Autoren in der Einleitung meinen. In neun Kapiteln wird die Historie der OeNB und damit auch die der Währungspolitik ausführlich so abgehandelt, dass auf die Probleme und die Lösungsansätze der Währungspolitik in einer kurzen Buchbesprechung nicht eingegangen werden kann. Angesichts der Fülle an Informationen bietet sich daher eine Tour d'Horizon über die einzelnen durch Umbrüche getrennten Zeitabschnitte an.

In den beiden ersten Perioden der OeNB sind mit - "Fragile Stabilität - die Nationalbank im Vormärz (1816 -1848)" und "Von des Bank des Staats zur Bank der Banken (1848 -1878)" - betitelt. In diesen war die Notenbank der Financier des Staates. Vorerst gelang es der "privilegirten oesterreichischen National-Bank" binnen weniger Jahre, geordnete Währungsverhältnisse in Österreich herzustellen und bis 1848 aufrechtzuerhalten. Die Niederschlagung der Revolution von 1848 und die Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führten zu einer massiven Staatsfinanzierung, was eine Konvertibilität der Banknoten verhinderte. Ab 1848 kam auch eine neue Rolle auf die OeNB zu: die schrittweise Aufnahme der Rolle eines Zentralinstituts für den Bankensektor.

Die nächste Periode "Zwei Regierungen, eine Notenbank - die Habsburgermonarchie als Währungsunion (1878 -1914) war dadurch gekennzeichnet, dass als Folge des politischen Ausgleichs zwischen Österreich und Ungarn 1867 die Nationalbank 1878 in die "Oesterreichisch-ungarische Bank" umgewandelt wurde. Da im Ausgleich eine Trennung der Fiskalpolitik festgelegt war, aber die Notenbank (und damit die Geldpolitik) eine gemeinsame blieb, wurde die Habsburgermonarchie zu einer Währungsunion. Prägend war in dieser Zeit der Umstieg vom Gulden (Silberwährung) auf die Krone (Goldwährung). Dieser war durch einen Preisverfall des Silbers notwendig geworden. Das angestrebte Ziel, die Einlösbarkeit der Banknoten in gesetzliche Münze wurde aber trotz jahrelanger Reformdiskussion bis zum Ende der Monarchie nicht erreicht. Dieses Ende nahte mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Im Teil "Erster Weltkrieg und Zerfall des Währungsraums (1914-1919) wird dargelegt, dass die Notenbank zuerst zu Überbrückungskrediten und danach zur dauerhaften Finanzierung des Kriegs he rangezogen wurde. Im Herbst 1918 zerfiel die Monarchie und der vormals gemeinsame Währungsraum löste sich rasch auf.

"Hyperinflation und eine neue Währung (1919-1931)" ist die fünfte dargestellte Periode. Die Republik (Deutsch-)Österreich wurde von den wirtschaftlichen Folgen des Zerfalls der Habsburgermonarchie besonders stark betroffen. Die während des Krieges erfolgte Finanzierung durch den Staat setzte sich in der Finanzierung der Budgetdefizite nach Kriegsende fort und führte zu einer Hyperinflation 1921/1922, die erst durch eine Völkerbundanleihe ihr Ende fand. Ein Generalkommissär und ein Kontroll komitee des Völkerbunds wurden eingesetzt, um die Reform der Staatsfinanzen Österreichs zu überwachen. Parallel dazu kam es zur Neugründung der Oesterreichischen Nationalbank, deren Politik allerdings bis 1929 unter ausländischer Kon trolle erfolgte. Sie verschrieb sich einer stabilitätsorientierten Währungspolitik, die zu einer Währungsreform führte: aus der Krone wurde der Schilling.

Der Zeitabschnitt danach "Creditanstaltskrise, große Depression und Zweiter Weltkrieg (1931-1945)" war eine große Tragödie. Auf die Beinahe-Pleite der Creditanstalt, ihrer Sanierung mit Mitteln der Republik und der OeNB, die darauffol gende Währungskrise samt Devisen be wirtschaftung, Transfermoratorium und Abwertung des Schillings, folgte zwar ein stabiler Wechselkurs allerdings samt stagnierender Wirtschaft und hoher Arbeits losigkeit. Danach folgte 1938 die Besetzung Österreichs, die Liquidation der OeNB und der Ersatz des Schillings durch die Reichsmark. An die Stelle der OeNB trat die Deutsche Reichsbank, Wien wurde zur Reichsbankhauptstelle.

Die beiden folgenden Perioden "Rückkehr zum Schilling und Wirtschaftswunder (1945-1971)" und "Die Hartwährungspolitik (1971-1999)" waren geprägt durch die Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg, das folgende Wirtschaftswunder durch ausgeprägte Wachstumsjahre. Die OeNB nahm bereits kurz nach Kriegsende ihre Tätigkeit wieder auf. Es kam zur Rückkehr zum Schilling, dem Marshallplan, zur Währungsreform, zur Vereinheitlichung des Wechselkurses, einem dynamischen Aufholprozess und der Liberalisierung des Außenhandels. Insgesamt war das eine positive Entwicklung, die durch die Hartwährungspolitik fortgesetzt wurde.

Der bislang letzte Abschnitt der Geschichte der OeNB und der österreichischen Währungspolitik ist gekennzeichnet durch "Die gemeinsame Währung - die OeNB im Eurosystem (1999-2016). Österreich war ab 1995 Mitglied der Europäischen Union und als solches verpflichtet, auch dem EWS, dem Europäischen Währungssystem, beizutreten, womit der Schilling innerhalb einer vereinbarten Bandbreite bleiben musste. Ab 1999 bildete Österreich mit zehn anderen EU-Staaten den Euroraum. Der Schilling wurde durch den Euro abgelöst. Aus 13,7603 Schilling wurde 1 Euro. Währungspolitik war von da an Aufgabe der EZB, die 1998 gegründet wurde. Das bedeutete für die OeNB durch die geänderten Aufgaben auch eine neue gestraffte Organisationsstruktur. Das Eurosystem, die EZB und die nationalen Notenbanken des Euroraums, folgte einer stabilitätsorientierten Geldpolitik, die sich bis 2007 zu bewähren schien. Doch dann kam es zur bis heute noch nicht gänzlich bereinigten Bankenkrise und die immer noch vorhandene Staatsschuldenkrise samt der damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme, die aber noch nicht als Historie betrachtet werden können.

Insgesamt liefert das Buch über die Geschichte der OeNB und die der österreichischen Währungspolitik von 1816-2016 hinaus eine Fülle von Informationen über deren Einbettung in die Politik und insbesondere die Wirtschaftspolitik in diesen Jahren. Dabei ist es den Autoren gelungen, jeden der betrachteten Zeitabschnitte präzise darzustellen. Dies obgleich die Geschichte jedes Zeitabschnitts ein Buch füllen würde, bei der deutlicher auf die Abhängigkeiten der Notenbank und der Währungspolitik von der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft eingegangen werden könnte. Alles in allem ist das Buch eine fundierte Studie, das jeder an der Währungspolitik und insbesondere ihrer Geschichte (in einem ehedem großen und nunmehr kleinen Staat) Interessierte in seiner Bibliothek haben sollte.

Dr. Ewald Judt, Wien

Dr. Ewald Judt , Honorarprofessor , Wirtschaftsuniversität Wien
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