Deutsche Börse – Denkzettel ja, Aufstand nein

Ein Ermittlungsverfahren, eine geplatzte Fusion und die Suche nach einer neuen Strategie: Vorstandschef Carsten Kengeter muss sich bei der Hauptversammlung der Deutschen Börse am Mittwoch auf viele kritische Fragen gefasst machen. „In den vergangenen Monaten ist Etliches schiefgelaufen", sagt einer der zehn größten Aktionäre der Nachrichtenagentur Reuters. Trotzdem dürfe man nicht aus dem Blick verlieren, dass Kengeter bei Deutschlands größtem Börsenbetreiber auch viel Positives bewirkt habe. „Die meisten Investoren wollen, dass er mit seinem Team weitermacht."

Auf einen Denkzettel muss sich Kengeter in der Frankfurter Jahrhunderthalle trotzdem einstellen - eine Entlastung des Vorstands mit 99,9 Prozent wie im Vorjahr wird es sicher nicht geben. Aber eine Revolution liegt nicht in der Luft. Einige Investoren sind zwar der Ansicht, dass Kengeter die im März geplatzte Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) schlecht vorbereitet und das Brexit-Risiko unterschätzt hat. Aber die Entlastung wollen sie ihm und dem Aufsichtsrat deshalb nicht verweigern. Denn am Ende sei der Deal hauptsächlich an politischen und regulatorischen Widerständen gescheitert - nicht an eklatanten Fehlern des Vorstands.

Andere Großaktionäre betonen, dass Kengeter drei strategisch wichtige Deals gelungen seien: die Komplettübernahme des Index-Anbieters Stoxx sowie der Kauf der Devisenhandelsfirma 360T und der Energiebörse Nodal. Die Entwicklung des Aktienkurses spreche ebenfalls für den 50-Jährigen. Seit seinem Amtsantritt im Juni 2015 hat das Deutsche-Börse-Papier rund 27 Prozent zugelegt und damit mehr als doppelt so stark wie der Leitindex Dax. Zuletzt kletterte die Aktie auf 94,45 Euro - den höchsten Stand seit neun Jahren.

Dennoch steht hinter Kengeters Zukunft als Börsen-Chef ein großes Fragezeichen. Der langjährige Investmentbanker hatte im Dezember 2015, gut zwei Monate vor Bekanntwerden der LSE-Fusionsgespräche, in großem Stil Deutsche-Börse-Aktien gekauft. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er damals bereits über den LSE-Deal verhandelte und ermittelt deshalb wegen des Verdachts auf Insiderhandel. Falls Anklage gegen Kengeter erhoben wird, müsste er aus Sicht vieler Großaktionäre doch gehen. 

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