„Negativzinsen“ ist das Finanzwort des Jahres 2016 in der Schweiz

Negativzinsen stellen elementare Zusammenhänge in der Wirtschaft auf den Kopf: Wenn der Schuldner vom Gläubiger Kapital erhält und dafür auch noch bezahlt wird, so widerspricht dies sämtlichen bisherigen Konventionen. Profiteure sind vor allem die Staaten, welche mit ihren Schuldtiteln erstmals Geld verdienen.

Aus diesen Gründen hat eine Jury aus Finanzexperten den Begriff „Negativzinsen“ zum Schweizer Finanzwort des Jahres 2016 gekürt. Die fünfköpfige Jury besteht aus (von links): dem Schriftsteller Michael Theurillat, dem finews.ch-Gründer Claude Baumann, dem ehemaligen Bankier Oswald Grübel, der Professorin Sita Mazumder und dem Ökonomen Albert Steck von der Migros Bank.

Zur Begründung heißt es: Schon der Begriff der «Negativzinsen» deutet auf Widersprüche. Der Zins ist definiert als Preis oder Entgelt für die Überlassung von Kapital. Ein Preis ist aber immer positiv – es gibt keine Negativpreise und auch kein Negativentgelt. Trotzdem spricht man von Negativzinsen. Zutreffender wäre nach Meinung der Jury deshalb die Bezeichnung Strafzins oder Spargebühr.

Mit der Einführung von Negativzinsen haben die Notenbanken zu einem neuartigen, noch unerprobten Instrument der Geldpolitik gegriffen. Ihr Ziel ist es, die Wirtschaft, die unter den Folgen der Finanzkrise leidet, zu stimulieren. Doch weil die Zentralbanken damit Neuland betreten, geben sie Anlass zu grundsätzlichen Fragen: Was bedeutet die zunehmende Machtfülle der Notenbanken für die Gesellschaft? Wie verändert sich eine Wirtschaft, wenn der Zins seine Koordinationsfunktion nicht mehr wahrnehmen kann? Ab welcher Höhe erreichen Negativzinsen eine «Schmerzgrenze», bei der eine allgemeine Flucht in Bargeld einsetzt?

Diese Fragen sind für die Schweiz von besonderer Bedeutung, weil die Schweizerische Nationalbank (SNB) mit dem aktuellen Leitzins von minus 0,75 Prozent weitergegangen ist als alle anderen Länder. Sie will auf diese Weise eine übermässige Aufwertung des Frankens verhindern.

Unbeantwortet bleibt vorläufig, ob dieses geldpolitische Experiment bereits an seine Grenzen gestoßen ist. So empfiehlt beispielsweise der Internationale Währungsfonds (IWF) der SNB, eine weitere Zinssenkung durchzuführen.

Mit der Wahl des Begriffs «Negativzinsen» zum Schweizer Finanzwort des Jahres 2016 möchte die Jury zu einer breiten Diskussion über die Folgen der aktuellen Geldpolitik beitragen.

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