NEW GENERATION - Die 111 besten deutschen Jungwinzer präsentiert von STUART PIGOTT WINZERHOF STAHL

Winzerhof Stahl

Meine unverfängliche Frage, wie es ihm denn gehe, quittiert Christian Stahl (Jahrgang 1978) mit einem ironischen "Same shit, different day". Klingt wie ein Zitat aus einem Tarantino-Film, zumindest irgendwie geklaut. Aber es passt zu ihm, dem umstrittenen Quentin Tarantino des trockenen deutschen Weißweins. Genauso wie die Vergrößerung des Familienweinguts um mehrere Tausend Prozent innerhalb des letzten Jahrzehnts zu ihm passt. So ausdrucksstark viele der neuen fränkischen Weißweine auch sein mögen, gegen die Stahl'schen Gewächse, in puncto Aromen-Intensität wahre Fixsterne von enormer Strahlkraft, wirken sie doch manchmal ein wenig blass. Obwohl ich sie seit einigen Jahren verfolge, falle auch ich beim Verkosten gelegentlich schier vom Stuhl. Seine neusten Hits sind die ganz trockene Scheurebe und der Sauvignon Blanc "Zweimännerwein". Beide vereinen wunderbare Saftigkeit mit großer Tiefe. Doch nach wie vor ist sein trockener Müller-Thurgau aus der Lage Hasennest im Taubertal eine Geschmackswelt für sich und im Vergleich zu den kuscheligen Durchschnitts-Müller-Thurgaus der Republik geradezu oscarverdächtig.

Fast aus dem Nichts hat Christian Stahl das Gut innerhalb von wenigen Jahren auf 18 Hektar hochgepusht. Heute hat es sich als radikale Neuinterpretation des fränkischen trockenen Weißweins erfolgreich am Markt etabliert. 2006 hat er den internationalen Müller-Thurgau-Preis gewonnen, zwei Jahre später wurde er zum Jungwinzer des Jahres gekürt und 2012 zum Newcomer des Jahres. Der umtriebige Winzer hat neue Lagen von Randersacker bis Sulzfeld am Main hinzugekauft, hat Sauvignon Blanc und Scheurebe angepflanzt und vor einigen Jahren eine neue Kellerei, sein Stahl-Werk, gebaut. Zweihunderttausend Flaschen produziert er Jahr für Jahr: überwiegend Silvaner, Müller-Thurgau, Scheurebe, Sauvignon blanc und Riesling. Zu seinem Weingut gehört auch ein ausgezeichnetes Restaurant mit einer Vinothek, in der er Weinproben veranstaltet.

Jugendliche Lethargie bei der Berufswahl habe ihn zum Winzerberuf gebracht. Das ist schwer zu glauben angesichts seines beeindruckenden Engagements in Weinberg und Keller. Vielleicht waren es doch eher die Erfahrungen, die er im Rahmen von Praktika im Weingut am Stein in Würzburg und bei Peter Jakob Kühn in Oestrich-Winkel gemacht hat.

Radikal, respektlos, revolutionär: Das sind Begriffe, die auf den studierten Weinbauingenieur wie angegossen passen. Kaum einer seiner Kollegen hat so gründlich das heimattümelnde Klischee vom Winzeridyll entschnörkelt wie er. Seine Scheureben nennt er frech Rauschgift (2009), Kalter Entzug (2010), Flashback (2011) und U-Haft (2012); der Heurige (aus 2013) soll Freispruch heißen - was hoffen lässt.

Die "U-Haft" hat es ihm angetan, das ist sein erklärter Liebling. Die Reben wachsen auf sandigem Lehmboden und profitieren von warmen Tagen und kühlen Nächten, was eine optimale Ausprägung der Aromen in den Beerenhäuten ermöglicht. Die Trauben werden von Hand gelesen und streng selektioniert; der Ausbau erfolgt konsequent reduktiv im Edelstahl. Mit seinen Holunder-, Grapefruit- und Apfelnoten, seiner strahlenden Mineralität und der moderaten Säure empfiehlt sich der Wein zu frischen Salaten oder zu asiatisch inspirierter Küche, passt aber auch gut zu gereiftem Käse.

Weintipp aus der Zeitschrift:

FINE Das Weinmagazin - Special No.2

Hrsg. Ralf Frenzel Tre Torri Verlag

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