Kreditwesen aktuell

Frage an Stephan Götzl ... Welche Auswirkungen hat Ana-Credit auf kleinere und mittlere Banken?

Prof. Dr. h. c. Stephan Götzl, Vorsitzender des Vorstands, Genossenschaftsverband Bayern e. V., München

Die Europäische Zentralbank (EZB) plant, eine Kreditdatenbank mit dem Namen "Analytical Credit Dataset" - kurz: Ana-Credit - aufzubauen. Die gesetzliche Grundlage soll eine EZB-Verordnung bilden. Es ist geplant, dass der EZB-Rat sie Mitte 2015 verabschiedet. Voraussichtlich ab Ende 2017 sollen die Banken dann umfang reiche Datensätze zu Krediten und Kreditrisiken melden. Damit droht der Finanzbranche eine weitere unverhältnismäßige Regulierungsbürde, die insbesondere die kleinen und mittelgroßen Regionalbanken in Deutschland vor enorme administrative Herausforderungen stellen würde. Daran ändert auch nichts, dass eine schrittweise Einführung von Ana-Credit geplant ist.

Vervielfachung der Stückzahlen

Zunächst sollen Ausleihungen an Firmenkunden und Immobilienkredite an Privatpersonen im Fokus stehen. Später sollen dann Daten zu sämtlichen Kreditengagements gemeldet werden. Dabei kennt die von der Aufsicht gewünschte Detailtiefe scheinbar keine Grenzen: Für jedes Darlehen ab einem Volumen von 25 000 Euro sollen Informationen zu rund 150 Kreditmerkmalen geliefert werden, beispielsweise der Art des Kredits, die Laufzeit oder die Währung.

Das ist noch nicht alles: Ungeachtet dieser Meldegrenze sollen die Banken der Aufsicht alle notleidenden Kredite ab einem Volumen von 100 Euro mitteilen. Da jedem Kredit ein bestimmtes Ausfallrisiko zugrunde liegt, müssten die Banken in der Praxis die entsprechenden Daten für sämtliche Darlehen vorhalten. Und davon haben insbesondere die kreditstarken Volksbanken und Raiffeisenbanken viele vergeben.

Die genossenschaftliche Finanzgruppe meldet schon heute rund 100 000 Millionenkredite an die Deutsche Bundesbank. Die nun von der EZB geplante Meldepflicht vergrößert Bandbreite und Menge der meldepflichtigen Datensätze erheblich. Bereits bei einer Absenkung der Meldeschwelle auf 50 000 Euro würde sich die Stückzahl der relevanten Kreditfälle auf mehr als 9 Millionen vervielfachen. Zudem droht in der Übergangsphase eine Doppelbelastung durch das in Deutschland bestehende Millionenkredit-Meldewesen.

"Zahlenfriedhof"

Ana-Credit droht zu einem "Zahlenfriedhof" zu werden. Bei der EZB würden sich riesige Datenberge anhäufen, deren Nutzen aber zweifelhaft ist und der bei Weitem nicht im Verhältnis zum Erhebungsaufwand steht. Das betrifft nicht nur die Banken, sondern auch deren Kreditkunden. Unternehmen und Privatpersonen müssten die Daten zusammenstellen und an die Banken melden. Die EZB denkt sogar darüber nach, den Informationsbedarf bis auf monatliche Gehaltsabrechnungen von Privatkunden auszudehnen.

Ein erheblicher Meldeaufwand und ein "gläserner Kreditnehmer" wären bei Realisierung der neuen EZB-Kreditdatenbank die Folge. Beides kann jedoch nicht im Interesse von mittelständischen Unternehmen und privaten Kreditnehmern sein. Und beides ist auch nicht im Interesse der Regionalbanken. Sie haben der deutschen Wirtschaft in den vergangenen Jahren mit einem wachsenden Kreditbestand bei unverändert konservativem Risikoverständnis zur Seite gestanden. Damit haben sie das wirtschaftliche Wachstum der vergangenen Jahre ermöglicht und mitfinanziert.

Die Position der bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken zu Ana-Credit ist klar: Die EZB muss den Umfang der geplanten Datenbank insbesondere mit Blick auf kleine Kreditinstitute einschränken. Ansonsten wäre der Mehraufwand erheblich. Zumal allein die Volksbanken und Raiffeisenbanken im Freistaat in den kommenden Jahren ohnehin schon Regulierungskosten in Höhe von jährlich 43 Millionen Euro allein für Personal tragen müssen.

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren

Auch bei den Anforderungen des Kreditmeldewesens gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Den sollte die EZB berücksichtigen. Sie muss deshalb bei der Ausgestaltung der Ana-Credit-Verordnung erstens darauf achten, dass die abgefragten Informationen auf den bei den Banken bereits vorhandenen Datengrundlagen aufbauen. Zweitens muss gewährleistet sein, dass die Datenabfragen von den Kreditinstituten automatisiert durchgeführt werden können. Schließlich wollen wir unsere Rolle als Partner der Realwirtschaft auch weiterhin voll ausfüllen. Und drittens sollte auch die EZB den Datenschutz und das Recht unserer Kunden auf ein hinreichendes Maß an Privatsphäre respektieren. Ich wehre mich vehement dagegen, dass Banken dazu verpflichtet werden sollen, gläserne Unternehmen und Privatkunden zu schaffen. Mit ihrem Ansinnen überschreitet die EZB auch in dieser Hinsicht eine Zumutbarkeitsschwelle.

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