Kreditwesen-Special: Positionen zur Deutschen Bank

Quelle: Deutsche Bank

Wie viel kann die Bank sich leisten?

Wenn es noch eines letzten Beweises bedurft hätte, dass die Deutsche Bank fast alles von ihrer früheren Strahlkraft eingebüßt hat, die Bilanzpressekonferenz Anfang dieses Jahres hat diesen geliefert. Es war ein mehr als ernüchterndes Bild, das der amtierende Vorstandschef John Cryan vom Zustand des ehedem über allen scheinenden deutschen Branchenprimus gezeichnet hat. Und das lag an hausgemachten und selbst verschuldeten Problemstellungen, die die eigentlich gute Ertragslage mehr als verhagelt haben. Hohe Aufwendungen für unzählige Rechtsstreitigkeiten, Restrukturierungskosten vor allem für die Abfindungszahlungen und Wertberichtigungen auf Firmenbesitz, der schon verkauft wurde oder demnächst verkauft werden soll, sind Ausdruck der bislang gescheiterten Strategie, das blaue Haus wieder in die Spur zu bringen.

Es zeigt sich nun auch, dass es falsch war, mit Jürgen Fitschen und Anshu Jain auf zwei interne Lösungen an der Vorstandsspitze zu setzen. Beide waren zu lange schon in der Deutschen Bank beschäftigt, damit zu lange schon mit vielen Gewohnheiten und Gepflogenheiten vertraut. Dadurch hat die Deutsche Bank gegenüber ihren Konkurrenten, die sich vor allem in Amerika finden, mindestens vier wertvolle Jahre Zeit zum Aufräumen verloren. Was nun schmerzhaft umgesetzt werden soll, hat die Konkurrenz bereits hinter sich und kann derweil mit positiven Nachrichten aufwarten. Das fehlt der Deutschen Bank - mal wieder Good News, ach wie schön wär das.

Stattdessen muss man aus der Defensive heraus immer wieder erklären, was alles nicht gut läuft, und schlimmer noch, für im Bankgewerbe ziemlich lange Zeithorizonte von zwei Jahren und mehr Aktionäre und Kunden um einen Vertrauensvorschuss bitten. Während die Aktionäre offensichtlich zunehmend die Geduld verlieren - die Titel der Deutschen Bank verloren seit Jahresanfang rund 41 Prozent an Wert, der Deutsche Aktienindex "nur" gut 16 Prozent - scheinen die Kunden (noch) an der Bank festzuhalten. Immerhin stieg der Zinsüberschuss im Vergleich zum Vorjahr von 14,3 auf 15,9 Milliarden Euro, der Provisionsüberschuss von 12,1 auf 12,8 Milliarden Euro. Das hilft der Psyche, aber unter dem Strich nur wenig, wenn Sonderbelastungen zu einem Verlust von fast sieben Milliarden Euro führen.

Ist denn nun schnell Besserung in Sicht? Es dürfen zumindest Zweifel angemeldet werden, denn offensichtlich sind es auch finanzielle Möglichkeiten, die der Deutschen Bank fehlen. 12,1 Milliarden Euro haben die Rechtsstreitigkeiten bislang gekostet. Verglichen mit den Summen für die amerikanische Konkurrenz von 50 Milliarden und mehr ist das sehr wenig, Dabei wird es nicht bleiben, auch wenn Cryan für das laufende Jahr von geringeren Aufwendungen ausgeht. Natürlich müssen entsprechende Beschuldigungen erst geäußert werden, aber es wirkt ein bisschen wie Salamitaktik, dass die Deutsche Bank immer nur gerade so viel macht, wie ganz akut ist und was nicht zu viel kostet. Auch mit Blick auf die interne Bad Bank NCOU sagte der Vorstandschef, dass man genau überlege, was man sich an Abbau leisten könne. Und der Rückgang der RWA um drei, währungsbereinigt um neun Prozent kann eigentlich auch nicht zufriedenstellen. So zögern sich die guten Nachrichten leider weiter hinaus.

Die Frage, ob John Cryan überhaupt der Richtige sei, ist mit Ja zu beantworten - wenn er die (finanziellen) Spielräume hat, man ihn gewähren lässt und ihm die notwenige Zeit gibt. Allerdings ist sich der Chronist nicht sicher, ob man ihm diesen Erfolg überhaupt wünschen soll, denn sollte die Restrukturierung Erfolg haben und sich das nicht entsprechend im Aktienkurs niederschlägt, könnten diejenigen Jäger, die derzeit das Risiko Deutsche Bank noch scheuen, vielleicht doch Appetit bekommen.

Herkulesaufgabe im Investmentbanking

Die Deutsche Bank steht im Investmentbanking vor schwer lösbaren Aufgaben. Sie kann das Geschäft nicht einstampfen oder massiv verkleinern, da es ganz klar ihr Kerngeschäft ist. Und selbst wenn sie das wollte, die Märkte sind derzeit so illiquide, dass diese die riesigen Wertpapier- und Derivatebestände, die sich auf den Büchern der Bank befinden, gar nicht störungsfrei aufnehmen könnten. Zudem liefert die Sparte 50 Prozent der Einnahmen. Sie verschlingt aber auch 50 Prozent des Kapitals, sorgt für 75 Prozent der Leverage Assets und belastet das Konzernergebnis durch außerordentlich hohe Aufwendungen für Personal, Rechtskosten und Schadensersatzzahlungen.

All das hat der neue CEO John Cryan durchaus erkannt, auch wenn er nach außen weiter das Geschäftsmodell Investmentbanking verteidigt. Er wird aber nicht umhinkönnen, die Anteile an der Bilanz massiv zu reduzieren und damit Kapital freizusetzen, was aufgrund der schwierigen Verfassung der meisten Märkte problematisch werden wird. Und auch operativ läuft bei Weitem nicht alles wie gewünscht: Im vierten Quartal 2015 beispielsweise brach das Ergebnis der Fixed-Income-Sparte um 45 Prozent gegenüber dem Vorquartal massiv ein. Hier kann die Bank nur hoffen, dass es keine strukturellen Probleme gibt, die die Bank im Vergleich zu den direkten Wettbewerbern schlecht aussehen ließen. Im Aktiengeschäft gab Cryan auf der Pressekonferenz unumwunden zu, dass man hier im zweiten Halbjahr 2015 deutlich an Geschäft und Marktanteilen eingebüßt hat. Hier soll wieder gezielt eingestellt werden. Das Gleiche gilt für das Beratungs- und Corporate-Finance-Geschäft, auch hier sind wertvolle Mitarbeiter ausgeschieden oder abgebaut worden, die jetzt als "Rainmaker" so schmerzlich vermisst werden. Zur selben Zeit verfügen die großen amerikanischen Konkurrenten über ein florierendes US-Geschäft und sind in der Lage, in Europa Marktanteile zu gewinnen.

Speziell bei der Deutschen Bank kommen die vielen Skandale, die häufig fehlende Verantwortungskultur sowie die zu starke Fokussierung auf das Bilanzgeschäft und die damit verbundene Vernachlässigung des Beratungsgeschäfts hinzu. Hier wird es Cryan schwer haben, schnelle Erfolge zu erzielen. Es gehört leider in dieser Sparte dazu, für gute und sehr gute Mitarbeiter Gehälter und Prämien zu zahlen, die mit denen der großen Mitbewerber mithalten können. Wer dies nicht will, kann sich von Global-Player-Ambitionen gleich verabschieden und sich mit der Rolle eines lokalen Platzhirsches begnügen. Bei der Restrukturierung muss das neue Management-Team aber nicht nur die eigenen Leute mitnehmen, sondern auch die Kunden bei der Stange beziehungsweise in der G+V zu halten. Auf diesem steinigen Weg werden sie zudem daran gemessen, ob sie eine andere Kultur im Investmentbanking schaffen. Das Geschäft wird immer ergebnisorientiert und von aggressivem Wettbewerb geprägt sein, aber es kann auch seriös und ohne Grenzübertretungen gemacht werden.

Vermeintliche Randbereiche als Anker Es gibt in der Kreditwirtschaft wie in anderen

Wirtschaftsbereichen gewiss unterschiedliche Wege zum Erfolg. Unternehmen können sich stark auf ein Geschäftssegment konzentrieren und dort zu den sogenannten First Movern gehören. Sie können sich aber auch breit in verschiedenen Kernbereichen aufstellen, um schwierige Zeiten eines Segmentes durch Erfolge in anderen auszugleichen und insgesamt stabile Erfolge zu erzielen. Zwischen diesen Extremen können und müssen in der Praxis in aller Regel auch die Banken einen Mittelweg wählen, weil es angesichts der dynamischen Marktentwicklungen der Wirtschaft kaum gelingen kann, in allen Segmenten stets State of the Art zu sein. Die Deutsche Bank hat sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder zwischen diesen Polen bewegt. Mit den vier Kerngeschäftsfeldern Investment & Corporate Banking, Private & Business Clients, Global Transaction Banking und Asset Management hat sie es aber in keiner der vier Disziplinen wirklich nachhaltig an die Spitze geschafft, allein auf der Skala der sytemrelevanten Banken behauptet sie ihren Spitzenplatz. Aber das beschert bekanntlich lediglich eine höhere Eigenkapitalunterlegung.

Wenn John Cryan nun für das Berichtsjahr 2015 zu recht die um 25 beziehungsweise 23 Prozent gewachsenen Ergebnisse der Kerngeschäftsfelder Transaction Banking (1,4 nach 1,2 Milliarden Euro) sowie Deutsche Asset and Wealth Management (1,3 nach 1,0 Milliarden Euro) hervorhebt, mag das nebenbei auch die Konflikte einer leistungsorientierten Bemessung der Bonusleistungen für die betroffenen Mitarbeiter in diesen Bereichen dokumentieren. Es kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade diese beiden Geschäftsfelder eher ein wenig nebenhergelaufen sind und oft von strategischen Änderungen betroffen waren. Gerade das Asset Wealth Management hat seinen Erfolg im Berichtsjahr 2015 nicht einer systematischen Umsetzung einer klaren strategischen Ausrichtung, sondern eher dem momentanen Boom im Geschäft mit ETFs zu verdanken.

So richtig einschätzbar wird die Entwicklung der beiden derzeit vergleichsweise erfolgreichen Geschäftsbereiche auch in Zukunft erst einmal nicht sein, denn seit Beginn dieses Jahres greift die im Herbst 2015 angekündigte Neuausrichtung. Wenn der Kernbereich Asset Management in der Deutschen Bank künftig wieder vom Private Wealth Management getrennt wird, eröffnet das sicher Chancen für die Etablierung einer open architecture. Es gehen aber möglicherweise Synergieeffekte verloren, die aus der Behandlung von PWM- und institutionellen Kunden gezogen werden können. Die künftige Vernetzung von Corporate Finance und Global Transaction Banking im Kerngeschäftsfeld Corporate & Investment Banking ermöglicht neben einem stärkeren Blick auf die Anforderungen der Realwirtschaft auch die gezielte Einbindung technischer Innovationen. Bis sich an dieser Stelle allerdings wirklich Erfolge einstellen, werden die Kunden von der Qualität der IT-Technik der Bank überzeugt werden müssen. Diese unterliegt derzeit unter Führung von Kim Hammonds erklärtermaßen einer umfassenden Transformation durch Aufbau einer standardisierten Basis, einer umfassenden Automatisierung der Prozesse, einer angepeilten Reduzierung von Komplexität und Risiken und nicht zuletzt von Wachstumsimpulsen durch digitale Innovation. All das verlangt bekanntlich nach Geduld.

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