Nachruf Karl Otto Pöhl (1929-2014)

Die Redaktion der ZfgK ist der Meinung, ich müsste diesen Nachruf schreiben, da ich Karl Otto Pöhl sehr lange zugearbeitet habe und wir später zu Freunden geworden sind. Das ist sicherlich richtig. Es war eine bewegte, fordernde und mich prägende Zeit - diese neun Jahre der direkten Arbeit als persönlicher Referent, als Leiter des Büros des Bundesbankpräsidenten und zuletzt als Hauptabteilungsleiter Presse und Information. Andererseits ist es besonders schwierig, weil die vielen persönlichen Erinnerungen eine objektive Würdigung erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen.

Pöhl kam im Mai 1977 als Vizepräsident zur Deutschen Bundesbank. Er war SPD-Mitglied, was in der Notenbank von einigen durchaus mit hochgezogenen Augenbrauen gesehen wurde. Andere witterten Morgenluft. Der Vorschlag zur Ernennung war auf das engste mit Bundeskanzler Helmut Schmidt abgestimmt, für den die Unabhängigkeit der Bundesbank keineswegs immer sakrosankt war. Seine Aussage: "lieber 5 Prozent Inflation als 5 Prozent Arbeitslosigkeit" hatte schon immer hohe Wellen geschlagen und Kritik gefunden.

Pöhl hatte allerdings schon im Bundeskanzleramt und dann ab dem Jahr 1972 als beamteter Staatssekretär im Bundesfinanzministerium vielfältige Erfahrungen mit allen Währungsfragen sammeln können. Den Zusammenbruch des Bretton-Wood-Systems hatte er hautnah erfahren wie auch die ständigen Auf- und Abwertungen, denen die europäischen Währungen ausgesetzt waren. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble würdigte Karl Otto Pöhl vor wenigen Tagen mit den Worten, "er habe die Arbeit des Ministeriums über mehrere Jahre richtungsweisend mitgestaltet".

Zum 1. Januar 1980 wurde Pöhl nach vorangegangenem heftigem Gezerre um den Posten zum Präsidenten der Deutschen Bundesbank ernannt. Es war sein Wunschposten, der ihm auch ein großartiges Be tätigungsfeld bot. Sein Meisterstück aus heutiger Sicht ist zweifelsohne, dass er die Einigung der europäischen Länder herbeiführen konnte, die Europäische Zentralbank nach dem Modell der Bundesbank zu formen.

Hilfreich hierbei war sicherlich seine nach außen hin besonders gewinnende Art. Sein "sense of humor" hat ihm in vielen Situationen geholfen, etwaige Spannungen zu überwinden und gegebenenfalls Befürchtungen zu zerstreuen. Elegant im Umgang und dennoch klar in der Sache war immer seine Devise. Seine volkswirtschaftliche Kompetenz und seine kommunikative Brillanz waren unbestritten.

Natürlich war es erforderlich, den Zentralbankrat, also Direktorium und die ebenso selbstbewussten Präsidenten der Landeszentralbank der Bundesländer für eine gemeinsame Politik zu gewinnen. Dies galt sowohl für die aktuelle Geld- und Währungspolitik zu Zinsen und Wechselkursen als auch - in Abstimmung mit der Bundesregierung - bei strukturellen Fragen unter anderem zu Weltbank und Währungsfonds, zum europäischen Währungsausschuss und den jeweiligen Beratungs- und Entscheidungsaspekten. Die vielen Wochenendsitzungen in Brüssel, wenn Währungsanpassungen wieder einmal zwingend erforderlich waren, sind allen Beteiligten aufgrund der nächtelangen Verhandlungen in leidvoller Erinnerung.

Eines dieser Treffen, das weit in den Montagmorgen dauerte, ist mir besonders in Erinnerung, weil es anschließend gleich zu einem lange vorher vereinbarten Vortrag des Präsidenten in Wien ging. Bei kurzer Zwischenlandung in Frankfurt, um frische Hemden et cetera am Flughafen zu übernehmen, ging es unmittelbar weiter direkt zu der von Publikum und Medien mit Spannung erwarteten Rede.

Anschließend war abends im kleinsten Kreis ein Essen beim österreichischen Finanzminister vereinbart. Aber anstelle eines Privatissime über die Brüsseler Wechselkursentscheidungen zu erfragen, zogen sich die anwesenden Bankchefs zurück, um sich über die Zinspolitik abzustimmen, also quasi ein Kartell. So frustriert und ausgelaugt wie an diesem Abend habe ich Karl Otto Pöhl auch später nicht gesehen.

Die mediale Würdigung von Pöhl in den letzten Tagen war aus meiner Sicht angemessen, aber auch kaum steigerbar. Mehr als 20 Jahre nach seinem spektakulären Rücktritt im Jahr 1991 wurde die Lebensleistung Pöhls im In- und Ausland gleichermaßen gelobt. Respekt Karl Otto Pöhl. Er hätte abgewunken, sich aber durchaus gefreut und die Anerkennung genossen. Diese öffentliche Seite hat er geliebt, gesucht und in seiner Zeit durchaus auch beeinflusst.

Ein Aspekt ist in den vielen Würdigungen allerdings total untergegangen. Pöhl hatte ein Gespür und ein Faible für Kunst. In seiner Präsidentschaft wurde ein Kunstbeirat ernannt, dem damals drei bekannte Museumsdirektoren angehörten. Dieser Beirat sollte pro Jahr Vorschläge unterbreiten, bis maximal 200 000 D-Mark zeitgenössische deutsche Kunst zu erwerben.

Die Bank besaß zwar eine Reihe bedeutender Werke aus früheren Erwerbungen, jetzt bekam dieser Aspekt aber erst die erforderliche Systematisierung. Die bemerkenswerten Baselitz, Graubner, Immendorff, Goller, Penck, Hödicke, Richter et cetera stammen aus dieser Zeit. Das "Stadtbild F." von Gerhard Richter hängt heute als Dauerleihgabe im Städel und dürfte einen Marktwert von rund 10 Millionen Euro haben. Allerdings stimmt die These nicht, die Kunsterwerbungen hätten zur Diversifizierung der Währungsreserven gedient.

Karl Otto Pöhl war ein toller Chef und er war ein Meister im Delegieren. Das muss man können und auch Vertrauen in die Fähigkeiten, den Einsatz und die Loyalität der Mitarbeiter setzen. Gerade diese Loyalität war für ihn besonders wichtig. Weil er vertraut hat, konnte er sich auf die entscheidenden Themen konzentrieren. Und diese hat er beherrscht.

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