Ausbau der privaten Altersvorsorge - ein notwendiger Schritt

Hans Joachim Reinke, Vorsitzender des Vorstands, Union Investment, Frankfurt am Main

Quelle: Union Investment

Hans Joachim Reinke, Vorsitzender des Vorstands, Union Investment, Frankfurt am Main - Dass hierzulande eine zusätzliche kapitalgedeckte Altersvorsorge notwendig ist, um unter den absehbaren demografischen Bedingungen die finanzielle Sicherung der Bevölkerung im Alter zu stärken, war der Tendenz nach vor einigen Jahren in Politik und Öffentlichkeit stärker verankert als das derzeit der Fall ist. Den Grund für eine nachlassende Attraktivität einer flankierenden Eigenvorsorge sieht der Autor neben dem anhaltend niedrigen Zinsniveau auch in der Zurückhaltung der politisch Verantwortlichen bei der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen. Mit Blick auf die geförderte private Altersvorsorge verteidigt er das Instrument der Riester-Rente gegen fünf öffentliche erhobene Kritikpunkte. Darüber hinaus plädiert er für steuerliche Anreize zur stärkeren Erschließung der Aktienanlage bei der eigenverantwortlichen Altersvorsorge. (Red.)

Das System der Altersvorsorge in Deutschland steht aufgrund der demografischen Entwicklung seit Längerem auf dem Prüfstand. Tatsache ist, dass die gesetzliche Rente künftig nicht mehr ausreichen wird. Neben einer krisenfesten umlagefinanzierten Rente ist daher auch eine starke kapitalgedeckte Vorsorge notwendig. Entsprechend muss das bewährte Drei-Säulen-Modell bestehend aus gesetzlicher Rente, betrieblicher Altersvorsorge und privater Vorsorge weiterentwickelt werden und das Vertrauen der Bevölkerung in dieses System gestärkt werden. Die gesetzliche Rente bleibt dabei eine der wichtigsten Säulen der Altersvorsorge. Sie kann jedoch nicht mehr alleine eine ausreichende Versorgung im Alter leisten. Dafür ist eine zusätzliche private und betriebliche Vorsorge zwingend erforderlich. Hier hat Deutschland deutlichen Nachholbedarf gegenüber anderen OECD-Staaten, wie die Zahlen des DAI zeigen (Abbildung 1).

Justierungen am Rentensystem

Folgerichtig hat die amtierende Regierungskoalition noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 einige Justierungen am Rentensystem vorgenommen. Diese weisen in die richtige Richtung: Bei der betrieblichen Altersversorgung und der Riester-Rente werden 200 Euro monatlich nicht auf die Grundsicherung angerechnet und der Förderbetrag bei der Riester-Rente wird von 154 auf 165 Euro angehoben. Des Weiteren sollen die Betriebsrenten für klein- und mittelständische Unternehmen attraktiver werden, indem in Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern der Verzicht auf Rentengarantien vereinbart werden kann. So weit, so gut. Doch man kann noch mehr tun. Dabei muss man zwischen den Themen der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und der privaten Altersvorsorge (pAV) unterscheiden.

So stellt der demografische Wandel die GRV in Deutschland ab dem Jahr 2030 vor immer größere Herausforderungen. Als Konsequenz steigen die Beiträge während zugleich das Versorgungsniveau im Alter sinkt. Um dieses Finanzierungsproblem abzumildern, wird die gesetzliche Rentenversicherung schon heute mehr und mehr durch Bundeszuschüsse gestützt, das heißt, es werden Steuergelder dazu verwendet, um die gesetzlichen Rentenversprechen zu halten. Diese Zuschüsse betragen bereits jetzt rund ein Drittel der gesamten Ausgaben der Rentenversicherung (vergleiche DAI-Studie 2016).

Massenhafte Altersarmut?

Es gibt daher Strömungen insbesondere aufseiten der Gewerkschaften und im politisch linken Spektrum, die das Rad der Geschichte zurückdrehen möchten, indem sie die pAV in Form der Riester-Rente rückabwickeln und das gesetzliche Rentenniveau kräftig erhöhen wollen. Die Verfechter dieses Gedankens malen in diesem Zusammenhang immer das Schreckgespenst einer hochgradig um sich greifenden Altersarmut an die Wand, wenn man ihren Vorschlägen nicht folgen würde. Vor einem solchen Vorhaben kann nur gewarnt werden. Denn gerne wird dabei übersehen, dass heute nur rund drei Prozent der Rentner Sozialhilfeleistungen beziehen. Und das sinkende Rentenniveau, das zurzeit noch 47,6 Prozent beträgt und den Prognosen zufolge bis zum Jahr 2030 auf nur noch 43 Prozent und 2045 dann 41,6 Prozent absinken soll, wird ebenso wenig zur massenhaften Altersarmut beitragen.

Vergessen wird nämlich dabei, dass bei steigenden Löhnen auch die Renten - wenn auch nicht im gleichen Umfang - mitsteigen werden und die sogenannte "Standardrente" von heute 1 372 Euro auf 2 571 Euro im Jahr 2045 steigen würde. Bei einer moderaten Inflation wird somit die Kaufkraft der Rentner auch mit einem verminderten Rentenniveau weiter steigen (vergleiche FAZ vom 6. November 2016). Der Weg zurück würde deshalb in die Irre führen. Die GRV ist eine wichtige Säule des gesamten Rentensystems, an der man nicht fahrlässig herumdoktern sollte, indem man ihr auf Kosten der jüngeren Generationen weitere Lasten aufbürdet.

Mythenbildung rund um die Riester-Rente

Nun zur pAV, wobei sich die folgenden Ausführungen auf die Riester-Rente konzentrieren. Die Riester-Rente kam in der öffentlichen Debatte zeitweilig massiv unter Druck, was viele Menschen verunsicherte. Die Gründe, die seitdem von Gegnern der Riester-Rente angeführt werden, hört man immer wieder, weshalb sie es wert sind, einmal genauer unter die Lupe genommen zu werden. Es sind im Grunde immer wieder die gleichen fünf Argumente, die geradezu zu einer Mythenbildung beitragen.

Der erste Mythos lautet: Zu wenige Menschen sparen mit der Riester-Rente. Diese Behauptung erstaunt umso mehr, als von den rund 32 Millionen zulagenberechtigten Menschen in Deutschland 14 Jahre nach Einführung 16,5 Millionen einen Riester-Vertrag abgeschlossen haben. Das ist eine ähnliche Dimension, wie die rund 20 Millionen aktiven Anwartschaften in der betrieblichen Altersversorgung (bAV), wobei diese seit 1972 und somit 30 Jahre länger als die Riester-Rente existiert. Einem vergleichbaren Vorwurf wurde die bAV aber nie ausgesetzt. Fakt ist: Die Riester-Rente erreicht ihre Zielgruppen.

Der zweite Mythos klingt so: Die Riester-Rente ist zu teuer. Hier kommt es auf die Vertragsgestaltung an. So fallen für fondsbasierte Riester-Renten, wie sie Union Investment anbietet, die gleichen Kosten an, wie für einen normalen Fondssparplan. Den massiven, vom Gesetzgeber geforderten Verwaltungsaufwand trägt der Anbieter vollständig selbst. Neben der Kostenbetrachtung sind auch die Chancen der Kapitalvermehrung wichtig.

Was zum dritten Mythos führt: Die Riester-Rente lohnt sich nicht. Dagegen lässt sich mit Zahlen belegen: Die Bestandsrendite der über 1,8 Millionen Kunden der Union Investment betrug im Schnitt just in dem Monat, in dem sich die Horst Seehofer und Sigmar Gabriel zu Wort meldeten 4,2 Prozent. Die Hälfte der Kunden hat eine Rendite von über 5,1 Prozent jährlich - und zwar nach Kosten und ohne die Zulagen hinzuzurechnen. Mit der staatlichen Förderung ist man schnell bei zweistelligen Renditen per anno. Fakt ist: Die Riester-Rente lohnt sich für alle Bevölkerungsschichten, unabhängig vom Einkommen. Am stärksten profitieren dabei Geringverdiener und Familien. Damit kann die Riester-Rente die sogenannte Versorgungslücke schließen und erfüllt somit ihren ursprünglichen Zweck.

Falsche Adressaten?

Der vierte Mythos schließt an den dritten an und lautet: Die Riester-Rente hilft den falschen Leuten. Auch dies lässt sich leicht widerlegen. Denn 45,6 Prozent der Riester-Sparer haben ein Jahreseinkommen unterhalb von 20 000 Euro und gelten damit als Geringverdiener. Knapp zwei Drittel der Zulagenempfänger (64,8 Prozent) haben ein Einkommen unterhalb von 30 000 Euro. Fakt ist also: Die Riester-Rente hilft den richtigen Leuten.

Der fünfte und letzte Mythos behauptet: Die Riester-Rente ist zu komplex. Mag dieser Vorwurf bei Einführung der Riester-Rente im letzten Jahrzehnt noch gegolten haben, so hat der Gesetzgeber längst nachgebessert. Mit der Einführung des Produktinformationsblattes wird die Kostentransparenz weiter erhöht, der Wettbewerb verschärft und der Handlungsdruck auf teure Anbieter erhöht. Weiterhin ist mit dem einmaligen Ausfüllen des sogenannten Dauerzulageantrags eine einfache und fortlaufende Beantragung der staatlichen Zulage möglich. Fakt ist: Die Riester-Rente wird in Zukunft für die privaten Sparer noch einfacher und transparenter.

Die Riester-Rente ist also entgegen den Anwürfen ihrer Kritiker eine Erfolgsgeschichte für die Menschen, die einen solchen Vertrag abgeschlossen haben. Dies hat auch die unlängst im November 2016 vom GDV vorgestellte Studie der Prognos AG ergeben. Demnach erreicht die Riester-Rente das anvisierte Versorgungsziel selbst bei anhaltend niedrigen Zinsen. Ohne ihre Einführung läge der heutige Beitragssatz zur GRV bereits 1,6 Prozentpunkte höher. Als die Riester-Rente vor 15 Jahren eingeführt wurde, war es ihr Auftrag, die im Zuge der Absenkung des Rentenniveaus durch die damalige rotgrüne Bundesregierung Schröder entstehende Rentenlücke zu schließen. Eine Studie von Börsch-Supan und anderen aus dem Jahr 2016 kommt zu dem Schluss, dass die Riester-Rente dieses Ziel erfüllt und dazu auch zukünftig in der Lage sein wird.

Riester-Rente weiterentwickeln

Der Nachweis, dass die Riester-Rente bis dato funktioniert hat, ist somit geführt. Sollte man es dabei bewenden lassen? Sicherlich nicht, denn die größte demografische Belastung mit Eintritt der Babyboomer ins Rentenalter kommt erst noch und stellt das gesamte Rentensystem vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Insofern ist es erforderlich, auch die Riester-Rente weiterzuentwickeln. Die Vorschläge der Union Investment hierzu liegen schon länger auf dem Tisch und haben an Relevanz nichts verloren.

So sollte die Riester-Förderhöchstgrenze von derzeit 2 100 Euro p.a. dringend dynamisiert werden und sich dabei wie bei der bAV an den 4 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze orientieren. Der Berechtigtenkreis sollte um Selbstständige erweitert werden. Gerade bei vielen Selbstständigen besteht tatsächlich eine überdurchschnittliche Gefahr der Altersarmut. Die Bundesregierung hat mit dem Ansatz, 200 Euro aus der Riester-Rente nicht auf die Grundsicherung anzurechnen, sicherlich einen Schritt in die richtige Richtung getan und somit die Attraktivität für Geringverdiener gesteigert. Die Union Investment plädiert dafür, darüber hinauszugehen und schlägt die völlige Abschaffung der Anrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung vor. Als zusätzlicher Anreiz könnte eingeführt werden, dass die Rückflüsse aus den Steuerersparnissen direkt wieder wirksam in die Riester-Rente investiert werden.

Klar ist, dass der Anteil der Riester-Rente an den Renteneinkommen in den nächsten Jahren deutlich steigen wird. Nach Berechnungen von Börsch-Supan und anderen werden es im Jahr 2050 durchschnittlich rund 12 Prozent des letzten Bruttoeinkommens sein. Damit wird sie rund ein Viertel des Einkommens eines Standardrentners ausmachen (Abbildung 2).

Rentensystem zukunftsfest machen

Darüber hinaus wäre es an der Zeit, das deutsche Rentensystem auch dadurch zukunftsfest zu machen, indem man sich einmal anschaut, was man von den Alterssicherungssystemen anderer Länder lernen könnte. Im internationalen Vergleich fällt auf, dass in keinem anderen großen OECD-Land die gesetzliche Rente so dominant ist, wie in Deutschland. Das Deutsche Aktieninstitut hat in einer im Dezember 2016 vorgestellten Studie festgestellt, dass insgesamt 75 Prozent der Brutto-Standardrente hierzulande aus diesen Mitteln gespeist werden. Mit 25 Prozent aus anderen Quellen liegt Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen auf den hintersten Rängen. Im OECD-Durchschnitt werden 39 Prozent der Bruttorente über die zweite oder dritte Säule des Rentensystems erwirtschaftet.

Dem schwedischen Rentner fließt rund ein Drittel der Gesamtrente aus einer Kapitaldeckung zu; im Nachbarland Schweiz ist es fast die Hälfte. Noch höher sind diese Anteile in den angelsächsischen Ländern, deren Rentensysteme traditionell stärker kapitalmarktorientiert sind. Dazu gehören Kanada, die USA und Großbritannien mit rund 50 Prozent Einkünften aus einer Kapitaldeckung. An der Spitze liegen Australien und die Niederlande, deren Rentner 70 Prozent ihrer Alterseinkommen aus einer Kapitaldeckung beziehen.

Erforderlich wäre es, neben der geförderten pAV auch die ungeförderte pAV mittels steuerlicher Anreize attraktiver zu machen, so, wie man es beispielsweise aus den USA mit den 401(k)-Plänen kennt. Stattdessen wird die Aktie als chancenorientierteste Anlageklasse in Deutschland systematisch diskriminiert. Denn mit der Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 wurde das Halbeinkünfteverfahren auf Dividenden abgeschafft. Außerdem werden seitdem Veräußerungsgewinne unbeschränkt besteuert. Damit werden Erträge aus Aktien uneingeschränkt sowohl auf Unternehmens- als auch auf Anlegerebene besteuert. Resultat ist ein Steuersatz auf Aktienerträge von fast 50 Prozent. Im Vergleich dazu beläuft sich die Steuer auf Erträge festverzinslicher Wertpapiere, die lediglich auf Anlegerebene anfällt, auf zirka 28 Prozent (Abgeltungssteuer plus Solidaritätszuschlag plus gegebenenfalls Kirchensteuer).

Des Weiteren droht unter anderem hierzulande immer noch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die die Aktie weiter steuerlich belasten würde. Man kann nur hoffen, dass die Politik dieses längst tote Pferd nicht weiter reitet, sondern bald endgültig begräbt.

Weiterentwicklung im bestehenden Altersvorsorgesystem

Das Fazit lautet daher: Deutschland hat ein Vorsorgesystem, das aus gutem Grund auf mehreren Grundpfeilern steht. Es braucht keinen Neuanfang, sondern eine Weiterentwicklung im bestehenden Altersvorsorgesystem. Wichtig ist ein möglichst robustes System. Die drei Säulen sind nach wie vor sinnvoll, sie haben sich bewährt und sind zukunftsfähig gerade hinsichtlich der aufkommenden demografischen Herausforderungen. Hier bedarf es eines Ausgleichs für die zunehmend belastete Säule der GRV. Und da ist eine weiterentwickelte Riester-Rente, die auch im Niedrigzinsumfeld Erträge erwirtschaften kann, ein ganz wichtiger Baustein.

Quellen

Lebensstandard im Alter sichern - Rentenlücke mit Aktien schließen (Studie des Deutschen Aktieninstituts in Kooperation mit B. Metzler seel. Sohn & Co. KGaA, der Deka Bank und Union Investment, Dezember 2016).

Alterssicherung seit der Jahrtausendwende: Bestandsaufnahme und Ausblick (Ehrentraut, Oliver/ Moog, Stefan; Prognos-Studie 2016).

15 Jahre Riester - eine Bilanz (Börsch-Supan et al., Arbeitspapier des Munich Center for the Economics of Ageing 2016).

10 Rentenmythen (Ralph Bollmann in FAZ vom 6. November 2016).

Hans Joachim Reinke , Vorsitzender des Vorstands , Union Investment, Frankfurt am Main

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