Ein Ausblick auf das Investmentjahr 2015

James Swanson, Chief Investment Strategist, und Lars Detlefs, Managing Director, Leiter des institutionellen Vertriebs in Deutschland, beide MFS Investment Management, Boston und Frankfurt am Main Mit verstärktem Augenmerk auf die USA betrachten die Autoren die wirtschaftlichen Rahmendaten und den Einfluss der Notenbankpolitik auf die Entwicklung verschiedener Assetklassen. Die USA sehen sie derzeit eher in der Mitte als am Ende eines langen Aufschwungs. Den Unternehmensgewinnen bescheinigen sie aufgrund einer Betrachtung diverser Einflussfaktoren eine solide Basis und versprechen sich von US-Aktien weiteres Potenzial. Auf früheren Erfahrungen aufbauend erwarten sie angesichts der sinkenden Ölpreise der Tendenz nach positive Auswirkungen auf die Weltkonjunktur - auch wenn die Entwicklungen in einigen ölproduzierenden Ländern schwierig werden könnten. (Red.)

Zum Jahreswechsel wird oft gefragt, welche Anlagemöglichkeiten die vielversprechendsten sind. Hier sind die Überlegungen für das neue Jahr 2015.

US-Aktien weiter attraktiv

Trotz kleinerer Turbulenzen zum Jahresende haben sich US-Aktien 2014 hervorragend geschlagen. Der S & P 500 stieg auf immer neue Hochs. Um das Momentum zu nutzen, war es dann früher üblich, investiert zu bleiben und die Aktienquote vielleicht sogar aufzustocken. Aber mit der Finanzkrise 2008/2009 änderte sich das.

Auch sechs Jahre später ist der damalige Kurseinbruch nicht vergessen. Privatanleger setzen seitdem kaum noch auf Markttrends, und die kleinste Unruhe macht sie misstrauisch. Ein neues Kurshoch gilt heute oft als Warnsignal, als Mahnung zur Vorsicht. Wiederholt sich die Geschichte? Ob bei erfahrenen institutionellen Investoren oder Privatanlegern - die Angst vor einer neuen Preisblase ist groß. Man befürchtet, dass der derzeitige Kursgipfel kaum zu halten ist.

Dabei hat die Langfristperformance auch eine Menge mit guten Fundamentaldaten zu tun. Unternehmensgewinne und Umsätze sind auf breiter Front gestiegen, die Cashflows sind hoch wie selten, die Eigenkapitalrenditen stabil wie nie. Könnte es sein, dass die Investoren Konjunktur und Gewinne zu skeptisch sehen? Um das zu beantworten, muss man ganz von vorn beginnen. Was macht den Aktienmarkt eigentlich aus und wozu ist der da?

Fundamentaldaten

Ein Markt ist ein kollektiver Preisbildungsmechanismus. Der Aktienmarkt bestimmt den Preis von Unternehmen, die Aktien ausgeben. Einen Wert haben sie nur dann, wenn sie Gewinne erzielen. Bei gleichen Risiken entspricht der Wert dem Mehrertrag gegenüber anderen Anlagemöglichkeiten. Nach Ansicht von MFS geht es am amerikanischen Aktienmarkt trotz kurzfristiger Schwankungen weiter bergauf. Denn auch die Konjunkturindikatoren und andere kursrelevante Faktoren haben neue Rekordhochs erreicht. Viel spricht dafür, dass es vor allem auf die Konjunktur ankommt. Ob die Kurse steigen oder fallen hängt davon ab, wie viele Abnehmer die Unternehmen für ihr Angebot finden. Entscheidend dafür ist das wirtschaftliche Umfeld. Befindet sich die Wirtschaft im Aufschwung oder droht eine Rezession? Bis Dezember 2014 sind viele US-Konjunkturindikatoren gestiegen, wie im Folgenden gezeigt wird. Gut für die Wirtschaft innerhalb und außerhalb der USA ist aber auch der Ölpreisverfall.

Die Kaufkraft der Verbraucher ist die zweite wichtige Komponente. Sie hängt von der Beschäftigungssituation ab, der Anzahl der Arbeitsplätze, den geleisteten Arbeitsstunden und der Lohnsumme. Zum Jahreswechsel ist die Endnachfrage in den USA, aber auch in den Schwellenländern stabil. Beschäftigung und Arbeitsstunden befinden sich in den USA auf einem Höchststand. Die Löhne steigen, wenn auch langsam.

Ebenfalls wichtig ist die Rentabilität der Unternehmen. Steigen die Gewinne oder fallen sie? Sind die Gewinnmargen nachhaltig, weil wichtige Langfristfaktoren sie stützen, oder ist das Hoch nur vorübergehend? Entwickeln sich die Kosten - Löhne, Energiepreise und Zinsen - wie gewünscht? Im 3. Quartal 2014 waren die Gewinne amerikanischer Unternehmen sowohl insgesamt als auch in Prozent des BIP hoch wie nie. Für rekordhohe Gewinnmargen sorgten auch wettbewerbsfähige Arbeitskosten, fallende Energiepreise und niedrige Zinsen. All dies ist nachhaltig.

Renten als Alternative?

Solange der US-Aktienmarkt nur wenig von seinem Allzeithoch entfernt ist, könnte dies durchaus den guten Fundamentaldaten zu verdanken sein - und die Kurse könnten weiter steigen. Oder hat das Kurshoch doch andere Gründe? Ist die Hausse vielleicht emotionsgetrieben? Irgendwann wird eine Rezession kommen, aber das kann noch Jahre dauern. Bis dahin könnte es sich als sehr teuer erweisen, abzuwarten und auf Aktien zu verzichten.

Sind Renten interessant? Bis Mitte Dezember 2014 war die Gewinnrendite amerikanischer Aktien höher als die Rendite der meisten Anleihen. Der Abstand zu den Renditen kurzlaufender Anleihen mit AAA-Rating war so groß wie nie. Die inflationsbereinigte Rendite längerlaufender Anleihen lag nahe Null, und die Realrendite von High Yield schien längst nicht mehr so interessant wie früher.

MFS glaubt, dass die Fed Mitte oder Ende 2015 mit Zinserhöhungen beginnt. Da die weltweit niedrige Inflation und die Zinsdifferenzen einen zu starken Anstieg der US-Langfristrendite verhindern dürften, ist keine extreme Marktreaktion auf die Notenbank zu erwarten. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, dass risikobehaftete Wertpapiere zu Beginn eines Zinserhöhungszyklus der Fed schwanken. Wenn es diesmal genauso kommt, haben einzelwertorientierte Rentenanleger gute Chancen. So könnten von der Fed ausgelöste Kursschwankungen insbesondere bei Investmentgrade-Anleihen und High Yield zu attraktiven Einstiegskursen führen, zumal die Fundamentaldaten meist gut sind - die Cashflows der Unternehmen sind hoch, die Verschuldungsgrade sind gering und die Liquidität amerikanischer Unternehmensanleihen ist akzeptabel. Auf dem derzeitigen Bewertungsniveau erscheinen ausgewählte High-Yield-Anleihen außerhalb des Energiesektors immer attraktiver.

Nachhaltiger Aufschwung in den USA

Die Fed dürfte die Zinsen erhöhen, während die Europäische Zentralbank (EZB) und die japanische Notenbank ihre Geldpolitik wahrscheinlich weiter lockern. Weltweit dürfte die Notenbankliquidität daher steigen. Und weil sich die Konjunktur allmählich stabilisiert, sind ausgewählte Unternehmens- und Emerging-Market-Anleihen weltweit interessant.

Aber was genau hat für eine so starke US-Konjunktur gesorgt? Zur Beantwortung dieser Frage wird ein Blick auf einige Kennziffern geworfen, die zum Jahresende Schlagzeilen gemacht haben.

Die Arbeitsmarktindikatoren sind kontinuierlich gestiegen. Im Novemberbericht 2014 hat insbesondere die Zahl der Arbeitstage stark zugenommen. Die Lohnsumme ist aber ebenfalls gestiegen, wenn auch weniger als die Unternehmensumsätze, sodass die Gewinnmargen unverändert blieben. Die amerikanischen Verbraucher haben, sofern sie Arbeit hatten, länger gearbeitet und mehr Geld verdient, sodass auch ihre Kaufkraft gestiegen ist. Die höhere Lohnsumme beflügelt die Nachfrage in den USA, da mehr Geld ausgegeben werden kann. Und da die Beschäftigung außerhalb der Landwirtschaft zugelegt hat und die Arbeitslosenquote gefallen ist, wächst die Zahl der Beschäftigen unter den Verbrauchern, was der Konjunktur weiteren Auftrieb gibt.

Auch die Automobilproduktion war gut für die Konjunktur. Da der überalterte Fahrzeugbestand nach und nach ersetzt wird, ist der Absatz wieder auf sein altes Hoch von 17 Millionen PKWs gestiegen (einschließlich Kleinlaster). Diese Kennziffer gilt als ein Frühindikator für den Konsum.

Der Wohnimmobilienmarkt hat die US-Konjunktur mit 3,3 Prozent Anteil am BIP nur leicht vorangebracht. Doch wenn die Löhne steigen, könnte sich der Wohnungsbau erneut beleben. Dies gilt vor allem für Einfamilienhäuser, ein sehr arbeitsintensives Segment.

Die Unternehmensinvestitionen sind nicht so stark gestiegen wie in früheren Aufschwüngen. Zur Wende kam es erst Ende 2014, da große Teile der Infrastruktur veraltet waren, insbesondere im IT-Bereich. Doch selbst späte Investitionen können der Wirtschaft nützen, da sie mit einem hohen Beschäftigungs- und Rentabilitätswachstum einhergehen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob fallende Preise dem etwas von seiner Wirkung nehmen. Gut war auch, dass die Kreditvergabe gestiegen ist. Dafür sprechen jedenfalls Zahlen von Banken, Unternehmen und vom Rentenmarkt. Die Nettokreditaufnahme von Verbrauchern und Unternehmen hat gleichermaßen zugelegt, ohne dass die Verschuldungsgrade bedenklich gestiegen sind - denn die freien Cashflows haben ebenfalls zugelegt. Da die Verschuldung im privaten Sektor nicht überhandnimmt, droht zunächst keine Rezession.

Exporte und Wechselkurse

Aufgrund der recht guten Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten rechnet MFS mit einer weiteren Dollaraufwertung und geht davon aus, dass die Leitzinsen in den USA früher erhöht werden als in anderen Industrieländern. Die beiden wachstumsstärksten Länder dürften Großbritannien und die USA sein. Abgesehen von den Lichtblicken Deutschland und Spanien sind in Kontinentaleuropa die nötigen Strukturreformen zumeist noch ausgeblieben, die für international wettbewerbsfähigere Arbeitskosten nötig sind. Japan ist nach der Währungsabwertung und der Lockerung der Geldpolitik zwar vorübergehend stark gewachsen, doch die jüngsten japanischen Zahlen sind wenig überzeugend. Die Konjunktur scheint wieder zu schwächeln.

Dass wir den Dollar noch immer stark gegenüber dem Euro bevorzugen, hängt mit unterschiedlichen Erwartungen für die Geldpolitik von Fed und EZB zusammen. Aber auch die besseren US-Zahlen und die im Euroraum insgesamt schwächere Wachstumsdynamik spielen eine Rolle. Im Euroraum liegt die Inflation deutlich unter dem Zielwert der Notenbank; die Teuerung dürfte die Erwartungen eher unterschreiten als überschreiten. Außerdem ist die Arbeitslosenquote im Euroraum noch immer sehr hoch. Trotz der jüngsten EZB-Maßnahmen der EZB muss die Geldpolitik wahrscheinlich noch weiter gelockert werden.

Folgen des billigen Öls

Gegenüber dem Yen schätzt MFS den US-Dollar neutraler ein, vor allem wegen der starken Yen-Abwertung im November, als die japanische Notenbank eine Ausweitung des Quantitative Easing ankündigte. Kurzfristig könnte die Yen-Schwäche übertrieben gewesen sein, langfristig droht aber sicher eine weitere Abwertung.

Insgesamt kann ein steigender Dollar sogar gut für die US-Konjunktur sein, da er niedrigere inländische Rohstoffpreise bedeutet und den amerikanischen Verbrauchern den Import erleichtert. Faktisch entspricht eine anhaltende Dollarstärke aber einer strafferen Geldpolitik. Auch würde sie der amerikanischen Exportwettbewerbsfähigkeit schaden und könnte die Vorteile niedrigerer inländischer Energiepreise und Lohnstückkosten wieder zunichte machen.

Was bedeutet der dramatische Ölpreisverfall langfristig für die Weltkonjunktur? Seit Ende 2014, als der Preis dieses überaus wichtigen Rohstoffs seit seinem Höchststand im Juni um 50 Prozent gefallen war, sind die Märkte in Aufruhr. Die Aktienkurse sind weltweit zurückgegangen, auch in den USA. Sie haben ihre Rekordhochs nicht halten können, und High-Yield-Anleihen aus dem Energiesektor drohten sogar hohe Verluste. Was ist jetzt zum Jahreswechsel erwarten?

Zunächst zum Umfeld: Der Ölpreis ist genauso volatil wie fast alle Rohstoffpreise. Es kommt zu extremen Schwankungen. Bei Angebotsschocks steigt der Ölpreis stets enorm. Doch diesmal geht es nicht um steigende, sondern um fallende Preisen zu tun - aufgrund einer Angebotsschwemme und eines weltweiten Nachfragedefizits. Dies ist eine ungewöhnliche Kombination, die der Rentabilität mancher Branchen schaden kann.

Energiesektor und Konsum

Der Energiesektor hat etwa 9 Prozent Anteil am S & P 500 und macht 14 Prozent des weltweiten High-Yield-Markts aus. Dies erklärt zumindest zum Teil, warum die Märkte so stark unter dem fallenden Ölpreis gelitten haben. Ein weiterer Grund sind aber auch die unsicheren Auswirkungen auf die Gewinne im Investitionsgütersektor, der einen großen Teil seines Geschäfts mit Energieunternehmen macht.

Insgesamt haben der Grundstoff-, der Investitionsgüter- und der Energiesektor 30 Prozent Anteil am S & P 500. Die Gewinne von 30 Prozent des Index könnten also fallen. Wenn der Ölpreis niedrig bleibt, könnten der gleichmäßige Gewinnanstieg und die Verbesserung der Margen fast aller Sektoren (seit dem Tiefpunkt der Rezession vor fünfeinhalb Jahren) zu Ende gehen. Zu erwarten wäre dann im neuen Jahr eine weniger gleichmäßige Entwicklung, mit größeren Unterschieden. Einige Sektoren des US-Aktienmarkts könnten, wie oben beschrieben, schlechter abschneiden als bisher, während andere von niedrigeren Faktorkosten profitieren.

Der Konsum hat 70 Prozent Anteil am US-BIP, und die meisten S & P 500-Unternehmen haben irgendetwas mit dem Inlandskonsum zu tun. Niedrigere Energiepreise können die Lebenshaltungskosten senken und damit indirekt die Reallöhne steigen lassen, insbesondere durch niedrigere Benzinpreise. Die Verbraucher haben dann mehr Geld, das sie anderweitig ausgeben können. Früher haben Sektoren wie Konsumgebrauchsgüter, Konsumverbrauchsgüter und selbst Finanzdienstleistungen oft von billigerem Öl profitiert. Günstig kann es auch für Länder sein, die wie Japan, China und Teile des Euroraums Öl importieren.

Von früheren Ölschocks ist bekannt, dass sechs bis zwölf Monate nach dem Ölpreisrückgang das Welt-BIP um zusätzliche 0,8 Prozentpunkte gestiegen ist. Auch diesmal dürfte deshalb die Weltkonjunktur zulegen.

Eines sollte man dabei aber nicht vergessen: Die ölexportierenden Länder - insbesondere Russland, Venezuela und einige kleinere, aber ebenfalls nicht unbedeutende Staaten - werden durch den niedrigeren Ölpreis destabilisiert. Die Deviseneinnahmen gehen zurück und die Währungsreserven reichen möglicherweise nicht mehr aus, um die Ausgaben zu decken. Dies könnte am Ende zu einem politischen Risiko werden.

Alles in allem ist davon auszugehen, dass der Ölpreisrückgang den USA und der Weltwirtschaft nützt, trotz der negativen Folgen für einzelne Länder und Branchen. Auch der zu erwartende Anstieg der US-Zinsen im neuen Jahr ändert nichts an dem optimistischen Bild. Der aktuelle Aufschwung ist ungewöhnlich lang. Die Eigenkapitalrentabilität und die Gesamtkapitalrentabilität der Unternehmen eines repräsentativen Aktienmarktindex wie des S & P 500 sind in den USA heute höher als in Japan, Europa und vielen Emerging-Market-Ländern. Es ist nicht anzunehmen, dass sich dies 2015 ändert.

Die hier dargestellten Meinungen sind die der Autoren und können sich jederzeit ändern. Sie dienen ausschließlich Informationszwecken und dürfen nicht als Empfehlung, Aufforderung oder als Anlageberatung verstanden werden.

Lars Detlefs , Senior Managing Director, Head of Institutional Sales – EMEA , MFS Investment Management, Frankfurt am Main
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