Banken und Fintechs - Geschäftsmodelle zwischen Innovation und Regulierung

Jochen Werne, Direktor Marketing, Business Development, Tresury & Payment Services, Bankhaus August Lenz & Co. AG, München

Jochen Werne, Direktor Marketing, Business Development, Tresury & Payment Services, Bankhaus August Lenz & Co. AG, München - Durch die Aktivitäten der Fintechszene wie deren Zusammenarbeit mit etablierten Finanzdienstleistern registriert der Autor eine Verkürzung der Entwicklungszeiten für neue Finanzprodukte- und -dienstleistungen. Deren Einführung am Markt sieht er allerdings durch große Unsicherheit begleitet, weil die regulatorische Behandlung solcher Neuerungen und ihrer Anbieter oft auf sich warten lässt. Seinen Wunsch an die Aufsicht nach zeitnahen Regelungen verbindet er mit dem Appell, gleiche Geschäfte auch gleich zu regulieren. (Red.)

In der Startup-Szene sind digitale Finanzdienstleistungen ein großes Thema. Financial-Technology- oder kurz Fintech-Startups versuchen durch kundenfreundliche, innovative und digitale Anwendungen, die Angebote etablierter Finanzdienstleister zu reformieren oder bestenfalls zu ersetzen. Diese Produkte und die agilen Startups selbst müssen sich nach einem anfänglich vielversprechenden mit Venture Capital finanzierten Erfolgskurs nun aber am Markt als nachhaltige Geschäftsmodelle beweisen. Nicht selten scheitern gute Ideen an der Dichte gesetzlicher Regulierungen oder im starken Wettbewerbsumfeld.

Wettbewerbsneutrale Aufsicht

Am Beispiel des Fintechs Avuba ist das gut zu beobachten. Das Berliner Startup konnte mit seiner Peerto-Peer-Banking-App gegen andere Konkurrenten nicht bestehen und stellte am 30. Januar 2017 seinen Geschäftsbetrieb ein. Grund dafür war vor allem die schleppende Markteinführung und das unzureichende Startkapital. Mittlerweile bieten Banken ihren Kunden ähnliche Banking-Apps an, mit denen - wie bei Avuba - per Smartphone Geld verschickt werden kann. Der Markt ist in ständiger Bewegung und stellt die Akteure aus dem Finanzsektor, der Politik und der Finanzaufsicht vor große Herausforderungen. Welche Regulierungen sind geeignet, um Innovation und Sicherheit in Einklang zu bringen? Wie sehen langfristig tragfähige Geschäftsmodelle für Banken und Fintechs in Zukunft aus?

Die Frage nach angemessener und zielführender Regulierung beschäftigt Politik und Finanzaufsicht gleichermaßen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht sich mit den in den Markt drängenden Fintechs und deren neuen und agilen Geschäftsmodellen konfrontiert. Sie steht in der Verantwortung, auf diese Entwicklungen zu reagieren und effektive Regulierungen für den Finanzmarkt zu schaffen. Der Handlungsdruck liegt diesbezüglich aber nicht alleine bei der BaFin, sondern im Besonderen bei der Politik. Als Auftraggeber und gesetzgebende Instanz zur Gestaltung der nötigen Rahmenbedingungen für die staatliche Finanzaufsicht muss die Politik eine Antwort auf die schnellen Digitalisierungsprozesse finden. Nur so kann die Stabilität der Volkswirtschaft und des nationalen beziehungsweise internationalen Finanzökosystems sowie die Sicherheit der Bürger in der Rolle als Anleger, Bankkunde und Kreditnehmer gewährleistet werden.

Allerdings geht das Tempo der politischen Willensbildung nicht immer einher mit den dynamischen Entwicklungen auf dem Finanzmarkt. Oftmals fehlen die entscheidenden Weisungen aus der Politik und Regulierungen finden nur verzögert ihren Weg zur Anwendung. Das birgt sowohl für Fintechs als auch für etablierte Banken Probleme, da diese ihre kundenorientierten digitalen Anwendungen nach kurzen Entwicklungszyklen mit einer großen Unsicherheit auf den Markt bringen müssen. In diesem Spannungsfeld steht die BaFin somit zwischen Politik und den Dienstleistern der Finanzbranche. Sie kontrolliert die Anbieter und trägt dadurch der staatlichen Aufsichtspflicht Rechnung. Idealerweise sollte diese Kontrolle keinen Einfluss auf den Wettbewerb oder auf den Innovationsprozess aufseiten der Finanzdienstleister haben. Sowohl Banken als auch Fintechs in Deutschland sehen sich den im internationalen Vergleich konservativen Regulierungen vonseiten der Aufsichtsbehörde gegenüber im Nachteil und betonen die innovativen und wettbewerbsfördernden Aspekte der neuen Geschäftsmodelle.

Gleiches Geschäft - gleiche Regulierung

Bei allen Berührungspunkten mit Konfliktpotenzial sind sich Politik, Aufsicht und Finanzdienstleister in einem Punkt einig: Der Kunde mit seinen eigenen individuellen Bedürfnissen spielt eine zentrale Rolle. Sein Wunsch nach Sicherheit und Vertrauen in die Finanzdienstleister kann nur dann nachhaltig bedient werden, wenn diese durch eine effektive und ständige Aufsichtsinstanz anhand geeigneter Regulierungen kontrolliert werden. Dabei muss das Prinzip des "Level Playing Field" gelten. Demnach müssen Marktteilnehmer, die das gleiche Geschäft verfolgen, auch den gleichen Regulierungen unterliegen. Daneben darf die Politik nicht aus den Augen verlieren, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um der digitalen Finanz-Lebenswelt in Zukunft gerecht zu werden. Schließlich können die Erwartungen der Kunden an eine zeitgemäße, digitale und mobile Ausgestaltung von Angeboten und Anwendungen in der Finanzbranche nur durch Innovationen erfüllt werden.

Vor diesem Hintergrund bieten viele Banken bereits eigene Applikationen und Onlineservices im Rahmen der gesetzlichen Regulierungen an, in denen sich die Kundenwünsche widerspiegeln. Zusätzlich setzen sie auf die Integration von Drittanbieter-Anwendungen in das eigene Service-Portfolio. Die Kooperation mit den neuen Marktteilnehmern ist für Banken also notwendig, um im digitalen Wandel mitzuhalten. Sie haben dabei einen entscheidenden Vorteil: Sie können dank des großen Kundenstamms und ihrer Solvenz neue Produkte effizienter und mit Skaleneffekten ausrollen sowie Einstiegshürden besser bewältigen.

Kooperationsmodelle

Auch aus der Sicht vieler Fintechs ist es sinnvoll, Kooperationen mit etablierten Banken einzugehen. Sie können dadurch deren organisatorische Strukturen und die Kundendaten nutzen sowie die Herausforderungen der Regulierung stemmen. Denn auch die neuen Anbieter im Finanzsektor unterliegen der Aufsicht durch die BaFin und müssen gesetzliche und regulatorische Rahmenbedingungen erfüllen. Um aber als ordnungsgemäß lizensierter Anbieter am Markt teilnehmen zu können, müssen die Fintechs den Regulierungsbestimmungen nachkommen und Solvenz, fachlich geeignete Geschäftsführer und die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen nachweisen. Dies ist zum einen notwendig, da nur so Stabilität und Sicherheit für den Finanzmarkt und die Kunden sichergestellt werden kann. Zum anderen birgt dies aber auch eine große Einstiegshürde für dynamische Unternehmen und deren innovative Ideen. Die regulatorischen Hindernisse und der große Aufwand bei der Beantragung von Lizenzen bedeuten einen hohen Ressourceneinsatz, der von kleinen Startups nur schwer geleistet werden kann.

Im internationalen Vergleich gehen manche Länder andere Wege. Oftmals wurden bereits spezielle Förderprogramme für Fintech-Unternehmen aufgelegt. In diesem Zusammenhang gilt die Regulatory Sandbox der Financial Conduct Authority in Großbritannien als Pilotprojekt. Dieses Programm bietet neuen Marktteilnehmern die erforderliche Expertise und Unterstützung bezüglich Regulierungen und Lizensierung neuer Geschäftsmodelle sowie ein reales Testumfeld. Der Vorteil für Fintechs liegt auf der Hand - sie können ihre Anwendungen mit realen Kunden im Vorfeld der Markteinführung testen und somit wertvolle Insights gewinnen, ohne eine risikoreiche und kostenintensive Lizensierung durch die Aufsichtsbehörde abzuwarten.

Dennoch bedeutet der Sandbox-Ansatz keineswegs eine Abkehr von regulatorischen Bestimmungen. Um das Risiko für die Kunden so gering wie möglich zu halten, müssen auch Unternehmen, die an diesem Programm teilnehmen, einen strukturierten Bewerbungsprozess durchlaufen und bestimmte Reglements innerhalb der Sandbox-Umgebung erfüllen. Länder wie Singapur, die Schweiz, Australien oder Hong kong folgen diesem Beispiel und haben bereits ähnliche Instrumente zur Beratung und Unterstützung von Fintechs etabliert. Luxemburg bietet Fintechs und Startups direkten Zugang zu handelnden Personen in der Aufsichtsbehörde, um schnell regulierte Markteintritte zu unterstützen.

Vor allem in Deutschland könnte es immer wichtiger werden, geeignete Regulierungsinstrumente und Programme einzurichten, um einen international wettbewerbsfähigen und attraktiven Markt zu schaffen. Denn vor dem Hintergrund eines global agierenden Finanzmarkts ist der Wettbewerbsdruck durch innovationsfreundliche Finanzregulierungen in einem größeren Kontext zu beurteilen. Zusätzlich ergibt sich durch den Brexit für Deutschland eine besondere Situation, da die in Großbritannien ansässigen Fintechs die negativen Folgen des EU-Austritts durch eine Abwanderung in Startup-Metropolen auf dem EU-Festland egalisieren könnten. Besonders wünschenswert wäre eine Harmonisierung europäischer Regularien in Bezug auf ihre Umsetzung in nationales Aufsichtsrecht, sodass Fintechs wie auch Banken im europäischen Kontext einfach und so barrierearm wie möglich tätig sein können.

Die Finanzbranche durchlebt eine tiefgreifende Digitalisierung. Das bezieht sich auf die technologische Infrastruktur, die Produkte und besonders auf die Kunden. Ob einfache und schnelle Transaktionen mit dem Smartphone, übersichtliche Finanzplanung über verschiedene Konten und Depots hinweg oder Onlineanlageberatung via Robo-Advice - die Nutzungsszenarien sind vielfältig und werden durch Kunden verstärkt nachgefragt. Folglich führt die Erwartungshaltung der Kunden in diesem Bereich zu einem erhöhten Wettbewerbsdruck mit neuen Marktteilnehmern. Die Fokussierung auf die Bedürfnisse der Kunden ist das Spezialgebiet der Fintechs. Deshalb sind deren Anwendungen in der jeweiligen Nische der Wertschöpfungskette teilweise überzeugender als die der etablierten Banken. Um ihr Geschäftsmodell unter diesen neuen Anforderungen langfristig verfolgen zu können, sind die Banken zum digitalen Wandel gezwungen.

Wie das funktioniert, zeigt das Best-Practice-Beispiel des Bankhauses August Lenz. In Zusammenarbeit mit ausgesuchten Fintech-Unternehmen hat das Bankhaus verschiedene Onlinetools entwickelt, mit deren Hilfe der Kunde sein eigenes individualisiertes Financial Ecosystem aufbauen kann. Der mehrfach prämierte Service kategorisiert die Einnahmen und Ausgaben automatisch und schafft damit einen schnellen Überblick über das tatsächliche Finanzverhalten. Dadurch kann der Kunde seine Finanzplanung auf echte und verlässliche Fakten stützen. Zusätzlich verfügt die Lösung über eine Multibankenfunktion. Sie erlaubt dem Kunden die Einbindung aller Konten und Depots, die er bei anderen Banken hat. Dasselbe bietet die Bank im Bereich Versicherungen. Personal-Finance-Management wird auf diese Weise digital, individuell und transparent.

Individuelle Kundenbedürfnisse im Blick

Durch die Kooperation mit Fintechs und der persönlichen Kundenbetreuung durch die Marke Family Banker gelingt es dem Bankhaus, Innovation und die traditionellen Werte einer Bank miteinander zu verbinden. Auf der anderen Seite profitiert auch das Startup von den strukturellen und finanziellen Voraussetzung sowie der Erfahrung des Bankhauses. Insofern ist diese Kooperation ein gutes Beispiel für ein beidseitig gewinnbringendes und langfristiges Geschäftsmodell im Sinne des Kunden.

Auch in Zukunft wird der Wettbewerb um die Kunden durch die Erfüllung der individuellen Kundenbedürfnisse entschieden. Diese suchen ihrerseits nach Anbietern, die langfristig sichere Geschäftsmodelle bereithalten und der dynamischen Lebenswirklichkeit in Bezug auf Digitalisierung und Mobilität gerecht werden. Vertrauen, Sicherheit und der persönliche Kundenkontakt einer Bank sowie individuelle und digitale Angebote werden die zentralen Erfolgsfaktoren für Finanzdienstleister sein.

Jochen Werne , Direktor, Bankhaus August Lenz & Co. AG, München
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