Die Bedeutung des Bargeldes in Deutschland

Quelle: Die Bedeutung des Bargeldes in Deutschland

Carl-Ludwig Thiele, Mitglied des Vorstands, Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main - Auch wenn nur 10 Prozent der in Deutschland ausgegebenen Banknoten zum Bezahlen genutzt werden, beobachtet die Bundesbank das Verhältnis der Bürger zu diesem Bargeld genau. Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele bezeichnet die Verbraucher als nach wie vor bargeldaffin. Denn es wird als einfach, schnell und sicher wahrgenommen und hilft den Menschen, ihre Ausgaben im Blick zu behalten. Die vermehrten Bestrebungen, eine Obergrenze für Barzahlungen einzuführen oder gar das Bargeld komplett abzuschaffen, ordnet er als wenig nutzbringend ein und warnt davor, das Vertrauen der Bürger in ihr Geld zu zerstören. Sein Credo: Die Deutsche Bundesbank bekennt sich klar zum Bargeld. (Red.)

Im Eurosystem waren kurz nach der Euro-Bargeldeinführung Banknoten im Wert von 220 Milliarden Euro im Umlauf. Bis Ende 2014 stieg dieser Wert auf eine Billion Euro an und aktuell liegt der Banknotenumlauf bei zirka 1 070 Milliarden Euro. Diese beachtliche Entwicklung ist im internationalen Vergleich allerdings nicht ungewöhnlich. Der Banknotenumlauf des Pfund Sterling oder des US-Dollar ist nur unwesentlich langsamer gewachsen als der Euro-Banknotenumlauf. Sowohl der Euro-, der Pfund-Sterling-, als auch der US-Dollar-Banknotenumlauf haben sich zwischen den Jahren 2004 und 2015 etwa verdoppelt. Stieg der Euro-Banknotenumlauf in diesem Zeitraum um rund 116 Prozent, so wuchsen Dollar- und Pfund-Banknotenumlauf jeweils um rund 90 Prozent. Dies ist sicher auch damit zu erklären, dass der Euro im Jahr 2004 noch nicht lange im Umlauf war und von einem niedrigeren Niveau aus startete. Lediglich Schweden fällt hier aus dem Rahmen: Dort ist der Banknotenumlauf in den letzten Jahren gesunken.

Zahlungsmittelfunktion im Inland: nur 10 Prozent der Banknoten

Von dem Euro-Banknotenumlauf wurde über die Hälfte, rund 550 Milliarden Euro, durch die Deutsche Bundesbank ausgegeben. Seit Jahren liegen die Wachstumsraten des deutschen Euro-Banknotenumlaufs stabil bei annähernd 10 Prozent. Dieses Geld befindet sich aber nicht komplett bei den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland im Portemonnaie; vielmehr sind zirka 70 Prozent ins Ausland geflossen, sei es durch Reiseausgaben, internationalen Sortenhandel oder Bargeldmitnahmen ausländischer Arbeitnehmer. Ein Motiv für die Nachfrage nach Euro-Banknoten aus dem Ausland ist, dass Anleger aus Nicht-Euroländern die Möglichkeit schätzen, Vermögen in einer wertstabilen Währung gegen eine Entwertung durch Inflation schützen zu können.

Etwa 20 Prozent des deutschen Banknotenumlaufs werden im Inland gehortet, also zu Hause oder etwa in Bankschließfächern gespart. Nur 10 Prozent werden für Einkäufe im Inland verwendet. Die Bedeutung des Bargelds beruht also nicht nur auf der Zahlungsmittelfunktion.

Doch auch wenn die inländische Zahlungsmittelfunktion nur 10 Prozent des Banknotenumlaufs betrifft, so kommt es im Inland genau auf diese Geldscheine an. Denn sie speisen den gesamten Bargeldkreislauf bestehend aus der Bundesbank, den Kreditinstituten, dem Handel und den Werttransporteuren als professionelle Bargeldakteure. Sollte irgendwann kaum noch bar bezahlt werden, hätte dies große Auswirkungen auf alle Beteiligten. Daher interessiert sich die Deutsche Bundesbank sehr dafür, wie sich das Zahlungsverhalten in Deutschland über die Jahre hinweg verändert. Viele Menschen nutzen heute ganz selbstverständlich Karten zum Bezahlen, mittlerweile auch für recht kleine Beträge. Gerade junge Leute sind sehr aufgeschlossen für neue, innovative Bezahlverfahren auf NFC-Basis mit Karte oder Smartphone. Ist der Stern des Bargelds also am Sinken?

Zahlungsverhalten in Deutschland und anderen Ländern

Alle Bargeldfreunde können beruhigt werden: Auch der dritten Zahlungsverhaltensstudie der Bundesbank1), die 2015 vorgestellt wurde, zufolge ist Bargeld nach wie vor das meistgenutzte Zahlungsmittel in Deutschland. Für fast 80 Prozent der Bezahlvorgänge greifen die Menschen zu Banknoten und Münzen. Mehr als die Hälfte aller Umsätze am sogenannten Point-of-Sale werden damit bezahlt. Im Durchschnitt führten Privatpersonen im Jahr 2014 immerhin 103 Euro bar mit sich, genauso viel wie drei Jahre zuvor. Diese recht hohe Summe ermöglicht eben auch viele Barzahlungen.

Bei den bargeldlosen Zahlungsinstrumenten greifen Verbraucherinnen und Verbraucher bevorzugt zur Girocard, der früheren ec-Karte. Annähernd 30 Prozent der in der Studie erfassten Umsätze werden inzwischen damit bezahlt. Und nach eigenen Angaben ist die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Wahl der Zahlungsinstrumente festgelegt: Ein Drittel der Befragten zahlt ausschließlich bar, 17 Prozent zahlen wenn möglich unbar. Prinzipiell kann diese Vorfestlegung dazu führen, dass sich Innovationen im Zahlungsverkehr langsamer durchsetzen.

Mit dieser Bargeldaffinität steht Deutschland nicht alleine da. Laut einer internationalen Vergleichsstudie2) zwischen Australien, Deutschland, Frankreich, Kanada, den Niederlanden, Österreich und den Vereinigten Staaten zahlen Kunden an der Ladenkasse in allen Ländern häufig mit Bargeld. Bezogen auf die Anzahl der Transaktionen hat Bargeld überall einen Anteil von über 50 Prozent, mit Ausnahme der Vereinigten Staaten. In Österreich wird sogar noch etwas mehr Bargeld verwendet als in Deutschland.

Anonymität gewährleistet

Der Bargeldumlauf steigt also kontinuierlich, Banknoten und Münzen werden immer noch sehr häufig zum Bezahlen verwendet. Bargeld hat als Zahlungsmittel noch lange nicht ausgedient, obwohl über die Jahre hinweg der Barzahlungsanteil langsam gesunken ist.

Doch warum ist das so? Nun, Bargeld hat viele Eigenschaften, die von der Bevölkerung sehr geschätzt werden. Es wird von den Nutzern als einfach, sicher und schnell wahrgenommen und zudem als Instrument zur Ausgabenkontrolle und Haushaltsplanung verwendet. Zirka drei von vier Befragten unserer Zahlungsverhaltensstudie antworteten, dass ihnen die Verwendung von Bargeld hilft, die Ausgaben im Blick zu behalten. Weiterhin gewährleistet Bargeld Anonymität bei der Durchführung von Transaktionen und ermöglicht es dem Verwender, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung auszuüben. Bargeld ist zudem Notenbankgeld. Es ist das einzige gesetzliche Zahlungsmittel und Güter und Dienstleistungen können damit direkt Zug um Zug bezahlt werden, das heißt, weder der Verkäufer noch der Käufer einer Ware muss in Vorleistung treten. Bargeld kann weitestgehend ohne technische Infrastruktur zum Bezahlen verwendet werden und stellt die Funktionsfähigkeit des Zahlungsverkehrs in Not- und Krisensituationen sicher.

War on cash ...

Trotz dieser unbestreitbaren Vorzüge gibt es immer mehr Bestrebungen, das Bargeld zurückzudrängen. In der Presse und der Öffentlichkeit wird viel über das Bargeld und den Zusammenhang mit Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit oder Terrorismusfinanzierung diskutiert. Herr Dr. Weidmann hat in diesem Zusammenhang bereits über die Abschaffung der 500-Euro-Banknote und über eine Barzahlungsobergrenze von 5 000 Euro, die vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen wurde, gesprochen. Es stellt sich deshalb die Frage: Wie hat eine Bargeldobergrenze in anderen Ländern die Kriminalität eingeschränkt? Mir ist nicht bekannt, dass in Ländern mit einer Bargeldobergrenze, etwa in Italien oder Frankreich, die Kriminalität entsprechend geringer wäre als in Ländern ohne Obergrenze.

Daneben gab es auch einzelne Stimmen, die die komplette Abschaffung des Bargeldes gefordert haben. Begründet werden die Forderungen unter anderem damit, dass es in der gegenwärtigen geldpolitischen Lage nur in einer Welt ohne Bargeld möglich sei, die Zinsen noch deutlich weiter unter Null zu senken. Herr Dr. Weidmann hat bereits dargelegt, dass die derzeitige wirtschaftliche Lage im Euroraum eine solche Forderung nicht rechtfertigt.

Des Weiteren gibt es die Forderung, Kleinmünzen abzuschaffen. Dies könnte dadurch geschehen, dass man die Stückelungsstruktur anpasst oder dass Kleinmünzen durch die Einführung einer Rundungsregel im Handel überflüssig werden. Angeblich wäre deren Produktion zu teuer und ohnehin bräuchte niemand die kupferfarbenen Münzen. Das zuständige Bundesfinanzministerium hat jedoch kürzlich mitgeteilt, dass die Herstellungskosten für eine 1-Cent-Münze zwar über dem Nennwert, bei der 2-Cent-Münze jedoch darunter liegen. Und was die Einstellung der Bevölkerung zu Kleinmünzen betrifft, so ist das Stimmungsbild in Deutschland hinsichtlich einer Rundungsregel, wie es sie in einigen anderen Ländern bereits gibt, ohnehin uneinheitlich. Im Jahr 2011 votierten in einer allgemeinen Bevölkerungsbefragung 44 Prozent eher dafür, während 48 Prozent tendenziell gegen die Einführung einer Rundungsregel waren. Und noch im Jahr 2015 haben gemäß einer Umfrage der EU-Kommission weniger als die Hälfte der deutschen Bevölkerung eine Rundungsregel befürwortet. Von daher scheint es nur folgerichtig, dass es vonseiten des Bundesministeriums der Finanzen derzeit keine Überlegungen zur Abschaffung der Kleinmünzen oder zur Einführung einer nationalen Rundungsregel gibt.

... gewinnt an Fahrt

Der sogenannte "war on cash" hat in letzter Zeit Fahrt aufgenommen. Doch trotz der vorgebrachten Forderungen bekennt sich die Deutsche Bundesbank klar zum Bargeld. Banknoten und Münzen sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Zahlungsmittelmix und werden es auch bleiben. Jeder sollte bezahlen können, wie er will - ob bar oder unbar. Die Deutsche Bundesbank beeinflusst die Bevölkerung hinsichtlich ihrer Zahlungsmittelwahl nicht.

Ein wichtiger Punkt sollte bei dieser Diskussion um das Bargeld nicht vergessen werden: Es geht nicht um das Geld der Banken, der Sparkassen oder Volks- und Raiffeisenbanken, es geht um das Geld des Bürgers. Durch die Diskussion kann es zu einer Verunsicherung in der Bevölkerung kommen, die meines Erachtens nicht gewünscht sein kann. Denn jede Währung lebt vom Vertrauen. Sie wissen alle, wie schwer es ist, Vertrauen zu erreichen. Sie wissen aber auch, dass es relativ schnell geht, erworbenes Vertrauen wieder zu verlieren. Es wäre daher fatal, wenn die Entscheidung des EZB-Rats, keine neuen 500-Euro-Banknoten mehr zu produzieren, oder die Diskussion über Bargeldobergrenzen den Eindruck in der Bevölkerung erwecken würden, ihr würde nach und nach das Bargeld entzogen. Man muss sich hierbei vor Augen halten: Die Freiheit stirbt häufig scheibchenweise.

Bundesbank: aktiv für das Bargeld engagiert

Die Deutsche Bundesbank engagiert sich auch weiterhin für das Bargeld und bleibt aktiv in den Bargeldkreislauf eingebunden. Neben dem Bau der neuen Filiale in Dortmund ist der Austausch des Maschinenparks zu nennen. Ab dem Jahr 2022 wird die Bundesbank flächendeckend mit neuen Banknotenbearbeitungsmaschinen, den sogenannten M 7, arbeiten. Die neuen Systeme erlauben eine leistungsfähigere Banknotenbearbeitung mit einer höheren Sortiergenauigkeit. Damit werden die Weichen für eine zukunftsorientierte, effiziente Bargeldbearbeitung gestellt.

Auch an den eigentlichen "Produkten", den Banknoten und Münzen, wird gearbeitet, um sie weiter zu verbessern. So wurden die neuen 5-Euro- und 10-Euro-Banknoten beschichtet, um deren Lebensdauer zu erhöhen. Die bisher gesammelten Erfahrungen lassen den Schluss zu, dass sich die Lebensdauer dieser Stückelungen durch die Beschichtung tatsächlich deutlich erhöht hat. Dadurch verringern sich die Kosten für das Eurosystem und die Auswirkungen auf die Umwelt erheblich.

Und auch im Münzbereich ist mit der 5-Euro-Sammlermünze "Planet Erde" eine Weltneuheit gelungen. Durch den eingefügten Polymerring soll sie besonders fälschungssicher sein und mit dem innovativen Design auch neue, junge Zielgruppen erreichen. Die hohe Nachfrage hat bewiesen, dass die neuartige Münze bei den Bürgerinnen und Bürgern sehr beliebt ist.

Die Bedeutung des Bargelds in Deutschland, aber auch in anderen Ländern, ist nach wie vor groß. Es ist ein unverzichtbares Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel. Die Deutsche Bundesbank wird sich aktiv im Bargeldkreislauf engagieren und auch weiterhin dafür sorgen, dass Bargeld in hoher Qualität zur Verfügung steht.

Fußnoten

1) Vergleiche: Zahlungsverkehrsverhalten in Deutschland 2014, Dritte Studie über die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten

2) Vergleiche: Consumer cash usage: a cross-country comparison with payment diary survey data, Discussion paper 13/2014: John Bagnall, David Bounie, Kim P. Huynh, Anneke Kosse, Tobias Schmidt, Scott Schuh, Helmut Stix

Dieser Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Bargeldsymposium 2016 der Deutschen Bundesbank am 13. Juni 2016 in Frankfurt am Main. Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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