Blockchain-Technologie als Schlüssel für die Zukunft?

Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl, Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Augsburg/Bayreuth

Quelle: Universität Augsburg

Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl, Prof. Dr. Nils Urbach und André Schweizer, Projektgruppe Wirtschaftsinformatik, Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT, Augsburg/Bayreuth) - Aus der Sicht der Autoren hat die Blockchain-Technologie immer dann ein großes Potenzial, wenn aus Kosten-, Zeit- oder politischen Gründen Intermediäre im Prozess umgangen werden können oder sollen, eine rückwirkende Unveränderbarkeit der Transaktionen sowie eine exakt vorgegebene Durchführung sinnvoll oder erforderlich ist. Denn dann kann eine dezentral und autonom agierende Technologie ihre Vorteile ausspielen. In den allgemeinen Hype um die neue, sich rapide weiterentwickelnde, disruptive Technologie stimmen die Autoren allerdings nicht ein. Zwar verspreche die Blockchain viele Fähigkeiten und Einsatzmöglichkeiten, aber es wird auch darauf hingewiesen, dass noch einige grundlegende Forschungs- und Entwicklungsherausforderungen zu bewältigen sind, sodass der ultimative Einfluss noch abzuwarten bleibt. Für Banken sehen sie die größten Einsatzmöglichkeiten im Zahlungsverkehr, dem Kapitalmarkthandel und dem Bereich Compliance. (Red.)

Die fortschreitende Digitalisierung führt zu massiven Veränderungen sowohl in der Wirtschaft als auch in der gesamten Gesellschaft. Als Treiber des Wandels werden insbesondere innovative, digitale Technologien angesehen, von denen eine disruptive Wirkung ausgeht. Dies ist dann der Fall, wenn innovative Informationstechnologien bisher unerfüllte Kundenbedürfnisse adressieren, neue Geschäftsmodelle von Unternehmen ermöglichen oder die Wertschöpfung signifikant verbessern. Dadurch entstehen beispielsweise neue Märkte, die durch neue Anbieter oder branchenfremde Unternehmen erschlossen werden können. So werden Google und Apple im sich verändernden Mobilitätsmarkt aktiv und bedrohen die Vormachtstellung etablierter Marken wie BMW oder Mercedes. Wir sehen Wertschöpfungsinnovationen wie die Industrie 4.0, womit die Vision der Mass Customization, also die kundennahe, profitable Fertigung mit Losgröße 1, in vielen Bereichen wirtschaftlich wird. Daneben erleben wir signifikante Produktivitätsverbesserungen durch den Einsatz digitaler Technologien. Das Besondere an der gegenwärtigen digitalen Transformation ist, dass neben der Intensität der Veränderungen auch die Schnelligkeit des Wandels bemerkenswert ist (Röglinger und Urbach 2016).

Disruptive Technologie Blockchain

Eine dieser innovativen Technologien mit dem Potenzial, Unternehmen und die Gesellschaft zu verändern, ist Blockchain (Peters und Panayi 2015). Seit dem Jahr 2008, als die Kryptowährung Bitcoin bekannt wurde, hat auch die zugrunde liegende Technologie große Aufmerksamkeit erfahren (Schlatt et al. 2016). Hintergrund sind die zahlreichen neuen Anwendungsfelder und Umsetzungsmöglichkeiten von Blockchain, vor allem auch im Zusammenspiel mit Smart Contracts, die weit über die virtueller Währungen hinausgehen. In den vergangenen Monaten ist ein regelrechter Hype um Blockchain ausgebrochen, was sich nicht zuletzt in zahlreichen Artikeln in einschlägigen Wirtschaft- und Technologiemagazinen widerspiegelt und dadurch verstärkt wird. Auch der aktuelle Hypecyle von Gartner sieht Blockchain kurz vor dem sogenannten Gipfel der überzogenen Erwartungen. Einige Unternehmen sind in den vergangenen Monaten auf den "Blockchain-Zug" aufgesprungen und erarbeiten - oftmals in branchenspezifischen Konsortien - entsprechende Anwendungsfälle und Lösungen.

Für viele Unternehmen ist die Frage, in welche Richtung sich der Trend um Blockchain weiterentwickeln wird und ob sie in diesem Bereich aktiv werden sollen, jedoch noch unbeantwortet. In der Erwartung oder sogar Hoffnung, dass die Technologie nicht den propagierten Erfolg haben wird, begleiten sie die aktuellen Entwicklungen lediglich als passiver Beobachter. Wir halten eine solche Zurückhaltung für gefährlich. Zahlreiche Beispiele der Vergangenheit zeigen, dass Geschäfte daran zerbrochen sind, nicht rechtzeitig an den Entwicklungen disruptiver Technologien hinreichend zu partizipieren. Prominente Beispiele an dieser Stelle sind die Unternehmen Kodak und Nokia, welche die Notwendigkeit zum Technologiewechsel zur digitalen Fotografie beziehungsweise zum Smartphone massiv unterschätzt haben, so dass sie in kürzester Zeit vom Marktführer zum Nischenanbieter degradiert wurden.

Im Folgenden sollen die Grundlagen der Blockchain dargelegt und das Konzept der Smart Contracts vorgestellt werden. Nach der anschließenden Diskussion über die Einsatzmöglichkeiten von Blockchain in der Finanzbranche anhand von ausgewählten Anwendungsfällen endet der Artikel mit einer kritischen Beurteilung des gegenwärtigen Stands von Blockchain und einem Ausblick auf weitere Entwicklungen.

Blockchain-Grundlagen

Unter dem Begriff Blockchain wird ein elektronisches Register für digitale Datensätze, Ereignisse oder Transaktionen verstanden, welche durch die Teilnehmer eines verteilten Rechnernetzes verwaltet werden (Condos et al. 2016). Gemäß des Namens werden die einzelnen Transaktionen dabei in Blöcken, die jeweils eine Referenz auf die vorherigen Blöcke enthalten, strukturiert gespeichert. Im Jahr 2008 wurde mit der Kryptowährung Bitcoin der erste Anwendungsfall der Blockchain-Technologie bekannt. Hierbei ermöglicht die Blockchain einen sicheren Austausch von Bitcoins zwischen Teilnehmern eines Netzwerks.

Für die Aufnahme von Transaktionen in die Blockchain sind die sogenannten Mining-Netzknoten verantwortlich. Diese Mining-Netzknoten fassen dabei zunächst jeweils unbestätigte Transaktionen in einem Block zusammen, der neben den Transaktionen zusätzlich einen sogenannten Block-Header enthält. An diesem Punkt ist es aus mehreren Gründen (beispielsweise Betrugsversuche wie Double-Spending oder Verzögerungen bei der Datenübertragung) möglich, dass unterschiedliche Transaktionen in den jeweiligen Blöcken der Netzknoten enthalten sind. Deshalb wird im Blockchain-Netzwerk ein Mechanismus benötigt, der eine Abstimmung über die Gültigkeit eines Blocks ermöglicht. Dieser sogenannte Konsensmechanismus wird oft als die größte Innovation hinter der Blockchain und Bitcoin angesehen (Zohar 2015).

Durch einen Konsensmechanismus wurde eine Variante des in der Informatik lange bekannten Problems der byzantinischen Generäle gelöst (Zohar 2015). Ein weitverbreiteter Mechanismus, der das Problem der byzantinischen Generäle löst, ist das sogenannte Proof-of-Work-(PoW)-Schema (Zohar 2015). Das Problem der byzantinischen Generäle beschreibt eine Situation, in der sich Generäle mittels Boten über einen gemeinsamen Schlachtplan einigen müssen, wobei einige Generäle bösartig sein könnten.

Proof-of-Work-Schema

Generell soll das PoW die übermäßige beziehungsweise missbräuchliche Verwendung eines Dienstes verhindern. Das Erbringen eines PoW erfordert einen gewissen Aufwand, eine Art Benutzungsentgelt; im Falle von Bitcoin muss dabei ein rechenintensives Problem gelöst werden. Als Anreiz, den PoW durchzuführen, erhalten die Mining-Netzknoten neben eventuell in den Transaktionen inkludierten Transaktionsgebühren für jeden Block, der in die Blockchain aufgenommen wird, eine gewisse Anzahl Bitcoins. Der Mining-Netz knoten, welcher das rechenintensive Problem zuerst löst, sendet seinen Block an das Netzwerk; die restlichen Mining-Netzknoten prüfen die Lösung des Problems und nehmen den Block, falls die Lösung valide ist, in ihre Blockchain auf. Folglich gilt eine Transaktion erst dann als vollzogen, wenn sie in die Blockchain aufgenommen wurde.

Da jeder Mining-Netzknoten individuell an der Lösung des Problems arbeitet, kann es vorkommen, dass zwei Knoten ihre Lösung beinahe simultan finden und versenden, wodurch kurzzeitig mehrere Versionen einer validen Blockchain im Netzwerk bestehen; dieses Phänomen wird als Gabelung bezeichnet und tritt bei zirka 1,69 Prozent aller Blöcke auf. Um diesen Zustand wieder zu beheben, arbeiten die Mining-Netzknoten so lange auf Basis ihrer jeweiligen Blockchain weiter, bis sie über eine aktuellere Blockchain mit weiteren Blöcken benachrichtigt werden (Zohar 2015). Die jeweils "längste" bekannte Blockchain2) wird vom Netzwerk als richtig erachtet (Zohar 2015). Transaktionen, die nun möglicherweise nicht mehr in der aktuellen Blockchain enthalten sind, werden wieder in den Pool mit unbestätigten Transaktionen zurückgespeist und bei einem der nächsten Blöcke berücksichtigt. Deshalb werden etwa sechs Blöcke ab der Transaktionsvollendung als angemessene Bestätigungszeit angesehen.

Aktuelle Blockchain-Systeme sind jedoch deutlich weiterentwickelt und ermöglichen neben der dezentralen Transaktionsverwaltung und -speicherung auch die Automatisierung von Prozessen, Regularien und Organisationsprinzipien mithilfe sogenannter Smart Contracts. Smart Contracts sind als Computerprogramme zu verstehen, die Entscheidungen treffen können, wenn bestimmte Konditionen erfüllt werden. Dazu können externe Informationen als Inputs verwendet werden, die dann über die festgelegten Regeln des Vertrages bestimmte Aktionen hervorrufen (Tuesta et al. 2015). Die entsprechenden Skripte mit den Vertragsdetails werden zu diesem Zweck unter einer bestimmten Adresse in der Blockchain gespeichert. Tritt das festgelegte externe Ereignis ein, wird eine Transaktion an die Adresse gesendet, worauf die Bedingungen des Vertrages entsprechend ausgeführt werden (Tuesta et al. 2015).

Die Anwendungsmöglichkeiten von Smart Contracts sind sehr breit gefächert. Beispielsweise könnten Autos, Fahrräder oder Wohnungen über ein smartes Schloss und ein Blockchain-System ohne physische Schlüsselübergabe vermietet werden. Dazu legt der Eigentümer die Kaution und Miete in einem Smart Contract fest. Da rüber hinaus werden dort Regeln für die Zugangs-/ Nutzungsberechtigung hinterlegt (beispielsweise der Nutzer kann erst nach Zahlung der Kaution und Miete das Schloss öffnen). Sämtliche Interaktionen mit dem Blockchain-System, wie das Ausführen von Zahlungen, der Austausch des digitalen Schlüssels oder das Öffnen und Schließen des smarten Schlosses, können vom Mieter als Nutzer mithilfe des Smartphones ausgeführt werden. Die Zahlungseingänge, Berechtigungsverteilung und -verwaltung sowie die Kautionsrückzahlungen erfolgen transparent, sicher und unveränderbar über die Blockchain.

Blockchain im Zahlungsverkehr

Bei der Betrachtung von potenziellen Anwendungsbeispielen von Blockchain in der Finanzbranche reichen die diskutierten Einsatzbereiche und Prognosen von der signifikanten Verbesserung existierender Finanzdienstleistungen bis zur kompletten Verdrängung der Finanzdienstleister als Intermediäre durch die Blockchain. Derzeitige Zahlungsprozesse involvieren eine Vielzahl von Intermediären, wie Banken, Clearing-Stellen und Zentralbanken, und sind dabei sehr ressourcenintensiv. Zudem finden Abwicklungsprozesse aufgrund der vielen Intermediäre und unterschiedlichen Systeme aus Koordinations- und Kostengründen nicht kontinuierlich, sondern mehrmals pro Tag statt, wodurch zeitliche Verzögerungen entstehen. Kiviat (2015) argumentiert, dass bisherige Probleme des digitalen Zahlungsverkehrs, wie hohe Kosten und lange Transaktionszeiten, durch die Blockchain gelöst werden können.

Die Finanzbranche fokussiert sich dabei vor allem auf internationale Überweisungen. Hierbei fallen besonders hohe Gebühren an; Kiviat (2015) kalkuliert, dass die durchschnittliche Gebühr von sechs Prozent für internationale Überweisungen durch eine Blockchain-basierte Lösung auf zwei Prozent gesenkt werden kann. Zudem wird durch die kurze Abwicklungszeit das Wechselkursrisiko bei internationalen Transaktionen minimiert.

Das Unternehmen Ripple bietet eine Zahlungsplattform an, die einen schnellen und nahezu kostenfreien Währungsumtausch sowie (internationale) Überweisungen ermöglicht. Banken interagieren über das Netzwerk ohne eine zentrale Gegenpartei direkt miteinander. Durch ausgewählte Validierungsknoten wird der Konsensmechanismus und somit die gesamte Transaktionsabwicklung auf 5 bis 15 Sekunden reduziert. Über das Ripple-Netzwerk kann jegliche Währung transferiert werden. Zu diesem Zweck wird ein nativer Token verwendet, der die entsprechende Währung repräsentiert. Dieser Token wird innerhalb des Systems transferiert und kann schließlich in Bitcoin und danach in beliebige Währungen umgetauscht werden.

Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass lediglich Liquidität zwischen der jeweiligen Währung und dem Token, jedoch nicht zwischen den beiden gehandelten Währungen vorliegen muss, was insbesondere bei selten gehandelten Währungen vor teilhaft ist. Während Ripple lediglich institutionelle Kunden bedient, existieren auch Lösungen für Konsumenten. Das Unternehmen Circle beispielsweise bietet eine App an, mit deren Hilfe Konsumenten kostengünstige und schnelle Zahlungen vornehmen können, wobei Bitcoins als intermediäre Tokens dienen.

Zusätzlich zu niedrigeren Gebühren können Blockchain-basierte Zahlungssysteme für Nutzer die Sicherheit und Privatsphäre erhöhen, da Zahlungen auf dem Push-Prinzip beruhen: Kunden können Transaktionen aktiv initiieren, ohne dabei Details wie beispielsweise Bankdaten bereitzustellen. Als Vorteile für Händler ergeben sich einerseits die Minimierung von Betrug (wegen der in Blockchain-Systemen inhärenten Transaktionsirreversibilität) und anderseits geringere Kosten. Weiterhin sinkt das Risiko des Verlustes von Kundendaten, da deren Zahlungsinformationen nicht gespeichert werden müssen.

Blockchain im Kapitalmarkthandel

Da Transaktionsprozesse im Kapitalmarkthandel eine große Anzahl von Akteuren involvieren, müssen kontinuierlich Daten abgeglichen und hierfür Prozesse wiederholt werden, weshalb hohe Kosten, lange Transaktionszeiten sowie operationale Risiken auftreten.

Die Abwicklung von Wertpapiertransaktionen dauert in der Regel zwei bis drei Tage (Condos et al. 2016; Peters und Panayi 2015) und involviert mehrere Intermediäre (Bliss und Steigerwald 2006). Die lange Abwicklungszeit kann Kredit- und Liquiditätsrisiken hervorrufen (Condos et al. 2016) und erhöht des Weiteren das Kontrahentenrisiko (Peters und Panayi 2015). Durch die Verwendung einer "Konsortiums-Blockchain" können die Kosten und die Komplexität in der Transaktionsabwicklung signifikant reduziert und die Abwicklungszeit auf Minuten beziehungsweise Sekunden verringert werden (Peters und Panayi 2015), da die Parteien direkt miteinander handeln. Durch die Verkürzung der Zeitspanne werden sowohl das operationale als auch das Kontrahentenrisiko reduziert, wodurch sich potenziell auch die Eigenkapitalanforderungen für Banken verringern könnten (Condos et al. 2016). Das Kredit- und Liquiditätsrisiko könnte effektiv eliminiert werden, da in Blockchain-Systemen aufgrund ihrer Funktionsweise automatisch das Vorhandensein entsprechender Mittel vor dem Handel geprüft wird.

Aktuell wird in mehreren branchenweiten Initiativen an der Umsetzung solcher Lösungen gearbeitet (Peters und Panayi 2015), wobei exemplarisch das Unternehmen SETL vorgestellt werden soll. SETL arbeitet an einer spezialisierten Blockchain-Infrastruktur, die es Marktteilnehmern erlaubt, Wertpapiertransaktionen direkt abzuwickeln. Der Abwicklungsprozess einer Transaktion geschieht dabei in Echtzeit. Es ist jedoch anzumerken, dass die Transaktionsabwicklung diversen regulatorischen Bestimmungen unterliegt und derzeit noch nicht abschätzbar ist, inwieweit die Blockchain Risiken tatsächlich reduziert. Auch die DTCC (2016) kritisiert, dass die Realisierung von Echtzeit-Abwicklungen nicht von der Blockchain, sondern vielmehr von der Modernisierung aktueller Gesetze abhängt.

Im Umfeld des Kapitalmarkts findet die Blockchain zudem Verwendung, indem Unternehmensanteile in Blockchain-Systemen abgespeichert und verwaltet werden. Ein prominentes Praxisbeispiel dieser Anwendung ist die Plattform Nasdaq Linq (NASDAQ 2015). Um Eigentumsanteile oder Rechte zu registrieren und transferieren, wird hierbei ein auf Bitcoin basierender Colored-Coins-Ansatz verwendet. Es ist zu beachten, dass dabei nicht der tatsächliche Wert der Anteile in Bitcoins abgebildet, sondern lediglich eine Information über den Wert der Anteile repräsentiert wird. Die Implikationen dieses Anwendungsfalles für unterschiedliche Stakeholder werden von Yermack (2015) diskutiert, wobei vor allem Transparenz sowie der vereinfachte Handel mit Anteilen Gegenstand der Diskussion sind.

Zwei Einsatzmöglichkeiten im Bereich Compliance

In Bereich Compliance werden vor allem zwei Einsatzmöglichkeiten der Blockchain diskutiert: Zum einen der Einsatz als zentrales Register zur konsolidierten Buchführung und zum anderen der Einsatz als "Konsortiums-Blockchain" für Kundendaten.

Im ersteren Anwendungsfall unterhalten Banken aktuell eine Vielzahl unterschiedlicher Kontenbücher für verschiedene Zwecke. Zudem implementieren Banken diverse Maßnahmen, um Fehlverhalten in der Buchhaltung zu verhindern (Peters und Panayi 2016). Dies umfasst typischerweise die Durchführung verschiedener Datenintegritätsprozesse und die Verteilung der Verantwortung für die Aufnahme finan zieller Daten in die Bücher. Durch die Verwendung von Blockchain-Systemen können diese Prozesse weitgehend automatisiert werden (Peters und Panayi 2016).

Nützlich erscheint hierbei besonders die Umgehung des Double-Spending-Problems in Blockchain-Systemen. Manipulationen in der Buchhaltung, wie beispielsweise das Zurückdatieren von Verträgen auf andere Perioden, können durch die Irreversibilität und zuverlässige Zeitstempel von Transaktionen verhindert werden (Yermack 2015). Das Unternehmen Balanc3 verwendet diese Eigenschaften der Blockchain bereits, um entsprechende Buchhaltungssysteme mit hoher Datenintegrität anzubieten (Peters und Panayi 2015).

Im zweiten Anwendungsfall birgt die Erfüllung diverser Gesetze und Regelungen zur Geldwäscheprävention wie beispielsweise "Know Your Customer" (KYC) für Finanzinstitute hohe Kosten und verzögert Transaktionen teilweise maßgeblich. Zudem werden KYC-Prozesse in unterschiedlichen Finanzinstituten jeweils individuell durchgeführt. Ein branchenweites Kundenregister basierend auf einem Blockchain-System könnte den mehrfachen Aufwand hinsichtlich der KYC-Überprüfungen eliminieren sowie die verschlüsselte Übertragung von Kundendaten erleichtern. Es existieren bereits einige Anbieter, die derartige Lösungen anbieten unter anderem EY und KYC-CHAIN.

Die Blockchain ist eine junge, sich rapide weiterentwickelnde Technologie, die vielfältige Einsatzmöglichkeiten verspricht. Wie Giaglis und Kypriotaki (2014) konstatierten, werden die Ergebnisse der Forschung über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologie bestimmen. Generell fällt die mehrheitliche Meinung über die Möglichkeiten der Blockchain momentan sehr euphorisch aus. Das World Economic Forum (2016) veröffentlichte kürzlich eine Studie zu Blockchain und formulierte darin, dass bis 2027 mehr als zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts mit der Blockchain-Technologie abgewickelt werden. Zudem prognostiziert das Beratungshaus Roland Berger (2017), dass die Blockchain-Technologie schon in den nächsten fünf Jahren die Hebung von Einsparpotenzialen in Milliardenhöhe ermöglicht.

Vielversprechende Eigenschaften

Zweifellos weist die Blockchain-Technologie vielversprechende Eigenschaften auf, die sie für den geschäftlichen Einsatz äußerst interessant machen. Hierzu gehört vor allem, dass die Verwaltung durch ein dezentrales (Peer-2-Peer) Netzwerk erfolgt, wodurch zentrale Autoritäten in vielen Szenarien überflüssig werden könnten. Weitere Vorteile von Blockchain liegen in der unveränderbaren Transaktionshistorie durch kryptografische Prinzipien und Verkettung sowie der vollständigen Transparenz und Pseudonymität.

Zudem liegen nicht zuletzt große Nutzenpotenziale der Blockchain in der Eigenschaft, dass immaterielle Dokumente und Vermögenswerte via Code ausgedrückt werden können und in der Blockchain gespeichert werden, sowie dem strikten agieren von Blockchain-Applikationen nach zuvor vereinbarten Regeln (Smart Contracts).

Aufgrund dieser Eigenschaften bietet Blockchain potenzielle Vorteile in verschiedenen Bereichen. Hierzu gehören Kostenreduktionen durch Umgehung von intermediären Diensten sowie Risikoreduktion durch Daten- und Prozessintegrität. Des Weiteren sehen wir großes Potenzial für Transaktionsabwicklungen und -verifikation in (nahezu) Echtzeit sowie der Automatisierung von Geschäftsvorfällen mithilfe von Smart Contracts. Aus unserer Sicht ist die Blockchain-Technologie demnach immer dann von großem Potenzial, wenn aus Kosten-, Zeit- oder politischen Gründen Intermediäre im Prozess umgangen werden können oder sollen, eine rückwirkende Unveränderbarkeit der Transaktionen sowie eine exakt vorgegebene Durchführung sinnvoll oder erforderlich ist oder eine dezentrale und autonom agierende Technologie vorteilhaft eingesetzt werden kann oder soll.

Grundlegende Forschungs- und Entwicklungsherausforderungen

Entsprechend ergeben sich viele interessante Anwendungsoptionen und branchenübergreifende Blockchain-Szenarien. Die Technologie weist jedoch noch grundlegende Forschungs- und Entwicklungsherausforderungen auf, sodass der ultimative Einfluss der Technologie noch abzuwarten bleibt. Eines erscheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen allerdings sicher: Die Blockchain wirft viele neue Fragen auf, die aus technischer, wirtschaftlicher und regulatorischer Perspektive weiter tiefgründig erforscht werden müssen.

Wir sind daher der Meinung, dass das Engagement von Wirtschaft und Wissenschaft nötig ist, um das Potenzial der Blockchain-Technologie umfänglich zu untersuchen und auszuschöpfen. Des Weiteren empfehlen wir, einen multidisziplinären Ansatz zu verfolgen, der sowohl die Entwicklung der Basistechnologien als auch die Entwicklung von Applikationen umfasst und eine Wirtschaftlichkeitsbegutachtung sowie die Eruierung neuer Governance-Modelle berücksichtigt.

Literaturverzeichnis

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Giaglis, G. M. and Kypriotaki, K. N. (2014) Towards an Agenda for Information Systems Research on Digital Currencies and Bitcoin, in: Business Information Systems Workshops. BIS 2014 International Workshops, Larnaca, Cyprus, May 22-23, 2014, Revised Papers, W. Abramowicz and A. Kokkinaki (eds.). Springer International Publishing, Basel, Cham: 3-13.

Kiviat, T. I. (2015) Beyond Bitcoin: Issues in Regulating Blockchain Transactions, Duke Law Journal, 65, 3, 569-608.

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Peters, G. W. and Panayi, E. (2015) Understanding Modern Banking Ledgers through Blockchain Technologies: Future of Transaction Processing and Smart Contracts on the Internet of Money, Abgerufen am 3.6. 2016, von http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=2692487.

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Schlatt, V., Schweizer, A., Urbach, N, and Fridgen, G. (2016) Blockchain: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale. Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT).

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Yermack, D. (2015) Corporate Governance and Blockchains, Abgerufen am 3.6. 2016, von http://www.nber.org/papers/w21802.pdf.

Zohar, A. (2015) Bitcoin: Under the Hood, Communications of the ACM, 58, 9, 104-113.

Fußnoten

1) Dieser Beitrag stellt einen Auszug wichtiger Inhalte des Fraunhofer White Papers zu "Blockchain: Grundlagen, Anwendungen und Potenziale" der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT dar. Diese Veröffentlichung ist erhältlich unter https://www.fit.fraunhofer.de/de/fb/cscw/blockchain.html

2) Tatsächlich adoptieren die Netzknoten die Blockchain, für welche die höchste aggregierte Rechenleistung in Form des PoW aufgewendet wurde (Zohar 2015).

Dieser Beitrag basiert auf einer Rede des Autors beim Zahlungsverkehrssymposium der Deutschen Bundesbank am 18. Mai 2017 in Frankfurt am Main.

Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

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