Charmeoffensive aus Paris: Französische Fondsboutiquen in Deutschland

Emeric Préaubert, Mitgründer von Sycomore Asset Management und Fondsmanager Sycomore Partners Fonds, Paris

Emeric Préaubert, Mitgründer von Sycomore Asset Management und Fondsmanager Sycomore Partners Fonds, Paris - Während Fondsboutiqen unterschiedlicher Größenordnung in Frankreich ein vergleichsweise großes Marktgewicht erreicht haben und jedes Jahr ein beachtliche Zahl von Neugründungen hervorbringen, registriert der Autor hierzulande nur eine kleine Gruppe dieser spezialisierten, oft inhabergeführten Häuser. Einen wichtigen Grund für den Gründerboom in Frankreich sieht er dabei in der großen Offenheit des Systems für Neuzugänge aus dem In- und Ausland sowie in der Verpflichtung der großen Player zu einer öffentlichen Ausschreibung ihrer Mandate. (Red.)

Unabhängige Fondsboutiquen haben über die letzten 15 Jahre im französischen Markt für Asset Management stark an Einfluss gewonnen. Von den rund 630 Fondsgesellschaften in Frankreich sind etwa 450 Unternehmen solche unabhängigen Fondsmanager, von großen Gesellschaften wie Carmignac und Comgest bis zu kleinen Anbietern wie Mandarine Gestion, Métropole Gestion oder Moneta AM. Allein in den letzten fünf Jahren wurden rund 200 Boutiquen neu gegründet. Der Boom der inhabergeführten Gesellschaften liegt auch an der wachsenden Offenheit der französischen institutionellen Investoren, die auch kleine Asset Manager an Auswahlverfahren beteiligen. Und die Boutiquen haben ihre Chancen genutzt und Exzellenz in den Feldern Strategie, Erträge, Service und Produktportfolio bewiesen.

Spezialisten in der Nische

In Deutschland haben Boutiquen bisher keinen vergleichbaren Marktanteil erobern können. Dabei wäre die Struktur der institutionellen Investoren dafür eigentlich optimal. Denn hier gibt es bei den potenziellen Kunden viele kleine Player wie ärztliche Versorgungswerke, regionale Versicherungen und Sparkassen, die von solchen Partnern profitieren könnten. Sie bieten zum Beispiel unabhängiges High Conviction Management, indexunabhängige Konzepte und Service auf Augenhöhe.

Die grundsätzliche Bereitschaft, die Gelder auch in die Hände von kleineren Häusern zu geben, ist bei institutionellen Investoren in Deutschland durchaus vorhanden. Einer Umfrage der Feri Euro Rating unter institutionellen Anlegern zufolge vertrauen die Profiinvestoren den kleineren Häusern sogar stärker als den großen Konzerntöchtern. Boutiquen gelten als klein, aber fein, als hochspezialisiert in der Nische und in ihren jeweiligen Strategien oft auch als überdurchschnittlich bei der Generierung von Alpha. Und sie können häufig in genau den Bereichen punkten, die Kunden besonders wichtig sind: bei der personellen und organisatorischen Stabilität, die auf einer Skala von null (unwichtig) bis 100 (sehr wichtig) mit 78 Punkten von den Kunden deutlich mehr geschätzt wird als zum Beispiel die Reputation auf Produktebene, der von den 138 befragten Banken, Versicherungen, Stiftungen und Pensionskassen nur 64 Punkte zugeordnet wurden.

Beste Voraussetzungen also für unabhängige französische Spezialisten, sich auch auf dem deutschen Markt zu engagieren? Ganz so einfach ist es nicht, der Markt in Deutschland ist, ähnlich wie in Frankreich, von starkem Wettbewerb geprägt und hart umkämpft. Dennoch haben gerade Pariser Boutiquen durch ihren Heimatmarkt einen besonderen Startvorteil. Zusammen mit dem richtigen Produktangebot und dem strategischen Blick für die richtigen Zielgruppen können französische Fondsboutiquen in Deutschland sehr erfolgreich sein. Französische Boutiquen haben zu Hause eine starke Basis: Mit einem verwalteten Vermögen von rund 3 600 Milliarden Euro ist Frankreich der größte Markt für Vermögensverwaltung in Kontinentaleuropa und gut doppelt so groß wie Deutschland. Französische Fondsgesellschaften managen derzeit rund 20 Prozent aller Gelder in Europa, nur Großbritannien ist mit einem Marktanteil von rund 37 Prozent noch größer. Deutschland folgt mit 10 Prozent Marktanteil auf Platz drei.

Gründerboom in Frankreich

Was den französischen Markt so besonders macht, ist die große Zahl der unabhängigen Asset Manager sowie die vielen Neugründungen: Jedes Jahr werden zwischen 30 und 50 neue Gesellschaften von der französischen Aufsicht zugelassen. Damit steht Frankreich in Kontinentaleuropa unangefochten an der Spitze, was die Anzahl der inhabergeführten Häuser angeht: Nach einem Marktüberblick des europäischen Branchenverbands der Fondsgesellschaften EFAMA aus dem Jahr 2015 sind 77 Prozent der Fondsgesellschaften in Frankreich inhabergeführt, mehr sogar als im größten Markt Großbritannien (70 Prozent). In Deutschland sind von den rund 300 registrierten Fondsgesellschaften dagegen nur etwa 28 Prozent unabhängig, 72 Prozent der Anbieter sind Tochtergesellschaften von Banken oder Versicherungsunternehmen. Auch die Konzentration der Industrie ist in Frankreich geringer als in Deutschland: Laut EFAMA verwalten die größten 5 Fondsgesellschaften in Frankreich etwa 68 Prozent aller Kundengelder. In Deutschland teilen sich die Top 5 sehr viel mehr der Assets under Management, ihr Marktanteil liegt bei rund 94 Prozent.

Ein wichtiger Grund für den Gründerboom in Frankreich liegt dabei in der großen Offenheit des Systems für Neuzugänge aus dem In- und Ausland. Der Wettbewerb ist zwar hoch, doch jeder bekommt die Chance, sich zu beweisen. Denn die institutionellen Investoren sind nicht nur gegenüber kleinen oder jungen Anbietern aufgeschlossen, wenn sie ihre Investmentstrategien validieren konnten. In der Regel wird auch in Frankreich von vielen Institutionellen ein Trackrecord von mindestens drei Jahren verlangt.

Öffentliche Ausschreibung der Mandate

Offen ist auch der Zugang, denn die großen Player in Frankreich müssen ihre Mandate öffentlich ausschreiben. Das macht den Käufermarkt transparent und reduziert den Vertriebsaufwand enorm. Demgegenüber stehen Mandate, die nur über Consultants ausgeschrieben werden oder einem kleinen Kreis bekannter Adressen und etablierter Schwergewichte für bestimmte Assetklassen oder Strategien vorbehalten bleiben.

Wer im Auswahlprozess mit seinem Investmentansatz, der Performance und dem Risikomanagement überzeugen kann, kann auch als kleines Haus große Mandate gewinnen. Sycomore Asset Management als 2001 gegründete Boutique zum Beispiel verwaltet bereits heute mehrere hundert Millionen Euro für zwei der größten staatlichen Versorgungswerke, die ERAFP und die FRR. Dabei ist die Zahl der institutionellen Kunden für Fondsboutiquen mit Aktienfokus sehr überschaubar. Nur rund 100 professionelle Anleger sind für einen Stockpicker wie Sycomore AM in Frankreich überhaupt interessant.

Gerade die im Heimatland besonders erfolgreichen französischen Boutiquen werden öfter von erfahrenen Fondsmanagern gegründet, die als Team bereits erfolgreiche Investmentstrategien entwickelt und in professionellen Strukturen als Portfoliomanager betreut haben. Bei der Sycomore Asset Management waren die Gründer zum Beispiel vier Anlagespezialisten, deren Schritt in die Selbstständigkeit von dem Wunsch getrieben war, die eigenen Strategien unabhängig von Konzernvorgaben undinteressen umzusetzen. Entsprechend bringen solche Teams auch umfangreiche Erfahrung im Umgang mit institutionellen Investoren mit, was die Ansprache, die Betreuung und die aufzubauenden Prozesse betrifft.

Zwar gibt es auch in Deutschland exzellente, inhabergeführte Häuser und spezialisierte Boutiquen wie Flossbach von Storch, DJE oder Lingohr und Partner. Anders als in Frankreich entstehen solche Fondsanbieter aber eher aus Vermögensberatungsgesellschaften heraus, die erfolgreiche Anlagekonzepte zur besseren Vermarktung und Verwaltung in einen Fondsmantel überführen und dann vom Privatkundengeschäft auch in Richtung institutionelle Kunden expandieren. Auch dieser Weg kann funktionieren, ist jedoch in der Regel sehr viel länger und beschwerlicher als der direkte Einstieg in den Markt. Zudem braucht ein professioneller Asset Manager ein Anlagevermögen von 20 bis 40 Millionen Euro, um einigermaßen professionell und profitabel arbeiten zu können. Solche Summen lassen sich mit einem guten Investmentansatz im institutionellen Geschäft schneller erreichen, als das im Markt für private Investoren möglich ist.

Auf der Kundenseite ist der Markt der institutionellen Investoren in Deutschland deutlich fragmentierter als in Frankreich. Statt zentraler, öffentlicher Versorgungswerke gibt es zahlreiche regionale Versicherungen und Pensionskassen, die einen Großteil der potenziellen Kunden ausmachen. Laut Feri-Studie vergeben diese Kunden eine durchaus große Zahl unterschiedlicher Mandate. Allein die befragten 138 Institutionellen halten zum Beispiel insgesamt 850 Mandate bei 122 verschiedenen Asset Managern.

Aus der Nische in die Nische: Chancen für die Franzosen in Deutschland

Im Vergleich zu Frankreich ist der Vertrieb in diese Kundengruppe hinein jedoch sehr viel aufwendiger. Mehr Ansprechpartner, weniger Transparenz in den Ausschreibungen und eine stärker spürbare Zurückhaltung gegenüber jüngeren und kleineren Anbietern machen diese Kundengruppe nicht zur ersten Wahl für Spezialanbieter. Dazu kommt, dass insbesondere Deutsche Versicherungen weiterhin nur zu geringen Teilen in Aktien investieren.

Deutlich offener für neue Konzepte der jungen französischen Boutiquen sind dagegen die kleinen Spezialisten in Deutschland wie Vermögensverwalter, Privatbanken und Family-Offices, die für ihre Kunden gezielt nach frischen Ideen und erfolgreichen Ansätzen besonders im Bereich der vermögensverwaltenden Konzepte suchen. Gerade fundamentales Stockpicking und High-Conviction-Konzepte gelten in Deutschland ohnehin als französische Kompetenz. Bei diesen Investoren sind zudem die benchmarkfrei investierenden Fonds wie der Sycomore Partners Fonds erfolgreich, der auf wenige, aber ausgewählte europäische Aktien setzt und in dem auch ein erheblicher Anteil des Inhabervermögens der Gesellschafter und Fondsmanager verwaltet wird. Dieser Vertrauensbeweis in die eigenen Produkte wird gerade von den unternehmerisch denkenden kleinen Häusern und ihren Kunden besonders geschätzt. Darüber hinaus mögen die Kunden die Flexibilität und Schnelligkeit, mit der die kleinen Player auf Sonderwünsche für Mandate, Spezialfonds oder besondere Reportinganforderungen reagieren können.

Mit Erträgen überzeugen

Für beide Märkte und über alle Zielkunden hinweg gilt: Wer gegen die Schwergewichte unter den Fondshäusern und im Wettbewerb gegen ETFs und Indexfonds bestehen will, muss vor allem Erträge generieren. Exzellenz im Asset Management und wettbewerbsfähige Renditen sind der Grund, warum institutionelle Kunden in Produkte einsteigen und ihnen treu bleiben. Zusätzlicher Nutzen entsteht für immer mehr Kunden aber auch aus besonderen Schwerpunkten wie zum Beispiel Länder- oder Themenkompetenzen oder einem starken Nachhaltigkeitsfokus.

Sycomore zum Beispiel setzt seit der Gründung ein selbstentwickeltes, umfassendes SRI-Screening (SRI = Sustainable and Responsible Investment) ein, das als zusätzliche Kennzahl in alle Einzeltitelbewertungen mit einfließt und zudem als Basis für die unternehmenseigene Fondsreihe mit Nachhaltigkeitsfokus dient. Daran anknüpfend sind aktuell vor allem thematische Faktor-Fonds gefragt, die auf Nachhaltigkeit als Alphaquelle setzen. Besonders erfolgreich läuft aktuell ein Themenfonds, der Faktoren wie die Mitarbeiterzufriedenheit von Unternehmen besonders berücksichtigt. Auch dieses Investmentkonzept soll 2017 in Deutschland zum Vertrieb zugelassen werden. Hier ist der deutsche Markt Frankreich sogar deutlich voraus, denn an Nachhaltigkeitsthemen sind die Deutschen insgesamt stärker interessiert als die Franzosen.

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