Fintechs und Vermögensverwalter: Vorteile für beide Seiten

Abbildung 1: Top-3-Wikifolios von Vermögensverwaltern Quelle: Wikifolio.com

Andreas Kern, Gründer und CEO, wikifolio Financial Technologies AG, Wien, Hans Hinkel, Direktor, HINKEL & Cie. Vermögensverwaltung AG, Düsseldorf - Die Reaktionen der etablierten Finanzdienstleister auf die Herausforderung Fintech sind derzeit ein viel diskutiertes Thema. Einen Beitrag zum Diskurs liefern die Autoren mit ihrer Analyse der Auswirkungen des Social Trading auf Vermögensverwalter. In diesem Bereich sehen sie große Chancen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Ein Vermögensverwalter aus Düsseldorf nutzt die Onlineplattform seit Juni 2015 für eigene Handelsideen. Sie werden Anlegern unter anderem als Beimischung fürs Depot empfohlen. Das Unternehmen sieht die Plattform vor allem als Zugangsweg zu jungen, onlineaffinen Anlegern und baut auf den Generationsund Mentalitätswechsel bei den Kapitalanlegern. (Red.)

In der Finanzbranche ist Fintech eines der Buzzwords des Jahres 2015 und des beginnenden Jahres 2016. Treiber des Themas ist die Diskussion über die digitale Transformation ganzer Industrien (Industrie 4.0). Insbesondere Marktakteure, die um ihre Existenz fürchten müss(t)en, haben Fintech-Unternehmen lange ignoriert. Danach zeigten viele etablierte Finanzdienstleister Vorbehalte und gingen auf Distanz. Inzwischen haben wesentliche Player (zum Beispiel Deutsche Bank und Commerzbank) die Herausforderung angenommen.

Gewinne gefährdet

Nach der Musik-, Tourismus- und Buchbranche hat der digitale Wandel auch Banken und Finanzdienstleistungsunternehmen erfasst. Das Volumen der Transaktionen auf dem europäischen Fintech-Markt ist seit 2013 um über 140 Prozent gestiegen. Deutschland liegt mit 236 Millionen Euro auf Platz drei. Nach einer Studie von McKinsey sind in den nächsten zehn Jahren rund 60 Prozent der Gewinne von Banken durch Fintechs gefährdet.

Im Umgang mit den neuen Akteuren am Finanzmarkt können bei Banken und Finanzdienstleistern aktuell zwei Strategien beobachtet werden: Kooperationsmodelle und die Entwicklung eigener Lösungen.

So haben Deutsche Bank und Commerzbank jüngst erhebliche Mittel für Investitionen in die Digitalisierung bereitgestellt und eigene Fintech- und Innovation-Labs beziehungsweise Fintech-Beteiligungsgesellschaften gestartet. Deutschlands größte Bank will pro Jahr bis zu 500 Fintechs bewerten und mögliche Kooperationen ausloten. Die Hypovereinsbank hat eine Kooperation mit der TU München gestartet. Die ING-Diba hat entschieden, sich nicht an Fintech-Unternehmen zu beteiligen, sondern auf Kooperation zu setzen. Laut einer Studie von Endava & Komm alpha (Asset Management 2.0) betrachten drei Viertel der deutschen Investment Manager Fintech-Unternehmen nicht oder nur in geringem Maße als Wettbewerber. Eine Zusammenarbeit innerhalb der nächsten zwölf Monate planen 65 Prozent der institutionellen Investoren.

Jüngere, internetaffine Kapitalanleger als Zielgruppe

Insbesondere an der Schnittstelle zwischen den Finanzdienstleistern und ihren Kunden setzen viele Fintech-Unternehmen an, um ihrer vor allem jungen und internetaffinen Klientel schnelle, einfache und jederzeit verfügbare Services zu bieten - so auch in der Kapitalanlage. Zwei Trends sorgen seit dem letzten Jahr für Furore: Robo Advisory bietet Kapitalanlegern eine einfache, vollständig automatisierte Onlinevermögensverwaltung zu günstigen Gebühren. Social Trading setzt auf die Anlagestrategien von privaten Tradern und professionellen Vermögensverwaltern.

Beide Angebote wenden sich in erster Linie an Selbstentscheider in der Kapitalanlage. Nach einer repräsentativen Umfrage der GfK Marktforschung im Auftrag von wikifolio.com treffen bereits ein Fünftel der Bürger ihre Geldentscheidungen eigenständig, ohne Berater von Finanzdienstleistern hinzuziehen. Mit zunehmender Transparenz und einfacheren Anlageprodukten wird ihr Anteil weiter steigen. Doch während bei Robo Advisory vielen Vermögensverwaltern eine echte Konkurrenz droht, bieten sich beim Social Trading Chancen zur Zusammenarbeit.

Marktchance für Vermögensverwalter

Waren Portfolio- und Asset Management bisher Domänen von Professionals, so haben in den letzten Jahren private Trader erfolgreich Anleger auf sich aufmerksam machen können. Beim Social Trading auf der Plattform können sie ihre Anlagestrategien als eigene Wertpapiere auflegen. Dafür steht ihnen ein breites Anlageuniversum aus Aktien, Fonds, ETFs, Zertifikaten und Hebelprodukten zur Verfügung.

Interessierte und investierte Anleger können sämtliche Handelsaktivitäten, Kennzahlen und Kommentare der Vermögensverwalter rund um die Uhr online und in Realtime einsehen. Außerdem können sie Kontoauszüge mit Kursen aller Wertpapiere, Gebühren und Ertragsgutschriften abrufen. Die Wikifolio-Zertifikate werden über die Börse Stuttgart (Euwax) gehandelt und können bei jeder Bank oder Sparkasse gekauft werden. Sie sind vor allem zur aktiven Beimischung geeignet und ermöglichen insbesondere in stagnierenden oder stark volatilen Börsensituationen eine verbesserte Performance. Für Umschichtungen in den Wikifolios fallen keine Kosten an.

Was auf den ersten Blick wie eine neue Konkurrenz aussieht, eröffnet auf den zweiten Blick zusätzliche Marktpotenziale: Denn die einfache und transparente Darstellung ermöglicht, wieder mehr Menschen an die Kapitalanlage heranzuführen und für Aktien, Fonds und ETFs zu begeistern.

Angebot von Vermögensverwaltern

Professionelle Vermögensverwalter stehen unter starkem Druck, ihre Kompetenz und Leistung im Portfolio-Management zeitnah, transparent und nachvollziehbar zu vermitteln. Viele haben dafür in der Vergangenheit eigene Investmentfonds aufgelegt. Die Zulassung dauert typischerweise einige Monate und kostet mehrere 10 000 Euro. Auf Wikifolio.com werden Handelsideen als Basis für Wertpapiere mit eigener ISIN veröffentlicht. Nach vier bis sechs Wochen kann ein Wikifolio-Indexzertifikat aufgelegt werden - ohne zusätzliche Kosten.

Damit können Vermögensverwalter ihren Mandanten eine innovative, faire und günstige Alternative zu herkömmlichen Anlageprodukten anbieten. Knapp zehn Prozent aller Vermögensverwalter in Deutschland nutzen bereits diese Möglichkeit. Derzeit bieten 40 Vermögensverwalter insgesamt 85 Wikifolios an.

Mit ihren Investment-Kommentaren auf der Plattform können Vermögensverwalter Kompetenz bei Interessierten und Anlegern zeigen. Zusätzlich erhöhen sie ihre Reichweite über die Internetseiten der Kooperationspartner wie beispielsweise Comdirect Bank, Consorsbank, Onvista, Wallstreet Online oder Finanzen 100. Damit eröffnen sie sich vor allem Zugang zu neuen, jüngeren Anlegergruppen, die sich bei ihren Anlageentscheidungen online informieren, aber auf die Erfahrung von professionellen Anlegeexperten nicht verzichten möchten.

Anlagestrategien

Von zentraler Bedeutung sind dabei die Größe der Community und die Bekanntheit der Internetplattform. Sie ist nach einer Studie der Beratungsunternehmen Kommalpha und Endava mit rund 80 Prozent die mit Abstand bekannteste Fintech-Marke bei Kapitalmarkt-Professionals in Deutschland. Die Nutzer haben bislang über 12 000 Wikifolios veröffent licht - mehr als 4 000 davon sind investierbar.

Die Strategien der Vermögensverwalter reichen von Dividenden-, ETF- und Nebenwerte-Strategien über kurz-, mittel- und langfristige Investitionsstrategien oder auch Schwerpunktsetzung nach Ländern und Kontinenten. Viele Professionals sind mit mehreren Handelsideen auf der Plattform vertreten. Dadurch können sie verschiedene Anlegergruppen mit unterschiedlichen Risikoneigungen ansprechen.

Basis für eigene Handelsideen

Die jeweiligen Strategien werden für die Anleger durch eine detaillierte Beschreibung sichtbar: Handelsidee, aktuelle Depotzusammensetzung, sämtliche Trades, Trader-Kommentare sowie Performanceangaben für einen, drei, sechs und zwölf Monate sowie seit Beginn und Emission (Abbildung 1). Außerdem werden Filter für Risikokennzahlen wie Sharpe Ratio und maximaler Verlust angeboten.

Die Hinkel & Cie. Vermögensverwaltung AG in Düsseldorf nutzt die Onlineplattform seit Juni 2015 für eigene Handelsideen. Während viele Vermögensverwalter die Assets ihrer Kunden nach fundamentalen Kriterien auswählen, verfolgen die Düsseldorfer einen Trendfolge-Ansatz. Dabei werden Wikifolio-Zertifikate zur Absicherung den Depots von Bestandskunden beigemischt (Overlay-Wertsicherungskonzept). Je nach Renditeerwartung und Risikoneigung der Klienten beträgt der Anteil rund fünf Prozent. Mit diesem Ansatz wird dem in Deutschland stark verankerten Sicherheitsbedürfnis Rechnung getragen.

Mit dem Wikifolio-Zertifikat Relativer Performance Star können Anleger auch bei fallenden Märkten Ruhe bewahren. Der marktneutrale Ansatz strebt aufgrund des niedrigen Zinsniveaus eine Zinsersatzlösung an. Hierzu investieren die Asset Manager in 32 Outperformer-Aktien aus acht gleichgewichteten Märkten Europas. Zudem wird die Geldanlage über den ETF EuroStoxx 50 Short abgesichert. Die Aktien werden unterjährig rollierend überprüft und gegebenenfalls neu gewichtet. Während die Benchmark, Overall Corporate Bonds Index, seit Erstellung des Wikifolios im Oktober 2015 etwa 5,5 Prozent an Wert verloren hat, konnte der Relative Performance Star um 0,8 Prozent zulegen. Der maximale Verlust betrug weniger als 5 Prozent (siehe Abbildung 2).

Einen anderen Ansatz verfolgt die Anlagestrategie Top Metal & Mining Outperformance Star. Sie investiert in Aktienwerte mit Outperformance im Global Metal- & Mining-Index. Durch analysierte, gleichgewichtete Outperformer-Aktien soll auf mittlere Sicht ein Mehrwert gegenüber der Benchmark erzielt werden. Zugleich sollen Fehlinvestments in nichtperformende Aktien systematisch vermieden werden.

Zur Absicherung des Wikifolios kann bei Verletzung des Aufwärtstrends ein Short-ETF beigemischt werden. Das zugehörige Wikifolio-Zertifikat wurde im November 2015 emittiert und hat seither eine Performance von knapp 34 Prozent hingelegt (siehe dazu Abbildung 3). Das entspricht einer Outperformance des S&P/TSX Global Mining Index in Höhe von gut 23 Prozentpunkten.

Ergebnisse und Erfahrungen

Im vergangenen Jahr haben alle Wikifolios von Hinkel & Cie. ihre Benchmark geschlagen, auch wenn nicht jedes im positiven Bereich lag. Die Vermögensverwalter aus Düsseldorf haben ihre eigenen Kunden überzeugen können, zur schnellen Absicherung ihrer Depots durch ein Overlay-Wertsicherungskonzept in Wikifolio-Zertifikate zu investieren. Doch auch der Anteil der Investitionen neuer Anleger, die über die Plattform akquiriert werden, steigt.

Mit ihren Wikifolios verkürzt Hinkel & Cie. den Marktzugang für neue Produkte und Services und zeigt Expertise, Leistung und Performance transparent und in Echtzeit. Wesentliche Vorteile, die der Vermögensverwalter an seine Kunden weitergibt, sind: einfache Benutzung, Schnelligkeit, hervorragende Orderausführung, erweiterte Handelszeiten und gebührenfreie Transaktionen. Damit trägt der Vermögensverwalter dem Generations- und Mentalitätswechsel bei Kapitalanlegern Rechnung. Ihm ist es gelungen, neue, internetaffine Zielgruppen anzusprechen und zu erreichen. Durch die Kooperation war es möglich, neue Wege zu gehen und innovative Lösungen einzusetzen, um den Kundennutzen noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen.

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