Wie geht es weiter mit dem Markt für Mittelstandsanleihen? - ein Blick in die Glaskugel

Emissionsvolumen in Millionen Euro und Anzahl der begebenen Mittelstandsanleihen Quelle: Statista

Prof. Dr. Diethard B. Simmert, Studiengangsleiter "Finance & Management", International School of Management (ISM), Dortmund, Frankfurt, und Carmen Mausbach, Niederkassel - Nachdem in den vergangenen Jahren viele Emittenten von Mittelstandsanleihen ihre Zahlungsunfähigkeit erklärt haben, sind die Emissionsaktivitäten weitgehend zum Erliegen gekommen. Viele namhafte Experten halten das Mittelstandssegment deshalb auch für tot. Einige Optimisten sehen aber auch Erholungspotenzial. Wie steht es nun um den Markt für Mittelstandanleihen? Die Autoren klingen eher verhalten und bescheinigen dem Segment angesichts der Ausfälle für das abgelaufene Jahr 2015 und für den Beginn des laufenden Jahres keinesfalls die Wende und verweisen bei allen Zwischenerfolgen bei der Platzierung auf eine Vielzahl von Fälligkeiten im kommenden Jahr. (Red.)

Bis zum Jahr 2013 hat der Markt für Mittelstandanleihen einen steilen Aufstieg erfahren. Konkret belief sich das Emissionsvolumen deutscher Mittelstandsanleihen im genannten Jahr auf insgesamt 2,352 Milliarden Euro und es wurden insgesamt 46 Anleihen emittiert. Gegenüber dem Vorjahr, in dem noch 34 Anleihen mit einem Volumen von 1,243 Milliarden Euro platziert worden waren, entspricht das einem Plus von 1,109 Milliarden Euro oder rund 90 Prozent. Die Hoffnung, dass sich die Mittelstandsanleihe auch in den Folgejahren als gute Alternative zur klassischen Kreditfinanzierung über Banken etablieren wird, hat sich jedoch spätestens im Jahr 2014 zerschlagen. Denn Pleiten und Forderungsverzichte vonseiten der Gläubiger haben das bis dahin positive Marktgeschehen deutlich getrübt und dem Mittelstandssegment den Ruf als Tummelplatz für Betrüger eingebracht.

Deutlich weniger Emissionen

Entsprechend ließen die Emissionsaktivitäten deutlich nach. Im Ganzen wurden 2014 wurden nur noch 30 Anleihen mit einem Emissionsvolumen von 1,614 Milliarden Euro emittiert. Viele Experten blickten zu diesem Zeitpunkt aber noch optimistisch in die Zukunft. Sie vertraten die Meinung, dass das Schlimmste spätestens 2015 überstanden ist und es nach diversen Umstrukturierungsmaßnahmen mit dem Markt für Mittelstandsanleihen dann wieder aufwärts geht. Doch auch 2015 schrumpfte der Markt für Mittelstandsanleihen weiter, obwohl es im ersten Halbjahr 2015 durchaus auch einige Lichtblicke gab. Insgesamt wurden 21 Mittelstandsanleihen mit einem Emissionsvolumen von 737 Millionen Euro begeben. Damit ging das Platzierungsvolumen 2015 gegenüber dem Vorjahr nochmals deutlich zurück (Abbildung).

Eingeläutet wurde das Emissionsjahr 2015 mit der Begebung der 25-Millionen-Euro-Anleihe des Automobilzulieferers und Getriebespezialisten Neue Zahnradwerk Leipzig GmbH (NZWL). Die neue Anleihe, mit der die Erweiterung der Produktionsstandorte in Europa und China finanziert werden soll, hat eine Laufzeit von sechs Jahren bei einem Kupon von 7,5 Prozent. Aufgrund einer deutlichen Überzeichnung wurde die Zeichnungsfrist vorzeitig geschlossen und das Unternehmen konnte seine Mittelstandsanleihe bereits früher als geplant platzieren. Damit gelang es der NZWL nun bereits zum zweiten Mal, ihre Mittelstandsanleihe früher auf den Markt zu bringen, auch wenn die neue Anleihe im Vergleich zur vorherigen von BB- auf B+ herabgestuft worden war. Doch genau dies werteten viele Marktbeobachter als Erfolg und für das Emissionsjahr 2015 kam ein verhaltener Optimismus auf.

Getrübt wurde dieser allerdings mit der Begebung der Anleihe der Salzburger Aluminium Group. Mangels Aussicht auf Platzierungserfolg hat das Unternehmen die Begebung ihrer Anleihe an der Frankfurter Wertpapierbörse abgesagt. Ein ähnliches Schicksal wurde auch der Apassionata GmbH zuteil, die mithilfe einer Mittelstandsanleihe bis zu 30 Millionen Euro für den Aufbau eines Pferde-Erlebnisparks in München und den Ausbau des Pferdeshow-Programms einwerben wollte. Das geringe Interesse an Mittelstandsanleihen bekam dann auch der Immobilienentwickler Deutsche Real Estate Funds zu spüren. Das Unternehmen hatte am Kapitalmarkt eine Anleihe mit einem Volumen von 80 Millionen Euro und einen Kupon von 4,375 Prozent angeboten, konnte mangels Interesse aber letztendlich nur 44 Millionen Euro zu 4,675 Prozent im Rahmen einer Privatplatzierung unterbringen.

Überwiegend negative Überraschungen

Ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt war die Emission der zweiten, fünfjährigen Anleihe von Enterprise Holdings Ltd. mit Sitz in Gibraltar. Sie konnte die Investoren weder mit der Besicherung, dem Rating von BBB+ sowie der angekündigten quartalsweisen Berichterstattung nachhaltig überzeugen, sodass es auch hier nicht zu einer Vollplatzierung kam. Gleiches gilt für die SeniVita Social Estate AG, die ihre Anleihe zu lediglich 65 Prozent an den Mann bringen konnte.

Positiv überraschte hingegen der Süßwarenproduzent Katjes, dem im Mai 2015 eine Vollplatzierung mit einem Volumen von 60 Millionen zu einem Zinssatz von 5,5 Prozent gelang. Mit den eingeworbenen Mitteln zahlte das Unternehmen eine im Juli 2011 begebene und im März 2012 aufgestockte Anleihe mit einem Kupon von 7,125 Prozent vorzeitig zurück. Damit refinanziert sich das Unternehmen mit der neuen Anleihe um rund 25 Prozent günstiger als zuvor.

Fallende Kupons trotz Marktschwierigkeiten

Seit den zahlreichen Insolvenzfällen im Mittelstandssegment stehen vor allem die verpflichtenden Emittentenratings immer wieder in der Kritik. Der Vorwurf lautet, dass Mittelstandsanleihen von den Ratingagenturen viel zu gut eingestuft werden, die Zinskupons trotz dieser guten Bonität jedoch deutlich zu hoch sind. Dieser Vorwurf ist sicherlich berechtigt, denn tatsächlich suggeriert der Name "Mittelstand" den Anlegern eine hohe Bonität. Hierbei ist aber zu bedenken, dass Emittentenratings die eigentliche Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihe nicht korrekt widerspiegeln. Lediglich mithilfe des Anleiheratings, das etwa Covenants, Besicherungen durch Garantien und Sicherungsrechte berücksichtig, lässt sich das Risiko des Anleiheinvestments abschätzen. Da Anleiheratings aber nicht verpflichtend sind, spielen bei der Abschätzung des Risikos die Kupons eine wesentliche Rolle.

Emittenten, die mehr als neun oder zehn Prozent zahlen, um an das Geld der Anleger zu kommen, leisten somit einen hohen Risikoausgleich. Schaut man sich nun die Kupons von Mittelstandsanleihen an, so fällt auf, dass sich diese meistens in einem Korridor zwischen sechs und neun Prozent bewegen. Derartige Mittelstandsanleihen weisen somit den Charakter von spekulativen Hochzinsanleihen auf. Aus diesem Grund überrascht es auch, dass einige Unternehmen, wie etwa Katjes, bei der Begebung der neuen Mittelstandsanleihe einen deutlichen niedrigeren Kupon von 5,5 Prozent am Markt durchsetzen konnten. Zwar ist dieses Ereignis nicht repräsentativ, bereitet vielen Marktteilnehmern aber Sorgen, da die zunehmenden Zahlungsausfälle in diesem Segment die Finanzierung über den Kapitalmarkt schwieriger machen. Weiter steigende Kupons von über 10 Prozent müssten deshalb die logische Folge dieser Marktentwicklung sein.

Zahlreiche Ausfälle 2015 und 2016

Auch wenn das Jahr 2015 für Mittelstandsanleihen solide begann, hat sich die Stimmung mittlerweile wieder erheblich eingetrübt. Grund waren die zahlreichen Ausfälle. 2015 ist zunächst das Rosenheimer Unternehmen Acazis in Schwierigkeiten geraten. Bereits 2012 hatte das Unternehmen eine Anleihe mit einem Zinskupon von sieben Prozent begeben und damit 2,6 Millionen Euro eingenommen. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten konnte die im Dezember 2014 fällige Anleihe jedoch nicht zurückgezahlt werden. Mit der Ausgabe einer neuen, bis 2016 laufenden Anleihe, wollte das Unternehmen dann allerdings die Notbremse ziehen und die alte Anleihe ablösen. Das gelang jedoch nicht. Auch das Jahr 2016 startete mit spektakulären Ausfällen. Schlechte Nachrichten kamen zunächst von Friedola Holzapfel, deren angekündigte Restrukturierung letztendlich in der Insolvenz mündete. Danach meldete auch der Schrottrecycler Scholz, dass er finanziell angeschlagen ist. Die Anleihe stürzte daraufhin dramatisch ab. Momentan sind die Anteile nur noch 7,6 Prozent wert. Das heißt pro 100 Euro Nennwert wird dem Wertpapier nur noch ein Wert von 7,6 Euro zugestanden.

Zugleich erwischte es den Brennstoffhersteller German Pellets. Bereits im Februar 2016 hat das Unternehmen Insolvenz angemeldet, nachdem die Umschuldung einer im April fälligen Anleihe misslungen war. Nun wird das Unternehmen zerschlagen. Laut Medienberichten soll eine fünfstellige Zahl von Anlegern von der Insolvenz betroffen sein und voraussichtlich einen Totalverlust hinnehmen müssen. Aber auch weitere Mittelstandsanleihen wie Ekosem, Rickmers, die Modehändler Wöhrl und Steilmann und der Erotikhändler Beate Uhse wackeln. Die 2014 begonnene Pleitewelle setzt sich also auch 2016 unaufhaltsam fort. Allerdings hat es diesmal vor allem große Industrieunternehmen erwischt. German Pellets hat insgesamt Bonds über 200 Millionen Euro ausstehen. Bei Scholz sind es 182,5 Millionen Euro.

Transparenz zahlt sich aus

Der Markt für Mittelstandsanleihen zeigt ein gemischtes Bild. Positiv fällt auf, dass 2015 von den 21 emittierten Mittelstandsanleihen 15 Anleihen voll platziert werden konnten. Dieses Ergebnis kann als durchaus solide betrachtet werden, auch wenn kaum neue Emittenten hinzukamen, sondern vielmehr neue Anleihen alter Emittenten das Marktgeschehen dominierten. An den abgesagten beziehungsweise verschobenen Emissionen und den zahlreichen Ausfällen zeigt sich jedoch, wie schlecht es derzeit um den Markt für Mittelstandsanleihen bestellt ist. Capmarcon, eine auf Unternehmensfinanzierung spezialisierte Beratungsgesellschaft, gibt dem Markt für Mittelstandsanleihen kaum noch eine Chance. So heißt es in einer aktuellen Studie, dass sich "das Segment der Mittelstandsanleihen vom Graumarkt mehr und mehr zum Unmarkt wandelt" und die "Intransparenz des Segments immer weiter steigt". Verantwortlich hierfür werden vor allem die Emittenten gemacht, deren Kommunikation zu wünschen übrig lässt.

Laut dem Dienstleister stellen diese nämlich den Zinsdienst ein, melden Insolvenz an, ändern einfach ihren Firmennamen und zwar ohne nennenswert darüber zu informieren. Und auch die Kursfeststellung an den Börsenplätzen scheint nicht mehr vernünftig zu funktionieren. Fest steht aber auch, dass einige Emittenten aus der Vergangenheit gelernt haben, dass die Stärkung der Transparenz ein Meilenstein zur Überwindung der derzeitigen Krise ist.

Bei der Platzierung der Anleihe von NZWL zahlte sich etwa aus, dass das Management im Vorfeld der Emission in der Finanzpresse und auf Publikumsveranstaltungen aktiv und gezielt für die Anleihe warb. Außerdem wurden Mittelverwendung, Wachstumspläne, Umsatz- und Ertragsentwicklung ausführlich erläutert. Aber auch die Anleihe von Katjes und die weiteren Anleihen mit Vollplatzierung haben die Anleger mithilfe einer transparenten Kommunikation überzeugt. Es bleibt daher abzuwarten, ob es mit dem Markt für Mittelstandsanleihen nach den zahlreichen Skandalen und Zahlungsausfällen wieder aufwärts geht. Das wird sich spätestens im nächsten Jahr zeigen, wenn viele Anleihen fällig werden.

Prof. Dr. Diethard B. Simmert , Studiengangsleiter Finance & Management , International School of Management (ISM), Dortmund, Frankfurt am Main

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