Kapitalmarkt- versus Bankenfinanzierung - was läuft gut, was läuft schief?

Olaf Borkers, CFO, Deutsche EuroShop AG, Hamburg - Unternehmen nutzen für ihre Finanzierung verstärkt auch die Kapitalmärkte. Dies gilt derzeit insbesondere für deutsche Immobilienunternehmen. Der Autor gibt einen ausführlichen Überblick über wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen der traditionellen Bankfinanzierung und der Nutzung der internationalen Kapitalmärkte. Er liefert zahlreiche praktische Hinweise und Empfehlungen für Gesellschaften, die beide Varianten für die eigene Nutzung analysieren und valuieren. Seine Botschaft: Der Kapitalmarkt sollte durch eine ständige und hohe Transparenz gepflegt werden, der Kontakt zur Bank kann anlassbedingt fortgeführt werden. (Red.)

Die deutschen börsennotierten Immobilienunternehmen hatten 2014 ein hervorragendes Jahr, nach den bereits guten Vorjahren 2013 und 2012. Sie sammelten nach Berechnungen von Akselrod Consulting/ Barkow Consulting 4,6 Milliarden Euro an Eigenkapital ein und damit 29 Prozent mehr als im Jahr davor. Daneben wurden Wandelanleihen mit einem Gesamtvolumen von 1,9 Milliarden Euro emittiert - ein neuer Höchstwert nach dem bisherigen Spitzenemissionsjahr 2012. Auch Übernahmen fanden reichlich statt: GSW durch Deutsche Wohnen, Gagfah durch Deutsche Annington und Estavis durch Adler Real Estate. Der Prime Office REIT fusionierte mit der OCM German Real Estate Holding.

Börse für sich entdeckt

Immobilienaktiengesellschaften stellten mit ihren Kapitalmarktemissionen und -aktivitäten eine bedeutende Größe am deutschen Kapitalmarkt dar; sie haben die Börse verstärkt für sich entdeckt. Das Marktumfeld scheint weiterhin günstig. Der deutsche Immobilienmarkt hat in den vergangenen Jahren eine zunehmende Aufmerksamkeit durch ausländische Investoren erfahren. Der Kapitalmarkt hat sich daher deutlich geöffnet und aufnahmebereit gezeigt. Auf der anderen Seite haben die kapitalintensiven Immobiliengesellschaften spätestens nach 2008 gelernt, dass die Kreditvergabefähigkeit und -bereitschaft der Banken sehr schwankend sein kann. Darlehen stehen nicht immer ausreichend zur Verfügung oder sind an Bedingungen und Auflagen geknüpft, die für die Gesellschaften kaum erfüllbar, akzeptabel oder attraktiv sind. Darüber hinaus vereinfacht die zunehmende Regulierung für Banken und die Kreditnehmer den Prozess nicht.

Die Immobilien-AGs mischen nun aktiver ihre Finanzierungsinstrumente, um Abhängigkeiten von einzelnen Kredit- und Kapitalgebern zu reduzieren. Sie greifen auf den Kapitalmarkt und Banken zur Finanzierung ihrer Investitionen zurück. Die Optionen sind aber für die Gesellschaften unterschiedlich.

Größe ist hilfreich

Die Breite der Möglichkeiten und die auffallend guten Konditionen am Kapitalmarkt stehen primär nur einer begrenzten Anzahl von Immobiliengesellschaften zur Verfügung. Neben der Bonität ist die Größe der Gesellschaft entscheidend, das heißt die Anzahl der ausgegebenen Aktien, die Marktkapitalisierung und die Häufigkeit des Handels in der Aktie. Immer mehr Gesellschaften konnten diese Kriterien erfüllen. Das drückt sich auch in den Indexzugehörigkeiten aus. Umso erfreulicher ist es, dass sich die Marktkapitalisierung der Immobiliengesellschaften im MDAX und SDAX in den letzten vier Jahren von insgesamt 6 Milliarden auf 26 Milliarden Euro erhöht hat. Es zeigt sich zudem, dass mit zunehmendem Bekanntheitsgrad der Emittenten vorteilhaftere Konditionen am Kapitalmarkt durchgesetzt werden können.

Bis dahin ist es aber ein schwerer Weg und viele Immobiliengesellschaften sind selbst nach langer Zeit nicht dort angekommen. Im Dezember 2014 beinhaltete der Deutsche Immobilienaktienindex des Bankhauses Ellwanger & Geiger 66 Immobilien-Aktiengesellschaften, nur zwölf davon weisen eine Marktkapitalisierung von mehr als 1 Milliarde Euro aus. Mehr als 2 Milliarden Euro konnten nur sechs Gesellschaften vorzeigen.

Für die Banken ist diese Größe nicht das wesentliche Kriterium. Entscheidend ist für sie die Bonität des Kreditnehmers inklusive der Eigenkapitalquote. Daneben ist die Qualität der zu finanzierenden Immobilie von Bedeutung. Banken vergeben Kredite ab 5 Millionen Euro. Solche Beträge sind aber mangels Handelbarkeit unter den Investoren am Kapitalmarkt bei weitem nicht akzeptiert. Daher sind kleinere Beträge dort nur entsprechend schwer beziehungsweise teurer zu beschaffen.

Internationale Spielregeln beachten

Kapitalmaßnahmen der deutschen Immobiliengesellschaften zielen meist und oft wesentlich auf internationales Kapital. Nur so sind die Maßnahmen überhaupt und vorteilhaft umzusetzen. Internationale Standards bestimmen daher den deutschen Kapitalmarkt. Sie erleichtern ausländischen Investoren das Investment in deutsche Gesellschaften in Form von Eigenkapital oder als Fremdkapital durch Anleihen oder Wandelanleihen. Corporate-Governance-Regeln, Standards der European Public Real Estate Association (EPRA) und die internationalen Rechnungslegungen wie IAS bieten den Investoren eine Orientierung und Grundlage. Für die Emittenten bedeutet dieses einen hohen zusätzlichen internen Aufwand.

Banken kennen sowohl die deutsche Rechnungslegung nach dem Handelsgesetzbuch als auch die internationalen Varianten und können ihre Kreditprüfung entsprechend gestalten. Die Kreditprüfung stellt besonders auf die Immobilie und den Immobilienmarkt ab. Insofern bieten sich hier für so manche kleinere Gesellschaft Erleichterungen im Umgang mit der Bank als Kreditgeber.

Der Kapitalmarkt will gepflegt werden durch eine ständige und hohe Transparenz zur Vertrauensbildung. Das Vertrauen von Kapitalmarktinvestoren gewinnt die Immobiliengesellschaft durch langjährige Investor Relations schon vor dem Kapitalbedarf. Quartalsberichterstattung, internationale Roadshows und Investorenkonferenzen kosten Zeit und Geld. In vielen Gesprächen wollen Investoren über die Jahre überzeugt werden. Nicht bei allen gelingt dies und bei Weitem nicht alle können Millionenbeträge investieren.

Langfristiger Vertrauensaufbau

Dagegen erfolgt der Kontakt zur Bank eher anlassbedingt und wird vertrauensbildend über Reporting-Vereinbarungen im Kreditvertrag fortgeführt. Dabei sind deutlich weniger Gespräche zu führen. Eine Bank kann hohe Millionenbeträge als Kredite zur Verfügung stellen - und wenn sie vom Konzept überzeugt ist, will sie das auch.

Die Gespräche mit Investoren und mit Kreditbankern gestalten sich oft sehr unterschiedlich: grundsätzlich eher optimistische Besonnenheit von Investoren im Vergleich zu tendenziell kritischen Ansätzen von Kreditbanken. Es geht um eine Bond- oder Equity-Story anstelle einer Kreditprüfung und um ein günstiges und kurzfristiges Momentum anstatt eines längeren Kreditgenehmigungsprozesses. Der Emittent als Kreditnehmer muss nicht nur mit seiner Bonität, der zu finanzierenden Immobilie oder den Ergebnis- und Wachstumsperspektiven der Gesellschaft überzeugen: Weitere Investitionskriterien an der Börse ergeben sich aus den individuellen Bewertungsfaktoren der Kapitalmarktinstrumente Aktie, Anleihe oder Wandelanleihe wie Laufzeit, Verzinsung, Emissionskurse, Volatilität und Handelbarkeit.

Nicht zu unterschätzen sind für die erfolgreiche Emission auch die jeweiligen Stimmungen an den Aktien- und Kreditmärkten oder die Emissionen im Wettbewerb. Dieses Umfeld ändert sich schneller als die Kreditvergabepolitik der Banken. Auf diesen Faktor haben der Emittent und die ihn begleitenden Investmentbanken aber keinen Einfluss und die Bedingungen können sich von einem auf den anderen Tag ändern. So stimmungsschwankend gibt sich keine Kreditbank.

Potenziell kritische Endphase

Der Auswahl der beteiligten Parteien kommt bei der Kapitalmarktemission eine große Bedeutung zu und die Anzahl der Beteiligten ist groß: Investmentbanken mit ihren Teams, Rechtsanwälte aufseiten der Banken und des Emittenten, Notar und Handelsrichter. Dazu das Team des Emittenten inklusive seines Aufsichtsrates. Damit ist die Zahl der Beteiligten und sind die entsprechenden Abhängigkeiten deutlich größer als in einem Kreditprozess. Gut beraten ist, wer hier sorgfältig auswählt.

Der Schlüssel für eine erfolgreiche und zufriedenstellende Emission sind Banken mit einer realistischen Einschätzung des aktuell Machbaren und der eigenen Stärken während des gesamten Emissionsprozesses. Die Rechtsanwälte sollten ausreichend transaktionsgetrieben sein. Der Prozess kann plötzlich auftretende kritische Zeitpunkte enthalten. Das unterscheidet die Emission von der Kreditgewährung. Eine Kreditanfrage bei verschiedenen Banken führt zur Auswahl eines Kreditangebotes. Daraufhin folgt die Kreditgenehmigung der ausgewählten Bank in einem längeren Zeitablauf. Die unverbindlichen Kreditangebote sind regelmäßig mit den zuständigen Genehmigungsgremien vorabgestimmt, sodass Überraschungen selten sind.

Überraschungen sind dagegen bei der Kapitalmarktemission möglich und treten leider nicht selten in der Endphase des Prozesses auf. Im "Wall Crossing" werden ausgewählte Investoren vertraulich angesprochen, um deren Akzeptanz der geplanten Emissionskonditionen zu testen. Hierbei wird möglicherweise festgestellt, dass die Konditionen (zurzeit) nicht marktgängig sind. Die Preisgestaltungsmacht der Investoren ist insbesondere bei verkürzten Platzierungen ohne Prospekt recht groß und daher zu berücksichtigen. Die Konditionen des Angebotes lassen sich aber zu dem Zeitpunkt, wenn auch gegebenenfalls nachteilig für den Emittenten, korrigieren. Später dann erfolgt die Platzierung der Emission. Vom Emittenten wird dabei die Vollplatzierung angestrebt, ebenso wie der Kreditnehmer von seiner Kreditbank die Zusage über den benötigten Kredit anstrebt. Hier könnte nun eine nicht ausreichende Platzierbarkeit festgestellt werden. Vielleicht nur deshalb, weil sich zwischen Markttest und Platzierung die Stimmung an den Märkten verändert hat oder aber weitere Emissionen zeitgleich platziert werden und die Nachfrage dämpfen.

Verschiedene Banken bieten ihre Leistungen und Produkte als Kreditgeber und Begleiter von Kapitalmarktemissionen an. Der zunehmende Wettbewerb zwischen den Banken in beiden Segmenten drückt auf die Margen und so sind Banken häufig bestrebt, den Immobiliengesellschaften beide Dienstleistungen in Kombination anzubieten. Vorteilhaftere Konditionen bei den Kreditvergaben unter der Bedingung oder auch mit der (unverbindlichen) Absicht, dass Kapitalmarkttransaktionen mit der gleichen Bank durchgeführt werden, sind eine denkbare Vereinbarung.

Beide Welten im Paket

Die Immobiliengesellschaften sollten nicht aus dem Blick verlieren, dass Anleihen am Ende der fünf- bis siebenjährigen Laufzeit zurückzuzahlen sind. Diese Zeitpunkte sind öffentlich und die Aussicht, dass eine Anschlussfinanzierung durch eine veränderte Bonität oder ein schlechtes Kapitalmarktumfeld zweifelhaft werden könnte, belastet die Gesellschaft über längere Zeit räume. Eine Einigung mit den Gläubigern, falls es anders kommt, als geplant, ist aufgrund der Anonymität der vielen einzelnen Gläubiger am Kapitalmarkt schwierig. Die Konditionen der Kreditvereinbarung sind nur dem Kreditnehmer und -geber bekannt. Bei ungeplanten Entwicklungen lässt sich hier leichter und in der Regel unbemerkt vom Markt eine Einigung erzielen. Es wirkt zudem positiv am Kapitalmarkt, wenn verschiedene Optionen für die notwendige Anschlussfinanzierung der Anleihe bestehen - darunter auch der klassische Bankkredit.

Die Immobiliengesellschaften sind gut beraten, beide Welten für sich zu nutzen und sich alle Optionen offenzuhalten.

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