Liquiditätsrisikokosten: mögliche Konzepte zur Verrechnung von Kosten der Liquiditätsbevorratung

Abbildung 1: Klassifikation von Bankprodukten hinsichtlich vereinbarter Laufzeit und Zinsbindung

Julia Schneider, Universität Siegen, zuvor Sparkasse Pforzheim Calw, Hans-Jürgen Holm, Fachbereichsleiter Controlling Gesamtbanksteuerung, Sparkasse Pforzheim Calw, und Prof. Dr. Christiane Weiland, Studiengangsleiterin BWL - Bank, Duale Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe - Wie und ob überhaupt die Berücksichtigung von Liquiditätsrisikokosten in der Kreditwirtschaft erfolgen soll, sehen die Autoren in Theorie und Praxis nach wie vor heftig in der Diskussion. Vor allem bei regionalen Kreditinstituten registrieren sie angesichts des Aufwandes der Umsetzung eine Skepsis hinsichtlich der Notwendigkeit einer Berücksichtigung indirekter Liquiditätskosten. Aufbauend auf einer früheren Betrachtung zur Notwendigkeit der Verrechnung stellen sie sowohl einen konzeptionell umfassenden Ansatz als auch eine vereinfachte praktikable Methodik zur Quantifizierung der indirekten Liquiditätskosten vor. (Red.)

Die Erfahrungen ausgetrockneter Interbankenmärkte und entstehender Bonitätsspreads in der Finanzkrise 2007 und 2008 verschafften vor allem der Wahrnehmung des Liquiditätsrisikos eine neue Bedeutung und machten eine Modifikation der ökonomischen Konzepte und Theoriegebäude erforderlich. Dies führte zu Anpassungen im Bereich der Regulierung wie auch im bankinternen Risikocontrolling.

Adäquate Risikoallokation erwünscht

Die neuen Anforderungen zielen zum einen auf eine Begrenzung des dispositiven und strukturellen Liquiditätsrisikos durch Einführung der Liquidity Coverage Ratio (LCR) und der Net Stable Funding Ratio (NSFR). Zum anderen werden die Kreditinstitute verpflichtet, Liquiditätskosten, -nutzen und -risiken intern zu verrechnen, um eine adäquate Risikoallokation auch im Bereich der Liquidität zu gewährleisten.

So wurden zuerst auf internationaler Ebene die "Guidelines on Liquidity Cost Benefit Allocation" des CEBS1) formuliert, die letztendlich in die Mindestanforderungen für das Risikomanagement flossen. Das Liquiditätsrisiko gilt dort als wesentliche Risikoart, die jedes Finanzinstitut mit in das Risikocontrolling einzubeziehen hat. Die 4. und bislang letzte MaRisk-Novellierung fordert die Implementierung eines Liquiditätskostenverrechnungssystems, welche Anforderung in zwei Teilbereiche unterteilt werden kann: in die Verrechnung der direkten Liquiditätskosten und in die Berücksichtigung indirekter Liquiditätskosten.

Ziel der direkten Liquiditätskostenverrechnung ist es, die seit der jüngsten Finanzmarktkrise nicht mehr zum Nulltarif erhältliche Ressource Liquidität intern fair zu bepreisen. Um eine gerechte Risikoallokation zu erreichen, muss nunmehr neben dem Zinsänderungsrisiko das Risiko für potenzielle Anstiege der Liquiditätsspreads mit ins Kalkül gezogen werden. Dafür ist der originäre Ein-Kurven-Ansatz der Marktzinsmethode um die individuelle Refinanzierungskurve der Bank zu erweitern. Damit kann der Fristentransformationsbeitrag in seine beiden Erfolgskomponenten - die der Übernahme des Zinsrisikos und die des Liquiditätsrisikos - aufgespaltet werden.2)

Während dies bei deterministischen Cashflows direkt erfolgen kann, wird bei stochastischen Cashflows der zukünftige Zahlungsstromverlauf geschätzt. Durch die Orientierung an Erwartungswerten wird eine Quasisicherheit unterstellt. Tatsächlich weichen die realisierten Zahlungen ex post mit hoher Wahrscheinlichkeit von den erwarteten Ein- und Auszahlungen ab oder treten zu anderen Zeitpunkten ein. Wohingegen erhöhte Liquiditätszuflüsse lediglich die Ertragslage tangieren, können enorme unvorhergesehene Zahlungsabflüsse zu Liquiditätsproblemen führen - wie jüngst die Finanzmarktkrise gezeigt hat. Die alleinige Berücksichtigung direkter Liquiditätskosten würde also zu kurz greifen.

Kein typisches Marktrisiko

Vielmehr muss zusätzlich das Liquiditätsrisiko berücksichtigt werden. Gerade vor dem Hintergrund möglicher Friktionen auf den Interbankenmärkten zeigt sich die Notwendigkeit einer ausreichenden Liquiditätsreserve. Das Kreditinstitut muss für potenzielle Abrufrisiken von Produkten ohne feste Kapitalbindung hochliquide Aktiva vorhalten, um im Bedarfsfall schnell finanzielle Mittel mobilisieren zu können. Die durch die Minderverzinslichkeit dieser hochliquiden Aktiva entstehenden Opportunitätskosten bezeichnet man als indirekte Liquiditätskosten, auch Liquiditätsrisikokosten genannt.

Da die jederzeitige Abrufgefahr kundendeterminiert ist, ist das hierdurch bedingte Liquiditätsrisiko kein typisches Marktrisiko, das über das Treasury durch ein fristenkongruentes Gegengeschäft im Sinne der Marktzinsmethode (ab)gehedged werden kann (analog den direkten Liquiditätskosten). Folgerichtig sind konzeptionell die Kostennachteile aus der Unterhaltung der Liquiditätsreserve als zusätzlicher Margenbestandteil für Produkte ohne feste Kapitalbindung in der Deckungsbeitragsrechnung dem Kunden in Rechnung zu stellen.3)

Wie im Einzelnen und ob überhaupt die Berücksichtigung dieser Liquiditätsrisikokosten erfolgen soll, ist nach wie vor in der Bankenpraxis heftig in der Diskussion. Vor allem regionale Kreditinstitute betrachten die Notwendigkeit einer Berücksichtigung indirekter Liquiditätskosten häufig mit Skepsis. Wenngleich sich ein pauschaler Verzicht nur schwer begründen lässt,4) erweist sich die Ermittlung und Verrechnung indirekter Liquiditätskosten als deutlich aufwendiger im Vergleich zu direkten Liquiditätskosten. Diese Tatsache bildet ein weiteres Hindernis für die Integration der Kosten der Liquiditätsbevorratung in das Bankcontrolling.

Über den Umfang und die Art und Weise des Ansatzes indirekter Liquiditätskosten existieren auch in der Theorie unterschiedliche Auffassungen. Im Folgenden soll sowohl ein konzeptionell umfassender Ansatz als auch eine vereinfachte praktikable Methodik zur Quantifizierung der indirekten Liquiditätskosten vorgestellt werden.

Zunächst wird jedoch auf die Charakteristika von Produkten ohne feste Kapitalbindung eingegangen, die für die Gesamtbanksteuerung ein ungleich höheres Risiko darstellen als Geschäfte mit einer festen Kapitalbindungsdauer.

Behandlung von Produkten ohne feste Kapitalbindung - Übernahme der rollierenden Mischungsverhältnisse aus der Zinsbuchsteuerung unzureichend: Bei Bankprodukten mit Festzinsvereinbarung ist der Zahlungsstromverlauf der Folgeperioden weitgehend determiniert und beinhaltet somit - bis auf explizit eingeräumte Optionsrechte - kein Abrufrisiko. Solche Optionsrechte sind prinzipiell als eigenständige Kalkulations-, Dispositions- und Bewertungskomponente zu behandeln und bedürfen deshalb einer separaten Analyse (Abbildung 1).5)

Gleitend rollierende Mischungsverhältnisse

Variabel verzinsliche Positionen weisen hingegen häufig kein vertraglich fixiertes Rückzahlungsprofil oder einen konkreten Fälligkeitstermin auf. Der Zins ist für keinen Zeitraum vertraglich festgeschrieben und könnte, juristisch betrachtet, geschäftstäglich von der Bank verändert werden. Auf Kundenseite besteht ein jederzeitiges Kündigungsrecht. Abbildung 1 gibt einen beispielhaften Überblick. Ein typisches Beispiel sind Sichteinlagen. Allerdings ist in der Realität eine "Trägheit" im Kundenverhalten zu beobachten, insbesondere wenn die Geschäfte als Kollektiv betrachtet werden und sich innerhalb der Kontobewegungen kompensatorische Effekte zeigen. Nur ein Bruchteil der Kunden macht von den eingeräumten Rechten und oftmals nur anteilig Gebrauch, zumal die Zinsentwicklung nur einen von vielen Faktoren für etwaige Dispositionsentscheidungen von Privatanlegern darstellt.

Um diese Produkte für das Zinsrisiko- oder das Liquiditätsrisikomanagement greifbar zu machen, werden in vielen Banken gleitend rollierende Mischungsverhältnisse unterstellt (Abbildung 2).

Über ein unterstelltes Mischungsverhältnis wird das Volumen der zu bewertenden variablen Position in einen Zahlungsstrom transformiert. Ein Beispiel hierfür ist in Abbildung 2 dargestellt. Sodann können die Produkte analog eines Festzinsgeschäfts anhand des quasi-deterministischen Cashflows über eine strukturkongruente Refinanzierung kalkuliert werden: Die Ergebniskomponente, die auf das Zinsänderungsrisiko und die auf die direkten Liquiditätskosten zurückzuführen ist, wird typischerweise anhand der Abflussfiktionen erhoben. Solche Gleitzinsverhältnisse sind für die Zinsbuchsteuerung schon gang und gäbe, weshalb diese oftmals als "Standardlösung" für eine Ersatzparametrisierung auch im Bereich des Liquiditätsrisikos übernommen werden.6)

Informationslücken hinsichtlich der tatsächlichen Stabilität

Das Mischungsverhältnis Zins wird in Anlehnung an das individuelle Konditionsanpassungsverhalten der Bank nach dem Postulat der Margenkonstanz zukunftsorientiert festgelegt und reflektiert die Erwartungshaltung der Kundschaft an die Zinsanpassung. Mögliche Schwankungen in den Volumina werden in den Mischungsverhältnissen nur untergeordnet betrachtet (beispielsweise durch Erhöhung der Gewichtung der kurzen Komponente im gleitenden Durchschnitt). Verfolgt die Bank oder Sparkasse nun die Standardlösung und setzt Mischungsverhältnis Zins = Mischungsverhältnis Liquidität, so unterstellt sie implizit ein einheitliches Preisanpassungsverhalten in beiden Risikobereichen: Nur wenn das Zinsanpassungsverhalten der Kundenerwartung gerecht wird, überlässt der Kunde seine Liquidität der Bank - so die Argumentationsweise.

Selbst wenn diese Annahme nicht die Realität wiedergibt, die Ablauffiktionen also voneinander abweichen, ist diese Lösung unproblematisch, da die resultierende Refinanzierungslücke über einen Anlage-/ Refinanzierungsmix geschlossen wird.

Sämtliche Liquiditätsinkongruenzen, die im Zeitablauf in den Folgeperioden über die Volumenplanung entstehen, werden im Rahmen des Liquiditätskostenverrechnungssystems über im Vorfeld validierte Refinanzierungsquellen gedeckt. Etwaige negative Liquiditätsbeiträge werden demnach - wenn nicht über das korrekte Liquiditätsmischungsverhältnis - über den Refinanzierungsmix in das Liquiditätsverrechnungssystem integriert (Abbildung 3).

Auch wenn diese Sichtweise die Forderung der Aufsicht erfüllen mag, weist sie einen gravierenden Nachteil auf: Die Bank weiß nicht um die tatsächliche Stabilität beziehungsweise Zuverlässigkeit ihrer einzelnen Kundeneinlagen - abgegrenzt nach homogenen Liquiditätseigenschaften. Solche Informationen sind nicht nur betriebswirtschaftlich zur Ertragssteuerung aufschlussreich, sondern auch im Zusammenhang mit den neuen Liquiditätskennziffern der Säule 1, insbesondere der NSFR, regulatorisch vorzuhalten.

Historie der Volumenverläufe als Grundlage für eine Bodensatzbewertung

Auf lange Sicht sollte jede Bank oder Sparkasse daher anstreben, eine Historie der Volumenverläufe aufzubauen. Dies ist nicht nur für weitergehende Liquiditätssteuerungsimpulse notwendig, sondern auch für preispolitische Entscheidungen unerlässlich. So wird die Möglichkeit geschaffen, bei ausreichend langer und repräsentativer Historie eine Bodensatzbewertung durchzuführen. Diese kommt dem tatsächlichen Liquiditätsverlauf träger Volumina wesentlich näher als die Methode gleitender Durchschnitte, wie am Beispiel von Sichteinlagen deutlich wird:

Unverzinsliche Sichteinlagen stellen ein typisches variables Produkt dar, dessen Volumen in einen stets vorhandenen Bodensatz und einen schwankenden Anteil aufgeteilt werden kann und für Zwecke einer gerechten Bewertung und Bepreisung auch müsste. Der Sockelbetrag kann langfristig disponiert werden und einen entsprechenden Ertrag generieren. Der schwankende Anteil ist kurz zu kalkulieren und als jederzeit abrufgefährdet anzusehen. Eine mögliche Zweiteilung könnte auf Basis einer Value-at-Risk-Auswertung zum Beispiel 4: 1 lauten, sodass unter dieser Annahme 20 Prozent mit täglicher Fristigkeit abgebildet werden müssten. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die unterschiedliche methodische Vorgehensweise.

Nach der Methode der gleitenden Durchschnitte ist eine solche Trennung des Bestandes gemäß dessen Disponierbarkeit und Reagibilität nicht zu bewerkstelligen, da das Mischungsverhältnis stets auf das Gesamtvolumen angewendet werden muss.

Führt man allerdings eine Bodensatzanalyse und -disposition durch, könnte diese nicht nur für die Festlegung direkter Liquiditätskosten7) Verwendung finden, sondern auch wertvolle Impulse für die indirekte Liquiditätskostenzuweisung liefern. Entscheidet sich das Institut Liquiditätsrisikokosten im Rahmen der Deckungsbeitragsrechnung in der Vor- und Nachkalkulation anzusetzen, so ist die Zweiteilung sogar elementarer/integraler Bestandteil für eine verursachungsgerechte Kostenbelastung. Der Sockelbetrag ist unter Liquiditätsrisikogesichtspunkten aus der Zahlungsfähigkeitssicht irrelevant, nur der volatile Anteil ist zu berücksichtigen und als "stochastisch" anzusehen. In Bezug auf das obige Beispiel müssten 20 Prozent des Sichteinlagenvolumens als volatil eingestellt werden und in Form von sofort abrufbereiten Geldern für das Institut zur Verfügung stehen. Die Erkenntnisse aus der Zahlungsstromanalyse könnten perspektivisch auch für die Modellierung des Zinsrisikos bei variablen Produkten übernommen werden.

Basis für eine verursachungsgerechte Verrechnung

Sind die historischen Zahlungsströme bekannt, kann auf dieser Grundlage eine verursachungsgerechte Verrechnung der indirekten Liquiditätskosten erfolgen. Ein solcher Ansatz wird im Folgenden dargestellt.

Umfassender Ansatz - Quantifizierung des Liquiditätspuffers auf Basis extremer historischer Nettozahlungsmittelabflüsse: Wenn eine Berücksichtigung indirekter Liquiditätskosten erfolgen soll, sind grundsätzlich zwei Fragen zu beantworten: Zum einen ist festzulegen, wie die Höhe der Absicherungskosten bestimmt werden kann. Zum anderen gilt es die ermittelten Kosten auf die Kostenträger zu verrechnen.

In der Literatur sind prinzipiell zwei verschiedene Ansätze zur Herleitung der Liquiditätsrisikokosten vorzufinden: ein "globaler" Kalkulationsansatz und eine "einzelpositionsbezogene" Vorgehensweise.

Im Rahmen der zuerst genannten Methodik wird die Notfallliquidität aggregiert über alle Bestände hinweg festgestellt, das heißt, die Liquiditätsreserve wird auf Gesamtportfolioebene quantifiziert, um ihre Komponenten anschließend optimal zusammenzustellen. So werden alle Zahlungsströme ganzheitlich und produktübergreifend aus allen Geschäftsressorts für die Herleitung der Liquiditätsrisikoposition und interner Transferpreise für Liquiditätsrisiken betrachtet.8) Der zweite Ansatz geht nach dem Bottomup Approach vor und quantifiziert und bepreist die Sicherstellung der Zahlungsbereitschaft auf Einzelproduktebene. Den Ausgangspunkt bildet das Liquiditätsrisikoprofil einzelner Geschäfte, deren jeweilige Maximalabflüsse (gemessen anhand eines festgelegten Konfidenzniveaus) zur Dimensionierung der Liquiditätsbevorratung summiert werden.9)

Ein hybrider Ansatz

Im Rahmen dieses Beitrags wird ein hybrider Ansatz gewählt, der sowohl Elemente des Top-down- als auch Elemente des Bottom-up-Ansatzes vereint. In einem ersten Schritt wird eine positionsübergreifende Kalkulationsmethodik zur Ermittlung des erforderlichen Volumens der Liquiditätsreserve verfolgt. Dadurch werden institutsinterne Umschichtungen, zum Beispiel vom Girokonto auf das Sparbuch, richtigerweise nicht auf die notwendige Höhe des Liquiditätspuffers angerechnet. Sie führen zu keinem Zahlungsmittelabfluss, sodass sie keinen Einfluss auf die Liquiditätsausstattung haben.

Erst im Anschluss wird auf die Liquiditätsrisikoeigenschaften der einzelnen Geschäfte zur Verteilung des Gesamtkostenbetrags zurückgegriffen, indem der Gesamtkostenbetrag den einzelnen Produkten in Abhängigkeit von ihrer Beanspruchungsintensität der Liquiditätsreserve zugewiesen wird.

Die Berechnung der Liquiditätsrisikokosten kann daher in zwei Schritte geteilt werden:10)

1. Zur Quantifizierung der notwendigen Höhe dieses Liquiditätspuffers kommt das (ökonomische) Konzept des Liquidity at Risk (LaR) in Betracht. Letzteres gibt den maximalen Liquiditätsbedarf einer Bank oder Spar kasse bei unterstellter Haltedauer von (in der Regel) einem Tag und angenommenem Konfidenzniveau an. Als eine Richtgröße für den dispositiven Nettofinanzmittelbedarf basiert der LaR auf einer gesamtbankbezogenen Zahlungsstromanalyse und bedient sich der Extremwertstatistik.11)

Anschließend sind die Absicherungskosten für die Risikoübernahme zu ermitteln.12) Diese Absicherungskosten setzen sich zum einen aus dem Ausübungspreis für die tatsächliche Inanspruchnahme der Liquiditätsquelle und zum anderen aus den Personal- und Sachkosten sowie den Opportunitätskosten alleine für die Vorhaltung der erstklassigen Wertpapiere zusammen. Letztere dürften materiell am stärksten ins Gewicht fallen, sodass ein möglicher Ansatz zur Quantifizierung kurz beleuchtet werden soll: Diese Verzichtskosten resultieren daraus, dass das Institut die Sicherheitenwerte nicht für andere Transaktionen einsetzen und auch nicht veräußern kann. Sie errechnen sich aus dem Produkt der Differenz zwischen der Emissionsrendite ri E beziehungsweise Kaufrendite und dem damaligen fristenkongruenten Refinanzierungszins ri und dem Wert des zu bewertenden Assets Ai. Um den Gesamtbetrag aller Opportunitätskosten zu erhalten, muss die Summe aller Rentabilitätsverluste der hochliquiden Aktiva, die der Notfallliquiditätshaltung dienen, gebildet werden:13)

Formel 1

2. In einem nächsten Schritt sind die Kosten aus dem Vorhalten der Stand-by-Liquidität gerecht, das heißt je nach Kostenverursachung auf Basis der ermittelten Schwankungsintensität, intern zu verteilen. Wie bereits zuvor dargestellt müssen für Positionen mit stochastischem Cashflowanteil deren Höhe sowie Haltedauer auf Basis historischer Volumenverläufe geschätzt werden.14) Je stärker die Option einer Inanspruchnahme (Zeitpunkt und Volumen) in das Ermessen des Kunden fällt und je mehr Flexibilität ihm eingeräumt wird, desto höher müssen die Liquiditätsrisikokosten für diese Fazilitäten angesetzt werden. Die Flexibilität beziehungsweise die Ungewissheit der Inanspruchnahme beziehungsweise der Rückzahlung für die Bank muss folglich aus theoretischer Sicht gerecht bepreist werden, da die Höhe der Liquiditätsbevorratung durch solche Optionen tangiert wird.15)

Risikomaß für den Mittelabfluss

Hierfür ist zunächst für jedes definierte Teilportfolio eine Verteilung für die Cashflows zum Beispiel mittels einer Zeitreihenanalyse zu modellieren, wozu sich stark vereinfachend der Normalverteilungs- oder der Extremwerttheorie bedient werden kann. Für erstgenannte Möglichkeit resultiert:16)

Formel 2

Zur Illustration seien wieder exemplarisch Sichteinlagen genannt, bei denen der Kunde die Option (Long-Position) besitzt, sich diese täglich auszahlen zu lassen. Die unerwarteten Abflüsse für den Einlagenbestand müssen unter Korrektur der deterministischen Cashflows, die auf den intern angesetzten, erwarteten Run-off-Faktoren und dem daraus abgeleiteten Bodensatz basieren, ermittelt werden.17)

Danach ist sich auf ein Risikomaß für den Mittelabfluss zu einigen, typischerweise die Standardabweichung oder ein Quantilswert. Die Parameterwahl sollte in Konsistenz zu den anderen Risikoarten geschehen. Auf dieser Basis können die Kosten verursachungsgerecht in die Geschäftsund Kundenkalkulation integriert werden.

Verfügt die Bank zum Beispiel über einen Sichteinlagenbestand (normalverzinslich, privat) in Höhe von 1,5 Milliarden Euro sind unter Rückgriff des 20-prozentigen volatilen Anteils 300 Millionen Euro in die Risikoabschätzung einzubeziehen. Unter der Annahme, dass die Beobachtungswerte normalverteilt sind, lässt sich die Standardabweichung der Privatkundeneinlagen erheben. Die Schwankungsintensität sei hier 4 Prozent. Diese Streuung ins Verhältnis zu der der anderen stochastischen Teilportfolio-Volumina gesetzt, tragen sie aber nur zu 3 Prozent zur gesamten Liquiditätsrisikoposition bei. Unter diesen Prämissen müssen den Sichteinlagen auch nur 3 Prozent der oben ermittelten Opportunitätskosten zugeordnet werden.

Dieses theoretisch konsistente Konzept zeigt, dass sich die Berücksichtigung indirekter Liquiditätskosten nicht zuletzt aufgrund von Schätzunwägbarkeiten als deutlich komplexer als die von direkten Liquiditätskosten darstellt. Vor dem Hintergrund der bestehenden Skepsis hinsichtlich einer Notwendigkeit der Verrechnung von Liquiditätskosten dürfte sich die aufwendige Methodik als zusätzliches Anwendungshindernis erweisen.

Vereinfachender Ansatz - Dimensionierung des Liquiditätspuffers auf Basis regulatorischer Vorgaben: Ein praxistauglicher Ansatz könnte sich für die Ermittlung der Absicherungskosten daher vereinfachend an die LCR-Planung des Instituts anlehnen. Dann bestünde darüber hinaus auch Konsistenz zwischen den verschiedenen aufsichtsrechtlichen Anforderungen der Säulen I und II. So wären eine Durchgängigkeit und ein Ineinandergreifen zwischen Aufsicht und interner Kalkulation gegeben, wenn die zukünftig verbindliche LCR-Quote zur Dimensionierung der hochliquiden, unbelasteten Liquiditätsreserve zugrunde gelegt wird. Anhand des so abgegrenzten frei verfügbaren Wertpapierbestands können die Opportunitätskosten wie im zuvor beschriebenen umfassenden Ansatz auf aggregierter Ebene als Differenz aus der Rendite zum Kauf- beziehungsweise Emissionszeitpunkt des erstklassigen Wertpapiers18) und dem historischen fristenkongruenten Refinanzierungszinssatz des Instituts berechnet werden. Eine beispielhafte Berechnung liefert Abbildung 4.

Bei einem sehr umfangreichen Depot A könnten sich die aufgebrachten Refinanzierungskosten pauschal am Primärfundingmarkt orientieren beziehungsweise die eigene Refinanzierungskurve als Referenz herangezogen werden. Allerdings sind nicht die aktuellen Verhältnisse am Geld- und Kapitalmarkt maßgeblich, sondern die zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses gültigen Refinanzierungskonditionen müssen in die Rechnung eingehen.19)

Eine mögliche Kostenzurechnung beziehungsweise -umlage könnte, in Abwandlung zu der oben präsentierten internen Auswertung der Abflussvolumina auf Basis eines gewählten Konfidenzniveaus, pauschal gleichmäßig auf alle abrufgefährdeten Produkte oder Produkte mit stochastischem Cashflow-Profil geschehen. Allerdings widerspricht eine solche gleichmäßige Umlage der Forderung nach einer verursachungsgerechten Kostenzurechnung. Eine fortschrittlichere (aber immer noch pauschalierende) Vorgehensweise bestünde darin, dass das Institut die Kostenumlage an den regulatorisch vorgegebenen LCR-Abrufquoten ausrichtet.20) Der Rückgriff auf die LCR-Abrufparameter hat zudem den konzeptionellen Vorteil, dass diese neben dem grundsätzlichen Liquiditätsprofil des Produkts beziehungsweise der Produktgruppe zusätzlich nach Kundenkategorie und teilweise nach Anlagesumme differenzieren. So werden beispielsweise Einlagen von Privatkunden und professionellen Kunden voneinander abgegrenzt, da die Volumenveränderungen bei letzteren wesentlich deutlicher ausfallen dürften.

Ein dreistufiges "Evolutionsschema"

Wenngleich die Orientierung an regulatorisch definierten Standards nicht vollständig dem Prinzip eines fairen Pricings entspricht, lässt sich somit eine zumindest teilweise verursachungsgerechtere Kostenzurechnung erzielen. Zusammenfassend ergibt sich somit ein dreistufiges "Evolutionsschema"/Stufenkonzept hinsichtlich der Integration der indirekten Liquiditätskosten in der Kundenkalkulation/der Deckungsbeitragsrechnung, das in Abbildung 5 dargestellt wird.

Bei der Kostenumlage dürfen darüber hinaus grundsätzlich nur solche variablen Positionen einbezogen werden, die für die Sparkasse oder die Bank ein Risiko darstellen könnten: So ist die Rückführung von Kontokorrentkrediten unter Liquiditätsrisikogesichtspunkten (nicht unter Zinsänderungsrisikogesichtspunkten) unbedenklich. Anders bei vorzeitigen Liquiditätsabrufen (ausgehend von der unterstellten Ablauffiktion, nicht juristisch gesehen), die prinzipiell auf der Passivseite auftreten. Aktivseitig stellen in der Regel nur unbeanspruchte, unwiderrufliche Kreditlinien ein Gefährdungspotenzial für die Bank oder Sparkasse dar. Alle anderen unplanmäßigen Kapitalverläufe stehen im Zusammenhang mit Liquiditätszuflüssen.

Ein praktikabler Weg

Während die umfassende Berücksichtigung extremer (historischer oder im Stress-Szenario ermittelter) Nettozahlungsmittelabflüsse ein konsistentes Modell darstellt, Transferpreise für das Liquiditätsrisiko zu berücksichtigen, lässt sich durch eine Orientierung an regulatorischen Vorgaben im Rahmen des vereinfachten Ansatzes eine zumindest teilweise verursachungsgerechtere Verrechnung von Liquiditätsrisikokosten darstellen. Plausibilisierungen der Dimensionierung des regulatorischen Liquiditätspuffers sind zu empfehlen.

Vor dem Hintergrund der Skepsis, die vor allem bei regionalen Kreditinstituten hinsichtlich Notwendigkeit und Komplexität der Verrechnung indirekter Liquiditätskosten herrscht, dürfte dies eine praktikable Vorgehensweise sein.

Um konsistent zu den anderen Risikoarten, wie beispielsweise den Eigenkapitalunterlegungspflichten für Adressenausfall risiken, vorzugehen und eine adäquate Risikoallokation zu erreichen, sollten die Opportunitätskosten eine Kostenkomponente in der Deckungsbeitragsrechnung darstellen.

Fußnoten

1) Vgl. Committee of European Banking Supervisors (2010).

2) Vgl. Schierenbeck, H.; Lister, M.; Kirmße, S.: Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 1, 9. Auflage 2014.

3) Vgl. Schneider, J.; Holm, H.-J.; Weiland, C. (2015): Indirekte Liquiditätskosten: Notwendigkeit der Verrechnung, in: BankPraktiker, Heft 4, S. 126-131, hier Abbildung 2 auf S. 128.

4) Vgl. Schneider, J.; Holm, H.-J.; Weiland, C. (2015): Indirekte Liquiditätskosten: Notwendigkeit der Verrechnung, in: BankPraktiker, Heft 4, S. 126-131.

5) Vgl. Sievi, C. (2005): DSGV-Leitfaden Variabel verzinsliche Produkte - Kunden- und ertragsorientierte Produktgestaltung, Kalkulation und Disposition, S. 24f.

6) Zur Modellierung von Kundeneinlagen vgl. Leistenschneider (2008): Methoden zur Ermittlung von Transferpreisen für Liquiditätsrisiken, in: Bartezky. P./Gruber, W.: Handbuch Liquiditätsrisiko - Identifikation, Messung und Steuerung, Stuttgart, S. 184f.

7) Vgl. Hub, C./Mitschele, A. (2014): Die Qual der Parameterwahl: Entwicklung von Liquiditätstransferpreisen in der Praxis, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 3, S. 138-141.

8) Vgl. BCBS (2008), P. 5, S. 10; CEBS (2009), S. 9, Tz. 31; Schäffler, C. (2011): Steuerung der Liquiditätsbevorratung in Banken anhand eines quantitativen Transferpreismodells, Diss. Frankfurt am Main, S. 110f.

9) Vgl. Heidorn, T./Schmaltz, C. (2010): Interne Transferpreise für Liquidität, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 3, S. 141f.

10) Vgl. Heidorn, T./Schmaltz, C. (2009), Interne Transferpreise für Liquidität, Frankfurt School Working Paper No. 125, S. 7 bis 10 und Bulling, V./Schlemminger, R. B. (2011): Liquiditätskosten, -erlöse und -risikokosten: Liquiditätsspreads sind kritische Punkte in der Kalkulation, in: Betriebswirtschaftliche Blätter Nr. 11, S. 649.

11) Vgl. Zeranski, S. (2005): Liquidity at risk zur Steuerung des liquiditätsmäßig-finanziellen Bereiches von Kreditinstituten, Diss. Chemnitz.

12) Vgl. Heidorn, T./Schmaltz, C. (2010),: Interne Transferpreise für Liquidität, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 3, S. 140-144 sowie Hannemann, R./Schneider, A./Weigl, T. (2013): Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) - Kommentar unter Berücksichtigung der Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV), 4. Ausgabe, Stuttgart, S. 974 f.

13) Vgl. Schäffler, C. (2011): Steuerung der Liquiditätsbevorratung in Banken anhand eines quantitativen Transferpreismodells, Diss. Frankfurt am Main, S. 132-162 und S. 229f.

14) Vgl. Kröner, H./Heinrichs, S. (2012): MaRisk: Verrechnung der Liquiditätskosten, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 24, S. 1280.

15) Vgl. Schöning, S./Hollederer, T./Rutsch, J. C. (2011): Messung des Liquiditätsrisikos von Unternehmen mithilfe des Liquidity at Risk-Konzeptes, in: Corporate Finance biz, Heft 6, S. 370. In die Modellierung der Abrufraten müssen verstärkt das Kundenverhalten und Transaktionsmotive (Behavioralisation) einfließen; siehe Eichhorn (2012): Liquiditätssteuerung: Synergien zwischen Treasury und Marketing?, in Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Heft 4, S. 168 und S. 171.

16) Vgl. Fiedler, R. (2007): A Concept for Cashflow and Funding Liquidity Risk, in Matz, L./Neu, P. (Hrsg.): Liquidity Risk Management - A practitioners's guide to global best practices, Singapore, S. 179-182 und S. 198-200; Reitz, S. (2008): Moderne Konzepte zur Messung des Liquiditätsrisikos, in Bartetzky, P./Gruber, W./ Wehn, C. S. (Hrsg.): Handbuch Liquiditätsrisiko - Identifikation, Messung und Steuerung, Stuttgart, S. 131 f.; Schöning, S./Wanka, T. (2012): Moderne Konzepte zur Messung des Liquiditätsrisikos, in: Schöning, S./Ramke, T. (Hrsg.): Modernes Liquiditätsrisikomanagement in Kreditinstituten, S. 84.

17) Vgl. Zeranski, S./Gebauer, B. (2013): Management von Liquiditätsrisiken, in Buchmüller, P./ Pfeifer, G. (Hrsg.): MaRisk Interpretationshilfen, 4. Ausgabe, Heidelberg, S. 409-413.

18) Durch die Berücksichtigung der Rendite (anstatt des Nominalzinses des Wertpapiers) wird die über-pari-Problematik ausgeblendet.

19) Anderweitig könnten sich ein negativer cost-ofcarry respektive ein positiver Nettosaldo einstellen (reale Erträge).

20) Vgl. Bulling, V./Schlemminger, R. B. (2011): Liquiditätskosten, -erlöse und -risikokosten, in Betriebswirtschaftliche Blätter Nr. 11, S. 649.

Prof. Dr. Christiane Weiland , Leiterin Studiengang BWL-Bank , Duale Hochschule Baden-Württemberg, Karlsruhe

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