MiFID II: Umsetzung in der Sparkassen-Finanzgruppe

Andreas Schelling Foto: Finanz Informatik

Wie in den anderen Bankengruppen gehört die Umsetzung von MiFID II auch in der Sparkassenorganisationen zu den größten Projekten. Mehr als zwei Jahre waren beispielsweise der gruppeneigene Wertpapierdienstleister und das Rechenzentrum in die Umsetzung eingebunden. Auf die klassischen Projektstrukturen, -methoden und -planungen, so berichten die Autoren, konnten ihre Teams dabei angesichts der teilweise eher späten Konkretisierungen und Anpassungen der regulatorischen Anforderungen nur bedingt zurückzugreifen. Gleichwohl sehen sie ihre Häuser im Ergebnis durch diese Erfahrungen für die Organisation, die Steuerung und das Controlling für künftige Großprojekte der IT gestärkt. Der Qualität von Aufwandsschätzungen für sich ändernde oder neue Anforderungen und der Priorisierung von Anforderungen künftig mehr Gewicht einzuräumen nennen sie als eine wesentliche Erkenntnis. (Red.)

Der 3. Januar 2018 hat bei vielen Vorständen in Banken und Sparkassen im Vorfeld Sorgenfalten verursacht. Schließlich trat an diesem Mittwoch die "Markets in Financial Instruments Directive II", besser bekannt unter der Abkürzung MiFID II, in Kraft. Doch es zeigte sich: Mit versierten Projektpartnern konnte die Sparkassen-Finanzgruppe diese Klippen im Wertpapiergeschäft sicher umfahren. Fast acht Jahre hat die Planung und Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie gedauert, mit der der europäische Gesetzgeber den Anlegerschutz und die Markttransparenz verbessern sowie den Wettbewerb stärken will. Kreditinstitute mussten mit dem Stichtag viele neue und vor allem verschärfte Regelungen umsetzen.

Von veränderten Aufzeichnungspflichten bis zur Ablösung des Beratungsprotokolls

Zu den Neuerungen zählen etwa veränderte Aufzeichnungspflichten. Das in Deutschland verbreitete Beratungsprotokoll wurde durch die Geeignetheitserklärung abgelöst. Darüber hinaus müssen Institute nun zusätzliche Dokumentationspflichten erfüllen wie etwa die Aufzeichnung externer und interner elektronischer Kommunikation sowie von Telefongesprächen. Angesichts dieser erhöhten Anforderungen stand die Finanzwirtschaft vor der Herausforderung, ihre Wertpapierprozesse grundlegend anzupassen. Es galt, die jeweiligen Beratungsanwendungen und Orderprozesse MiFID- II-konform auszurichten.

In der Sparkassen-Finanzgruppe hatte der DSGV bereits frühzeitig ein Projekt MiFID II mit zentralen Partnern aufgesetzt. Dieses zielte von Anfang darauf ab, die Vorgaben schlank und praxisgerecht umzusetzen. Zudem wollten die handelnden Personen eine zentrale IT-gestützte Lösung erarbeiten und dabei gleichzeitig Prozesse und Abläufe vereinfachen. Denn MiFID II beinhaltet einige Regelungsbereiche mit hohem technischem Aufwand, der sich auf die IT von Sparkassen auswirkt. Neben Aufzeichnung elektronischer Kommunikation und Telefonate sowie deren langfristige Speicherung müssen Institute auch die erweiterten Melde- und Informationspflichten IT-seitig abbilden.

Auch die Kostentransparenz in der Beratung (Ex-ante-Kostensimulation) sowie die sogenannte Zielmarktprüfung sollte die IT künftig abbilden. Des Weiteren galt es, die Anforderungen der fast parallel in Kraft tretenden PRIIPs-Verordnung umzusetzen. Diese verlangt von den Instituten, neue Key Information Documents (KIDs) für verpackte Anlageprodukte (strukturierte Zertifikate und Anleihen) und Versicherungsanlagen (Basisinformationsblatt zu Investmentfonds, kapitalbildende Lebensversicherungen) bereitzustellen und IT-seitig in die Beratungsprozesse und -gespräche zu integrieren. Im Rahmen des Projektes haben die Dekabank als Wertpapierhaus der Sparkassen-Finanzgruppe sowie die Finanz Informatik (FI) als zentraler IT-Dienstleister im Verbund wichtige Aufgaben übernommen, um die Vorgaben von MiFID II fristgerecht umzusetzen.

Neue Funktionalität für die Kostendarstellung

Schon frühzeitig hat sich die Dekabank im Rahmen des Umsetzungsprojektes mit den Vorgaben der Aufsichtsbehörden auseinandergesetzt und wichtige Entscheidungen für das Umsetzungsprojekt auf den Weg gebracht. Denn es war klar: Die MiFID-II-Umsetzung betrifft zahlreiche Anwendungssysteme in der IT-Landschaft des Wertpapierhauses. Der größte Umstellungsbedarf lag in den integrierten OS-Plus-Lösungen sowie im zentralen Vertriebs-Frontend Deka-Net. So galt es, eine neue Funktionalität für die Kostendarstellung und Zielmarktprüfung (Ex-ante-Kostensimulation) zu integrieren. Eine weitere Herausforderung lag für die Dekabank in der Einbindung externer Projektpartner und deren Steuerung im Projektverlauf.

Die FI hat als zentraler IT-Dienstleister in der Sparkassen-Finanzgruppe ebenfalls schon frühzeitig eine führende Rolle in der Umsetzung regulatorischer Vorgaben übernommen. Denn die steigenden Vorgaben der Aufsichtsbehörden spiegeln sich auch unmittelbar in steigenden IT- Kosten wider. So gesehen war die Bündelung der IT-Kompetenzen bei einem IT-Dienstleister eine richtungsweisende Entscheidung. Denn die FI setzt zahlreiche regulatorische Themen zentral um. So profitieren alle Institute bei regulatorischen Fragstellungen von den geteilten IT-Kosten.

Als IT-Dienstleister für die Sparkassen stellt die FI mit der Gesamtbanklösung OS-Plus eine ganzheitliche Lösung für die Anlageberatung zur Verfügung: Diese reicht vom medialen und stationären Vertrieb mit einzelnen Bausteinen über Callcenter bis hin zur Steuerung des Wertpapiergeschäfts. Im Projektverlauf hat die FI wichtige Projektpartner eingebunden. Dazu zählten neben der Dekabank weitere Wertpapierabwickler wie etwa die DWP-Bank oder die LBBW und weitere Research-Partner wie etwa Landesbanken. Dies ließ die Komplexität des Gesamtprojektes deutlich ansteigen. Insbesondere in Bezug auf die Schnittstellen der jeweiligen Partner zu OS-Plus waren umfassende Maßnahmen erforderlich.

Stabile und sichere Kernprozesse sicherstellen

Die Umsetzung der MiFID-II-Anforderungen stellte für Dekabank und FI eine besondere Herausforderung dar. Denn für beide Partner zählte das Projekt zu den größten in den vergangenen beiden Jahren. Dabei war die Rollenverteilung für alle beteiligten Partner klar: Die FI entwickelt ganzheitliche Beratungsprozesse für die Gesamtbanklösung OS-Plus der Sparkassen und ruft dabei die umfassenden Wertpapierservices und Abschlussprozesse der Dekabank auf.

Beiden Partnern war im Zuge der Umsetzung bewusst, dass eine fristgerechte und stabile Umsetzung nur gelingen kann, wenn alle Verzahnungen und Schnittstellen im Rahmen einer intensiven Testphase die vollständige Funktionsfähigkeit unter Beweis stellen.

Gleichzeitig beeinflussten auch die schwierigen Rahmenbedingungen den Projektfortschritt. Bis weit in den Oktober 2017 war die fachliche Volatilität im Projekt auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau. Eine Folge der teilweise sehr späten Konkretisierungen und Anpassungen der regulatorischen Anforderungen. Dies bedeutete für die Projektbeteiligten auch, dass klassische Projektstrukturen, -methoden und -planungen nur teilweise griffen. Die hohe Volatilität erforderte eine hohe Agilität der Projektorganisation und Projektmethoden. Bis weit in den Spätherbst waren entsprechende Entwicklungs- und Testzyklen mit hohem personellem Aufwand auf beiden Seiten erforderlich, um die Integrität und Qualität der Schnittstellen sicherzustellen.

Engpass durch Bereitstellung von Dokumenten vonseiten der Emittenten

Dank der intensiven Projektarbeit wurden der Einsatz der PRIIPs-Verordnung zum 1. Januar und die Vorgaben von MiFID II zum 3. Januar erfolgreich umgesetzt. Die PRIIPs-Verordnung läuft seit dem Stichtag softwaretechnisch erfolgreich. Einschränkungen ergaben sich noch durch die fehlende beziehungsweise verzögerte Bereitstellung von Dokumenten vonseiten der Emittenten. Dank der intensiven Vorbereitung stehen die OS- Plus-Unterstützung sowie die Lösungen der direkten Wertpapierpartner allen Sparkassen stabil zur Verfügung. In den Wochen nach dem Jahreswechsel 2017/ 2018 ergaben sich ebenfalls noch Einschränkungen, da die Informationen der Emittenten und Researchpartner wie etwa Basisinformationen noch nicht umfassend zur Verfügung standen.

Um gerade im Endspurt 2017 und in der Anfangsphase im Januar 2018 die komplexen Themen- und Fragestellungen der Institute bearbeiten zu können, hat die FI einen Leitstand eingerichtet, an dem auch die Dekabank beteiligt war. In diesem wurden sämtliche Aktivitäten zur Steuerung der Wertpapierabwickler und der Researchpartner gebündelt. Diese Maßnahme der aktiven Kommunikation hat zu einer erfolgreichen und transparenten Einführung von MiFID II bei den Sparkassen beigetragen.

Aktuell liegt das Augenmerk der FI und der Dekabank darauf, im Rahmen der MiFID-II-Nachsorge Praxisrückmeldungen aus den Instituten zu strukturieren und entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Ein Beispiel: Entsprechend der bankfachlichen DSGV-Vorgaben ist in der Beratung eine Ex-ante-Simulation mit Näherungswerten der voraussichtlich anfallenden Kosten umgesetzt. Auf Basis der Praxisrückmeldungen wird geprüft, ob die Ex-ante-Simulation fachlich erweitert werden kann oder andere Alternativen in der Beratung möglich sind. Ziel ist die Kostenberechnungen möglichst genau durchzuführen.

Erfahrungen in Organisation, Steuerung und Controlling von Großprojekten

Zwei Jahre haben FI und Dekabank intensiv die Umsetzung der MiFID-II-Anforderungen vorbereitet und fristgerecht umgesetzt. Die gebündelten Kompetenzen in zentralen Bereichen wie IT oder Wertpapieren waren wesentliche Erfolgsfaktoren, dass selbst große regulatorische Projekte wie die MiFID-II-Umsetzung effizient und erfolgreich umgesetzt werden konnten.

In der Zusammenarbeit haben FI und Dekabank auf verschiedenen Ebenen voneinander profitiert. Denn die FI hat einen großen Erfahrungsschatz in der Umsetzung von großen und zentralen IT-Projekten. Diese Erfahrung hat die Dekabank für sich genutzt und beispielweise den eigenen Rollout-Prozess für große Projekte weiter professionalisiert. Die Zusammenarbeit hat allen Projektbeteiligten wichtige Erkenntnisse geliefert. Diese nehmen sowohl FI und Dekabank als Best Practice in ihr künftiges Vorgehen auf. Dies gilt etwa für die Projektorganisation und die Steuerung sowie das Controlling großer Projekte. So wird der Qualität von Aufwandsschätzungen für sich ändernde oder neue Anforderungen und der Priorisierung von Anforderungen künftig noch mehr Gewicht eingeräumt. So wird auch sichergestellt, dass bevorstehende Erweiterungen der Finanzmarktrichtlinien zielgerichtet umgesetzt werden können.

Andreas Schelling Mitglied der Geschäftsführung der Finanz Informatik, Frankfurt am Main
Martin K. Müller Mitglied des Vorstands des DekaBank, Frankfurt am Main
Martin K. Müller , Mitglied des Vorstands , DekaBank Deutsche Girozentrale, Frankfurt am Main
Andreas Schelling , Mitglied der Geschäftsführung , Finanz Informatik

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