MiFID und PRIIPs: erschwerte Fondsberatung für Banken

Thomas Richter Foto: BVI

Dass politische Anliegen in einem Zielkonflikt stehen können, ist gewiss keine neue Erkenntnis. Oft gelingt bei der Umsetzung solcher Vorhaben ein vertretbarer Kompromiss, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden. Bei den seit Anfang dieses Jahres gültigen neuen europäischen Regeln für Wertpapiergeschäfte MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) sowie den neuen Informationsplichten für Anlageprodukte PRIIPs Packaged Retail and Insurance-based Investment Products) prognostiziert der Autor deutlich spürbare Nebenwirkungen eines aus seiner Sicht falsch verstandenen Verbraucherschutzes. (Red.)

Die Politik hat hehre Ziele! Sie will die Altersvorsorge stärken, um Altersarmut zu bekämpfen und das sinkende Rentenniveau auszugleichen. Sie will Unternehmensgründungen fördern und damit die Innovationskraft der Wirtschaft erhalten. Sie will eine Kapitalmarktunion, damit Kapital in der EU barrierefrei fließt und KMU unabhängiger von Krediten werden. Doch all diese Ziele konterkariert sie bei der Verfolgung eines anderen Ziels - dem Verbraucherschutz.

Die Finanzindustrie setzt gerade mit Hochdruck PRIIPs und MiFID II um, zwei EU-Werke mit dem wichtigen Ziel, die Verbraucher zu schützen. Was 2012 als sinnvolles Vorhaben begann, entwickelte sich zu einem administrativen Monstrum. Bei Gesprächen mit asiatischen und amerikanischen Kollegen reagieren diese mit einer Mischung aus Unverständnis und Mitleid. Die Amerikaner sind mit einigen Regeln bei sich unglücklich, aber über PRIIPs und MiFID staunen selbst sie.

Mehr Schaden als Nutzen

Um es vorwegzunehmen: Die Gesetze belasten nicht nur Fondsgesellschaften, Kreditinstitute und Versicherungen, sie werden auch den Verbrauchern mehr schaden als nützen. Sie werden diese dabei behindern, ihr Geld in Wertpapieren und Vermögenswerte anzulegen, die mehr Rendite bringen als Spareinlagen, welche mittlerweile auf ein Volumen von 2,3 Billionen Euro angeschwollen sind.

Wie werden MiFID II und PRIIPs wirken? Bereits heute ist der administrative Aufwand in der Beratung enorm. Die Befragungsbögen nach dem WpHG umfassen mehrere Seiten. Zusätzlich werden dem Anleger Fonds-Informationsblätter zur Verfügung gestellt. Hinzu kommen Informationen über die Bank, ihre Dienstleistungen, ihre Produkte einschließlich verbundener Risiken, über Ausführungsplätze, Kosten sowie Nebenkosten und Angaben, ob der Berater Provisionen erhält. Schlussendlich muss der Berater während der Beratung noch ein Protokoll schreiben. Dieser Aufwand schreckt heute schon manche Berater und Kunden von Wertpapieren ab, was eine fatale Lenkung hin zu ertragsschwachen Zinsanlagen zur Folge hat.

MiFID II und PRIIPs machen alles noch komplizierter. Ab 2018 hat der Berater dem Anleger zusätzlich zum Auswahlverfahren Faktoren wie Risiken, Komplexität und Kosten zu erklären. Bei telefonischer Beratung ist das Gespräch mitzuschneiden. Datenschutz, sonst eine heilige Kuh, scheint nicht so wichtig, denn die Kunden dürfen nicht auf die zu ihrem Schutz gedachte Aufzeichnung verzichten. Der Berater muss mit entsprechenden Verfahren sicherstellen, dass die angebotenen Produkte hinsichtlich Risiken, Kosten und Komplexität dem Profil des Anlegers gerecht werden. Will der Anleger von einem bestehenden Investment in ein anderes wechseln, ist ein Nachweis erforderlich, dass die Vorteile einer Umschichtung die Kosten überwiegen.

Offenlegung der Kosten

Beim Kauf eines Fonds sind die Kosten des Produkts und der Dienstleistung in Euro offenzulegen. Aber diese Kosten sind weder identisch mit den Kosten in den aktuellen Informationsblättern noch mit den künftigen nach PRIIPs. Obwohl MiFID und PRIIPs derselben Initiative entstammen, sind die Produktkosten nach MiFID anders zu berechnen als im PRIIPs- KID. Bei den Kosten in Fondspolicen kommt es zu weiteren Abweichungen, sodass der Anleger unterschiedliche Kosten für Fonds dargestellt bekommt, je nachdem, ob sie der Produktanbieter, die Bank im Wertpapiervertrieb oder die Versicherung in den fondsgebundenen Produkten offenlegt.

Für die Finanzindustrie sind MiFID II und PRIIPs nicht nur aufwändig, sondern auch ärgerlich, weil sich bei vielen Regeln ihr Sinn nicht erschließt. Trotz guter Vorsätze wurde das Ziel verfehlt. MiFID II und PRIIPs werden zum Beratungshindernis und schaden damit dem Anleger und wichtigen politischen Zielen: Belassen die Deutschen ihr Geld wegen des Beratungshindernisses MIFID auf fast unverzinsten Tages- und Festgeldkonten oder auf dem Sparbuch, verschenken sie bei einer angenommen Steigerung der Inflation bis auf 2,4 Prozent in den kommenden 20 Jahren Berechnungen zufolge 14 000 Euro pro Haushalt. Damit torpedieren die EU-Regelwerke das politische Ziel, die private Altersvorsorge zu stärken.

Das ohnehin unterentwickelte Aktiensparen in Europa wird weiter geschwächt. Die Bürger beteiligen sich größtenteils nicht am Produktivkapital der Volkswirtschaft, was nicht nur für ihren Geldbeutel, sondern auch für ihr Verständnis der sozialen Marktwirtschaft schlecht ist. Da darf man sich dann nicht darüber beschweren, dass es in der Hitze der Finanzkrise schwierig war, den Bürgern zu erklären, warum man ihre Steuern zur Rettung von Banken und Griechenland einsetzte. In der Schule lernt man diese wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht.

Auch Unternehmensgründungen und damit Wachstum und Innovation werden behindert. Viele junge Unternehmer brauchen nach einer gewissen Zeit weiteres Kapital oder einen Exit in Form eines Börsengangs. Woher soll das Kapital kommen? Für institutionelle Anleger sind sie zu illiquide und den Privatanlegern erschwert die Verbraucherschutzregulierung den Zugang zu Wertpapieren.

Paradoxerweise untergräbt die EU auch noch ihr eigenes Lieblingsprojekt: die Kapitalmarktunion. Nach dem Rücktritt von Kommissar Hill schien sie dem Untergang geweiht, doch die EU-Offiziellen stellen sich wortreich diesem Eindruck entgegen. Die Kapitalmarktunion soll Sparvermögen und Kapitalbedarf europäischer KMU besser zusammenbringen. Doch das Sparvermögen kann nicht für die Finanzierung bereitstehen, wenn die Sparer vom Kauf von Wertpapieren abgeschreckt werden, die in solche Unternehmen investieren. Oder glaubt jemand wirklich, dass deutsche Kleinsparer direkt bei einem französischen Mittelständler einsteigen?

Verwirrung statt Aufklärung

Am Ende werden die mit immensem Aufwand umgesetzten MiFID-II- und PRIIPs- Vorgaben allen Beteiligten mehr Nachteile als Vorteile bringen: Die Verbraucher werden die neuen Regeln mehr verwirren als aufklären. Den Finanzberatern wird die Arbeit unnötig erschwert. Und die Hürden für den Erwerb von Wertpapieren werden immer höher, als seien diese toxisch. Wer letzteres so sieht, sollte wissen, dass so verstandener Verbraucherschutz einen erheblichen Kollateralschaden anrichtet.

Thomas Richter Hauptgeschäftsführer, Deutscher Fondsverband BVI, Frankfurt am Main

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