Mittelstandsfinanzierung: Rahmenbedingungen, Status quo und Entwicklung

Dr. Carl Heinz Daube, Professur für Finanzierung, NBS Northern Business School, Institut für Unternehmensrechnung, Controlling und Finanzmanagement, Hamburg

Dr. Carl Heinz Daube, Professur für Finanzierung, Dr. Harald Dobernig, Professur für Wirtschaftsinformatik, Dr. Marco Becker, Professur für Controlling und Finanzwirtschaft, Dr. Markus Peskes, Professur für Rechnungswesen und Controlling, alle NBS Northern Business School, Institut für Unternehmensrechnung, Controlling und Finanzmanagement, Hamburg - Der Mittelstand gilt als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft etwa hinsichtlich Beschäftigung, Beitrag zum BIP, Steueraufkommen, Anteil am Weltmarkt und Innovationskraft. Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen günstig zu halten, findet deshalb breite Zustimmung ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen. Anhand von Datensätzen von 2002 bis 2016 zu Kreditbeständen und Umsatz analysieren die Autoren die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen des nicht finanziellen Sektors. Zwischen diesen beiden Größen konnte grundsätzlich ein enger Zusammenhang nachgewiesen werden. Gleichwohl deutet sich auch eine klare Tendenz weg von der klassischen Finanzierung hin zu mehr direkter Finanzierung über den Kapitalmarkt an. (Red.)

Die deutschen mittelständischen Unternehmen1) leisten einen maßgeblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland und stellen mit Abstand die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung.2) Daher ist der Mittelstand immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen.3) Aus wirtschafts- und ordnungspolitischer Sicht ist es wichtig und nachvollziehbar, dass die Rahmenbedingungen für den Mittelstand unternehmerfreundlich sind, damit er wettbewerbsfähig ist und bleibt.4) Durch die Finanz- und Staatsschuldenkrise, die im August 2007 begann und deren Nachwirkungen auch 2017 noch zu spüren sind, haben sich die Rahmenbedingungen verändert.5)

Fünf unternehmenspolitische Herausforderungen

Mittelständische Unternehmen stehen gegenwärtig vor einer Reihe von unternehmenspolitischen Herausforderungen, um erfolgreich im Wettbewerb bestehen zu können. In diesem Zusammenhang werden in erster Linie die folgenden Herausforderungen genannt:6) (1.) Organisation der Unternehmensnachfolge, (2.) Chancen der Internationalisierung und Globalisierung nutzen, (3.) Umgang mit Digitalisierung und IT-Sicherheit, (4.) soziale und strategische Netzwerke finden und nutzen und (5.) Finanzierung nachhaltig sichern.

Der vorliegende Artikel greift das Thema "Finanzierung nachhaltig sichern" auf. In der wirtschaftspolitischen Diskussion wird in Teilen die Ansicht vertreten, dass sich die Finanzierungsbedingungen für deutsche mittelständische Unternehmen verschlechtert hätten.7) Es werden Argumente für und gegen diese Ansicht geführt, die an dieser Stelle nicht näher aufgegriffen werden sollen.8) Vielmehr wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, die Finanzierungsbedingungen für mittelständische Unternehmen anhand von historischen Daten seit dem Jahrtausendwechsel näher zu analysieren. Schließlich stellt die Unternehmensfinanzierung die Klammer um alle unternehmerischen Aktivitäten dar und leistet einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen Unternehmensentwicklung. In der Literatur erfolgt an dieser Stelle häufig ein Hinweis auf das sogenannte finanzielle Gleichgewicht im Unternehmen.9)

Im Zusammenhang mit dem erwähnten uneingeschränkten und wettbewerbsfähigen Marktzugang wird in jüngster Zeit oft die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und die zunehmende Regulierungsdichte für die Kreditwirtschaft - die Banken als natürliche Partner des Mittelstandes für die Bereitstellung von Fremdkapital - kritisch angeführt. Im März 2015 hat die EZB ein Anleiheaufkaufprogramm - das sogenannte Asset Purchase Programme (APP) - gestartet mit dem Ziel, der Kreditwirtschaft zusätzliche Mittel zur Kreditvergabe zur Verfügung zu stellen, um damit die Wirtschaft über zusätzliche Kreditvergaben anzukurbeln und die Inflationsrate wieder an die Zielmarke von 2 Prozent zu führen.10)

Entwicklung der Kreditbestände

Die Kreditvergabe an die Unternehmen scheint jedoch in letzten Jahren nicht signifikant gestiegen zu sein, sondern die zusätzlich geschaffene Liquidität (Anfang 2017 rund 1,6 Billionen Euro) wurde von den Banken zum Großteil direkt wieder bei der EZB angelegt - so belief sich die sogenannte Überschussliquidität Anfang 2017 auf über 1,3 Billionen Euro.11) Ein Grund dafür könnte in den regulatorischen Anforderungen aus Basel III und künftig Basel IV liegen, die von der Kreditwirtschaft ein nochmals strengeres Risikomanagement sowie eine erneut höhere Eigenkapitalunterlegung ihrer Geschäfte verlangen.12)

Vor diesem Hintergrund erscheint es reizvoll, die Finanzierungsbedingungen im aktuellen Umfeld für den deutschen Mittelstand näher zu analysieren. Dazu gibt es zwar bereits eine Vielzahl empirischer Untersuchungen,13) was nachvollziehbar ist, zumal der deutsche Mittelstand gern als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet wird. Folglich kommt den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für den deutschen Mittelstand besondere Bedeutung zu.14)

Ausgehend von der traditionell engen Bindung zwischen Hausbank und mittelständischen Unternehmen15) wird in dieser Arbeit die Entwicklung der Kreditbestände deutscher Unternehmen untersucht. Dazu wird auf die statistischen Daten zu den Kreditbeständen der Deutschen Bundesbank zurückgegriffen. Sie liegen (teilweise) seit den 1950er Jahre nach Branchen aufgefächert in absoluten Werten und auf Quartalsbasis vor. Für die vorliegende Untersuchung werden Daten ab 2002 betrachtet, um etwaige Strukturbrüche im Zuge der Euro-Einführung zu vermeiden.

Dienstleistungsgewerbe mit Abstand größter Kreditnehmer

Um die Entwicklung im Zeitablauf näher untersuchen und die Werte sowie die Entwicklungen besser vergleichen zu können, werden die Daten auf den Startpunkt Januar 2002 normiert und darauf aufbauend mit den jeweiligen kumulierten Veränderungsraten berechnet.16)

Abbildung 1 zeigt die Kreditbestände zu den drei Stichtagen 30. Juni 2002, 30. Juni 2009 und 30. Juni 2016 - aufgeschlüsselt nach Branchen. Auffällig ist dabei, dass der Kreditbestand im Dienstleistungsgewerbe in Höhe von fast 670 Milliarden Euro per 30. Juni 2016 mit Abstand der größte ist und rund 50 Prozent erreicht, während sich die Kreditbestände der übrigen Branchen im Bereich zwischen knapp 50 und gut 135 Milliarden Euro per 30. Juni 2016 bewegen. In Abbildung 2 ist die kumulierte Veränderungsrate der Kreditbestände für Unternehmen und wirtschaftlich selbstständiger Privatpersonen (damit sind von KMU bis zu Großunternehmen alle berücksichtigt) seit Anfang des Jahrhunderts dargestellt.

Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht

Die Entwicklung der Kreditbestände lässt sich in drei Phasen einteilen. Die erste Phase bis Ende 2005 war gekennzeichnet durch eine insgesamt rückläufige Kreditaufnahme. Anschließend gab es einen Anstieg der Kreditaufnahme bis Ende 2012, was angesichts der Finanz- und Staatsschuldenkrise überraschen mag. Ein Grund dafür könnten die weltweit getroffenen Maßnahmen zur Stützung der Realwirtschaft 2009 sein.17) Ende 2012 gab es einen deutlichen Rückgang der Kreditaufnahme; damit beginnt die dritte Phase, die sich durch eine moderate Erhöhung der Kreditbestände auszeichnet. In diese Phase fällt ab März 2015 das Anleiheaufkaufprogramm der EZB.18) Im nächsten Schritt wird nun die Entwicklung der absoluten Kreditbestände (Abbildung 3) von 2002 bis 2016 betrachtet.

Bemerkenswert ist, dass die Kreditbestände auch 2016 noch nicht wieder das Niveau erreicht haben, welches sie im dritten Jahr der Finanz- und Staatsschuldenkrise hatten. Aufgrund der Entwicklung auf aggregierter Basis stellt sich die Frage, ob die in Abbildung 3 dargestellte Entwicklung für alle Branchen repräsentativ ist. Abbildung 1 liefert bereits erste Hinweise, dass es möglichweise branchenspezifische Unterschiede geben könnte. Eng verbunden damit ist die Fragestellung, womit sich Unterschiede begründen lassen, sofern sie denn auftreten. Um sich dieser Frage zu nähern, werden ergänzend zur Entwicklung der Kreditbestände auch die Entwicklung der Umsätze herangezogen.19)

Bei der ersten Gruppe, bestehend aus den Branchen Handel, Instandsetzung von Kfz, Verarbeitendes Gewerbe, Bauwesen und Dienstleistungen sind die Kreditbestände durchgängig rückläufig, wobei sich im Dienstleistungsgewerbe ein kleiner Anstieg ab der zweiten Hälfte 2014 abzeichnet. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass auf diese Branche rund zwei Drittel der Kreditbestände entfallen. Dass das Dienstleistungsgewerbe den signifikant größten Teil an der Kreditaufnahme hat, ist nicht verwunderlich, zumal diese Branche 2016 knapp 69 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland erwirtschaftete.20) Auffällig ist, dass bei allen betrachteten Branchen die Umsätze seit 2008 - also mit Ausbruch der Finanz- und Staatsschuldenkrise - gestiegen sind. Hier liegt die Vermutung nahe, dass es bedingt durch die gestiegenen Umsatzerlöse zu einer Ergebnisverbesserung gekommen ist.

Ergebnisverbesserung absehbar?

Ob diese Vermutung tatsächlich zutrifft, soll nachfolgend einer detaillierten Prüfung unterzogen werden. Empirische Untersuchungen weisen darauf hin, dass ein Großteil der mittelständischen Unternehmen Familienbetriebe sind und daher eher eine konservative und risikoaverse Finanzierungspolitik betreiben.21) In Abbildung 4 wird für das Verarbeitende Gewerbe darstellt, wie sich Eigenkapital, Verbindlichkeiten und Rückstellungen von 2002 bis 2014 entwickelt haben. Im Betrachtungszeitraum sind die Eigenmittel um gut 4 Prozentpunkte gestiegen, die Verbindlichkeiten mit zirka 50 Prozent konstant geblieben während der Verschuldungsgrad zurückgegangen ist. An der einen oder anderen Stelle mag der Anstieg der Eigenmittel durch eine Kapitalerhöhung entstanden sein. In der Linie steht aber zu vermuten, dass hier (Teile der) Gewinne einbehalten und zur Finanzierung genutzt wurden. Die Bankverbindlichkeiten - sowohl langfristige als auch kurzfristige - sind insgesamt zurückgegangen; dies kann ein Indiz für vermehrte Eigenfinanzierung sein.

Die zweite Gruppe bilden die Branchen Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie Finanzierungsinstitutionen und Versicherungsgewerbe. Der Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung verzeichnet zunächst einen Anstieg der Kreditbestände, geht aber wieder leicht zurück. Auch hier ist die These näher zu untersuchen, ob der Anstieg der Umsatzerlöse ab 2010 zu einer höheren Gewinnthesaurierung geführt hat, sodass die Kreditaufnahme reduziert werden konnte.

Sonderstellung von Banken und Versicherungen

Im Bereich Finanzierungsinstitutionen und Versicherungsgewerbe erfolgt bis zum Jahreswechsel 2012/2013 ein deutlicher Anstieg der Kreditbestände, dann aber ein signifikanter Einbruch von dem aus es nur langsam wieder aufwärts geht. Diese Branche nimmt eine Sonderstellung ein, da sie selbst gegenüber anderen Branchen großer Kreditgeber ist. Hinzu kommt, dass im Zuge der Finanz- und Staatsschuldenkrise die regulatorischen Anforderungen hinsichtlich Eigenkapitalunterlegung und Risikomanagement deutlich gestiegen sind, was wiederum zur Reduzierung oder im Extremfall zum Einstellen bestimmter Geschäftszweige geführt hat. Die maßgebliche Ursache für diese Entwicklung dürfte in den Regelungen aus Basel III für die Banken beziehungsweise Solvency II für die Versicherungen liegen.22)

Die dritte Gruppe bilden die Branchen Energie, Wasserversorgung und Bergbau sowie Land- und Forstwirtschaft und Fischerei. Bemerkenswert ist der kontinuierliche Anstieg der Kreditbestände in beiden Branchen. Ob hier die sogenannte Energiewende und die Orientierung hin zu ökologischer Landwirtschaft eine Rolle gespielt hat (und noch spielt), lässt sich ohne nähere Analyse nicht beurteilen - das liegt außerhalb dieser Untersuchung und soll daher an dieser Stelle nicht vertieft werden.

Insgesamt wird deutlich, dass bei allen drei Gruppen - sofern die Größen verfügbar waren - ein kontinuierlicher Anstieg der Umsatzerlöse zu beobachten ist, und zwar unabhängig von der Entwicklung der Kreditbestände. Das spricht für die These, dass den Unternehmen grundsätzlich die Option der Selbstfinanzierung zur Verfügung stand, sodass eine Kreditfinanzierung nur im eingeschränkten Umfang notwendig war. Wenn Selbstfinanzierung - also die Finanzierung aus einbehaltenen Gewinnen - in hohem Maße zur Verfügung stand, dann sollte sich im Umkehrschluss in der Tendenz eine steigende Eigenkapitalquote beobachten lassen. Auch dies wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersucht. Die Entwicklung der Eigenkapitalquoten für KMU und Großunternehmen ist in Abbildung 5 dargestellt.

In Abbildung 5 ist deutlich zu erkennen, dass die Eigenkapitalquoten insgesamt gestiegen sind. Dies ist ein möglicher Erklärungsansatz für den Rückgang der Kreditbestände: Wenn sich Unternehmen auf dem Wege der Selbstfinanzierung Gestaltungspielräume für Investitionen schaffen, um damit ihre weitere Entwicklung und Expansion zu finanzieren, so benötigen sie weder zusätzliche Kredite noch andere Formen der Außenfinanzierung.23) Ob diese Schlussfolgerung valide ist, gilt es daher auf Branchenebene näher zu untersuchen.

Eigenkapitalquoten insgesamt gestiegen

Auf aggregierter Basis ist an dieser Stelle zunächst festzustellen, dass unterschiedliche Entwicklungen zwischen großen Unternehmen und KMU existieren, wie die Abbildung 6 zeigt. Eine Analyse dieser Daten verdeutlicht zweierlei: KMU haben ihre Bilanzposition Kredite gegenüber Banken seit 2012 reduziert, während große Unternehmen diese Position erhöht haben. Und: Die Eigenkapitalquoten sind sowohl bei KMU als auch bei großen Unternehmen angestiegen. Diese Ergebnisse unterstreichen die zuvor formulierte These, dass die Unternehmen im Betrachtungszeitraum 2002 bis 201424) in der Lage waren, Selbstfinanzierung durch Gewinnthesaurierung zu betreiben. Im Ergebnis führte dies zu einem Anstieg der Eigenkapitalquote.

Für jede Branche im Sinne der oben gewählten Systematik wird zunächst der zentralen Fragestellung nachgegangen, ob anhand der Rohdaten25) im Zeitraum von 2002 bis 2014 ein Zusammenhang zwischen den Variablen "Umsatz" und "Kreditbestand" erkennbar ist. Im Folgenden kommt der Test auf Unabhängigkeit und Korrelation zur Anwendung. Aufgrund der metrischen Merkmalsausprägung bietet sich der Test "Korrelationskoeffizient nach Bravais-Pearson" an. Dieser misst den linearen Zusammenhang zwischen zwei Variablen und eignet sich zum einseitigen beziehungsweise zweiseitigen Hypothesentest auf Unabhängigkeit.

Es wurden in der vorliegenden Arbeit die beiden Merkmale "Umsatz" und "Kreditbestand" aus Sekundärdaten über sechs Branchen26) hinweg berücksichtigt und mittels SPSS27) einer Korrelationsanalyse unterzogen. Die jeweiligen statistischen Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt.

Auf Basis der Ergebnisse der Korrelationsanalyse sind in der Tabelle 2 Hypothesen zu dem beschriebenen Status quo formuliert. Gegenstand der Untersuchung war ein möglicher Zusammenhang zwischen den Merkmalen "Umsatz" und "Kreditbestand". Dabei kann festgestellt werden, dass außer bei den beiden Branchen Handel und Instandsetzung von Kfz beziehungsweise Baugewerbe gerichtete lineare Zusammenhänge zwischen diesen Merkmalen bestehen. Im Zeitraum von 2002 bis 2014 existiert in den Branchen Energie, Wasserversorgung und Bergbau beziehungsweise Verkehr und Nachrichtenübermittlung ein sehr signifikanter Zusammenhang zwischen den Merkmalen "Umsatz" und "Kreditbestand". Des Weiteren gibt es in den Branchen Dienstleistungsgewerbe sowie Verarbeitendes Gewerbe einen mittleren signifikanten Zusammenhang zwischen Umsatz und Kreditbestand.

Prüfung auf signifikante Zusammenhänge

Die Analysen der Branchen Handel und Instandsetzung von Kfz beziehungsweise Baugewerbe im Betrachtungszeitraum verdeutlichen, dass in diesen beiden Branchen kein signifikanter Zusammenhang zwischen "Umsatz" und "Kreditbestand" besteht. Anders formuliert, eine Änderung des Umsatzes hat keinen signifikanten Einfluss auf den Kreditbestand.

Ferner wird in Form einer Zeitreihenanalyse der Fragestellung nachgegangen, inwieweit sich die Kreditbestände beziehungsweise Umsätze im Zeitablauf von 2002 bis 2014 ändern und somit ceteris paribus auch in Zukunft zu erwarten sind. Dazu wurden die Merkmale "Kreditbestand" und "Umsatz" aus Sekundärdaten berücksichtigt und mittels SPSS einer Regressionsanalyse unterzogen. Im Zuge dieser Analyse erfolgte neben den beiden Schätzern (â, ^b) für die Parameter der Regressionsgeraden auch die Ermittlung des Bestimmtheitsmaßes (R2). Die Tabelle 3 verdeutlicht die Ergebnisse.

Die Ergebnisse der Regressionsanalyse stellen sich vor allem bei der Zeitreihenanalyse der abhängigen Variable "Umsatz" interessant dar, denn in jedem der betrachteten Branchen existiert ein sehr signifikanter Zusammenhang zwischen "Jahre" und "Umsatz". Bis auf die beiden Branchen Baugewerbe (R2 = 0,752) und Verarbeitendes Gewerbe (R2 = 0,826) werden die Branchen mit einem Bestimmtheitsmaß von mindestens 0,92 abgebildet (vergleiche Tabelle 3). In diesem Fall kann das Regressionsmodell 92 Prozent der Varianz des Merkmals "Umsatz" im Zeitablauf von 2002 bis 2014 erklären. Mit anderen Worten: Das Regressionsmodell bildet den Datensatz gut ab und die Regressionsgleichung ist zu Prognosezwecke geeignet.

Differenziertere Betrachtung beim Merkmal "Kreditbestand"

Beim Merkmal "Kreditbestand" ist das Ganze differenzierter zu betrachten (vergleiche Tabelle 3):

- In der Branche Dienstleistungsgewerbe (R2 = 0,319) erklärt die Regression jeden Wert zu 31,9 Prozent. Der Rest hingegen kann durch die Regression nicht begründet werden und beruht auf anderen Faktoren oder ist zufällig. Im Zeitablauf von 2002 bis 2014 ändert sich aber das Merkmal "Kreditbestand" signifikant.

- In der Branche Energie, Wasserversorgung und Bergbau (R2 = 0,968) ändert sich das Merkmal "Kreditbestand" im betrachteten Zeitablauf signifikant. Das Regressionsmodell bildet den Datensatz deutlich ab und somit ist die Regressionsgleichung für Prognosezwecke geeignet.

- In der Branche Verkehr und Nachrichtenübermittlung (R2 = 0,579) ändert sich das Merkmal "Kreditbestand" im Zeitablauf von 2002 bis 2014 signifikant.

- In der Branche Handel und Instandsetzung von Kfz (R2 = 0,269) erklärt die Regression jeden Wert zu 26,9 Prozent. Der Rest hingegen kann durch die Regression nicht begründet werden. Erwähnenswert ist, dass die Regressionsgerade eine negative Steigung besitzt und dass der Zusammenhang zwischen "Jahre" und "Kreditbestand" nicht signifikant ist.

- Im Baugewerbe (R2 = 0,562) besitzt die Regressionsgerade eine negative Steigung. Es ändert sich jedoch das Merkmal "Kreditbestand" im Zeitablauf von 2002 bis 2014 signifikant.

- Es lässt sich erkennen, dass das Regressionsmodell des Verarbeitenden Gewerbes 43,4 Prozent der Varianz des Merkmals "Kreditbestand" erklären kann (vergleiche Tabelle 3) und es existiert ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Merkmalen "Jahre" und "Kreditbestand"

Auf Basis der durchgeführten statistischen Analysen zeigt sich, dass in vier von den sechs untersuchten Branchen ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Merkmalen "Umsatz" und "Kreditbestand" existiert und somit diese beiden Merkmale korrelieren (vergleiche Tabelle 1). Speziell in der Branche Energie, Wasserversorgung und Bergbau existiert ein sehr signifikanter Zusammenhang zwischen diesen beiden Merkmalen. Im Gegensatz dazu besteht in den Branchen Handel und Instandsetzung von Kfz sowie Baugewerbe kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Betrachtungsmerkmalen "Umsatz" und "Kreditbestand" (vergleiche Tabelle 1 beziehungsweise Tabelle 2).

Besonders hervorzuheben sind die Ergebnisse der Zeitreihenanalyse des Merkmals "Umsatz" im Zeitablauf von 2002 bis 2014 (vergleiche Tabelle 3). In den untersuchten Branchen sind die gefundenen Regressionsmodelle gut zu Prognosezwecken geeignet, um zum Beispiel perspektivische Aussagen über die nächsten fünf Jahre zuzulassen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Analyseergebnisse des Merkmals "Kreditbestand" im Zeitablauf von 2002 bis 2014 sehr unterschiedlich sind. In der Branche Handel und Instandsetzung von Kfz existiert zwischen den Betrachtungsmerkmalen kein signifikanter Zusammenhang; des Weiteren besitzt die Regressionsgerade eine negative Steigung. Wie in Tabelle 3 gezeigt wird, sind in den fünf weiteren Branchen die Regressionsmodelle ebenfalls gut zu Prognosezwecken geeignet.

Ziel der Untersuchung war es, die Finanzierungssituation deutscher Unternehmen näher zu untersuchen. Als ein wesentliches Ergebnis der durchgeführten Analysen wird deutlich, dass die Kreditaufnahme als klassischer Weg der Fremdfinanzierung scheinbar nicht mehr den Stellenwert einnimmt, den sie einmal hatte. Die Kreditbestände in vielen Branchen sind rückläufig, wobei parallel zu dieser Entwicklung in vielen Branchen die Umsatzerlöse gestiegen sind. Außerdem sind die Eigenkapitalquoten insgesamt gestiegen. Das legt den Schluss nahe, dass viele Unternehmen den Weg der Selbstfinanzierung beschreiten oder auf andere Weise ihre Eigenkapitalquote erhöhen konnten. Denkbar wäre es in diesem Zusammenhang, dass es eine Tendenz zu mehr direkter Finanzierung über den Kapitalmarkt geben könnte.

Weg der Selbstfinanzierung

Gleichwohl sind die Entwicklungen in den einzelnen Branchen durchaus unterschiedlich zu bewerten. Insbesondere die statistischen Untersuchungen haben gezeigt, dass in der Mehrzahl der betrachteten Branchen zwar eine Korrelation zwischen Kreditbestand und Umsatz besteht, diese Korrelation aber unterschiedlich stark ist und bei einigen Branchen gar nicht existiert. Und während sich das Merkmal "Umsatz" aufgrund der Ergebnisse der Zeitreihenanalyse recht gut für die Prognose der zukünftigen Entwicklung eignet, ist das bei den Kreditbeständen deutlich weniger ausgeprägt der Fall.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Finanzierung des deutschen Mittelstands einen Wandel zu durchlaufen scheint - weg von der klassischen indirekten Finanzierung über Banken hin zu mehr direkter Finanzierung über den Kapitalmarkt. Eine Ursache mag in den gestiegenen regulatorischen Anforderungen liegen. Darüber hinaus scheint die Ergebnisentwicklung der Unternehmen - zumindest in Summe betrachtet - mehr Spielraum für Selbstfinanzierung zu eröffnen. Es erscheint reizvoll, diese Themen in einer weiteren Untersuchung eingehender zu analysieren. Dabei wären auch Wege aufzuzeigen, durch welche flankierenden Maßnahmen sich mittelständische Unternehmen den Weg zum Kapitalmarkt ebnen können.

Fußnoten

1) Eine eindeutige Definition für "Mittelstand" gibt es nach Kenntnis der Autoren nicht; Mittelstand ist nicht zwingend gleichzusetzen mit kleine und mittlere Unternehmen (KMU); vgl. https://www.hk24.de/produktmarken/interessenvertretung/wirtschaft-politik/mittelstandspolitik/mittelstand_definitionen/1145582

2) Vgl. G. Fahrenschon et al. (Hrsg.) (2015), S. 40.

3) Vgl. W. Becker et al. (2015), S. 18.

4) Vgl. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/kern-der-deutschen-wirtschaft-mythos-mittelstand-12644823.html

5) Vgl. http://www.faz.net/aktuell/finanzen/droht-eine-neue-finanzkrise-kommentar-14874678.html

6) Vgl. u. a. F. Welter et al. (2014), S. 3; C. Rammer et al. (2016), S. 2f.; W. Schäfer (2016).

7) Vgl. O. Kessler (Hrsg.) (2015), S. 146f.

8) Vgl. u. a. G. Bräunig et al. (2004), S. 177; V. Zimmermann (2016), S. 8-10.

9) Vgl. u. a. L. Perridon et al. (2016), S. 646; G. Wöhe et al. (2013), S. 41.

10) Vgl. http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/whatever-it-takes-mit-drei-magischen-worten-in-die-neue-eurowelt-13064843.html

11) Vgl. Deutsche Bundesbank (2017).

12) Vgl. O. Kessler (Hrsg.) (2015), S. 105f.

13) Vgl. dazu u. a. W. Becker et al. (2015), S. 18-38; dort findet man einen umfassenden Überblick über die empirische Forschung zum Thema Mittelstandsfinanzierung der letzten 20 Jahre. Gemeinsam ist all diesen Analysen, dass sie primär auf Befragungen, Interviews et cetera mit mittelständischen Unternehmen basieren.

14) Vgl. G. Fahrenschon et al. (Hrsg.) (2015), S. VII.

15) Vgl. H. Giescher (2015), S. 32.

16) Vgl. https://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Statistiken/Zeitreihen_Datenbanken/Banken_und_andere_finanzielle_Institute/banken_und_andere_finanzielle...

17) Der sogenannte "Pakt für Beschäftigung und Stabilität" war das umfangreichste Konjunkturpaket der Nachkriegszeit; vgl. https://www.hk24.de/produktmarken/beratung-service/recht_und_steuern/steuerrecht/thema_unternehmensbesteuerung_gesetz/Konjunkturpaket_I_und_II/1...

18) Vgl. http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/anleihenkaufprogramm-ezb-kauft-zum-start-kraeftig-ein/11512756.html

19) Die Beziehung zwischen den Kreditbeständen und Umsätzen wird mit statistischen Verfahren untersucht.

20) Vgl. http://de.statista.com/statistik/daten/studie/36846/umfrage/anteil-der-wirtschaftsbereiche-am-bruttoinlandsprodukt/

21) Vgl. A. Achleitner et al. (2011), S. 37.

22) Vgl. https://www.voeb.de/de/themen/bankenregulierung/auf-dem-weg-zu

23) Vgl. A. Achleitner et al. (2011), S. 11.

24) Daten zu den Umsatzerlösen liegen nur bis einschließlich 2014 vor.

25) Vgl.http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Publikationen/Statistiken/Statistische_Sonderveroeffentlichungen/Statso_5/statistische_sonderveroeffentlichungen_5.html

26) Für die Branche Finanzierungsinstitutionen gibt es das Merkmal nicht, weil der Umsatz dort nicht sinnvoll darstellbar ist; für den Zweig Land- und Forstwirtschaft und Fischerei liegen keine Sekundärdaten vor.

27) SPSS ist ein Softwareprogrammpaket der Firma IBM zur statistischen Datenanalyse.

Ein umfassendes Literaturverzeichnis ist auf der Homepage unter Eingabe von Titel und/oder Autorenname abzurufen: www.kreditwesen.de

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ZBW econstor-puplish unter http://hdl.handle.net/10419/156177; hier findet sich die ausführliche Fassung Daube et al., Mittelstandsfinanzierung: Rahmenbedingungen, Status quo und Entwicklung, mit allen Auswertungen.

Zimmermann, V. (2016), Unternehmensbefragung. Frankfurt am Main.

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