Die neue Anlageverordnung für Versicherungen (AnlV)

Abbildung 1: Anlegergruppen in Spezialfonds Quelle: BVI

Markus Hammer, Leiter, Team Asset Management Tax, Partner, Pricewaterhouse-Coopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deutschland, Frankfurt am Main - Die deutschen Versicherer suchen angesichts des Niedrigzinsumfeldes intensiv nach Investitionen in langfristige Anlageklassen, mit denen sie die Renditeversprechen an ihre Kunden erfüllen können.

Allein schon aus diesem Grunde begrüßt der Autor die vom Gesetzgeber kürzlich verabschiedete und in Kraft gesetzte Anpassung der einschlägigen Anlageverordnung. Deren inhaltliche Ausgestaltung findet in der Grundausrichtung zwar insoweit seinen Zuspruch, dass Spezialfonds als attraktiver Durchführungsweg erhalten bleiben und die Investition in Immobilien den aktuellen Marktgegebenheiten angepasst wurden. Die Gelegenheit Infrastrukturfonds zuzulassen, wurde seiner Sicht nach allerdings verpasst. (Red.)

Versicherungsunternehmen müssen bei der Kapitalanlage neben den klassischen Fassetten Rendite, Liquidität und Risiko auch vom Gesetzgeber erlassene Einschränkungen beachten. Ein zentrales Element des Eingriffs in die Kapitalanlage bei Versicherern spielt dabei die Anlageverordnung (AnlV) - Verordnung über die Anlage des gebundenen Vermögens von Versicherungsunternehmen. Seit 2011 fand keine Anpassung der Anlageverordnung mehr statt und sie wurde von zahlreichen Marktteilnehmern dringend erwartet. Versicherern soll laut Begründung zur Anlageverordnung die Anlage in potenziell ertragreichere Anlagen möglich gemacht werden. Die Anlageverordnung soll aber auch das Risiko minimieren und dient letztlich zum Schutz der Versicherungsnehmer.

Für einige nur ein Zwischenspiel

Die neue Anlageverordnung ist vom Bundeskabinett am 25. Februar 2015 verabschiedet worden und ist mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt Anfang März 2015 in Kraft getreten. Der Wegfall des Investmentgesetzes durch das Kapitalanlagegesetzbuch und der Umsetzung der AIFM-Richtlinie in nationales Recht haben eine Änderung der Anlageverordnung notwendig gemacht. Das aktuelle Niedrigzinsumfeld und die bisher nur über bestimmte Konstruktionen mögliche Investition in Infrastruktur waren ebenso ein wichtiger Grund für die Anpassung der Anlageverordnung.

Für einige Marktteilnehmer wird die Anlageverordnung nur ein Zwischenspiel bis zum Jahr 2016 und der Implementierung von Solvency II sein, welche die Anlageverordnung ablöst. Andererseits ist es zu erwarten, dass alle nicht unter Solvency II fallenden Marktteilnehmer, von denen bereits heute bereits viele freiwillig die Anlageverordnung anwenden, weiterhin Orientierung und Sicherheit durch die Anwendung der in der Anlageverordnung gesetzten Grundsätze suchen.

In der Eigeneinschätzung des Verordnungsgebers führt die neue Anlageverordnung nicht zu einer Kostenbelastung und er sieht, wie bei vielen Verordnungen zum Eingriff in die unternehmerische Freiheit, keine Alternativen. Allerdings wird eingeräumt, dass risikoreichere Investitionen die Kosten des Risikomanagements erhöhen könnten.

Reguliertes Vermögen und Unternehmen

Versicherungsunternehmen (und Pensionsfonds) werden vom Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) erfasst und in ihrer Kapitalanlage zum Schutz des Endkunden reguliert. Nicht zu unterschätzen ist auch die freiwillige Anwendung der Anlageverordnung durch Dritte wie beispielsweise Stiftungen, kirchliche Einrichtungen und sonstige Versorgungseinrichtungen. Von der Anlageverordnung wird gebundenes Vermögen gemäß § 54 VAG erfasst. Das Sicherungsvermögen und das sonstige gebundene Vermögen werden als gebundenes Vermögen bezeichnet. Demgegenüber unterliegt das freie Vermögen einer Versicherung nicht der AnlV.

Ein wichtiger Grund für die Anpassung der Anlageverordnung ergab sich in der abweichenden Systematik des Investmentgesetzes zum abgelösten Kapitalanlagegesetz. Das Investmentgesetz unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Fondsarten aus regulatorischer Sicht. Da sind zum einen die Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere (sogenannte OGAW) deren Hauptverbreitungszweck Publikumsfonds sind, die sich in der Hauptsache an Privatanleger richten. Daneben stehen die alternativen Investmentfonds (sogenannte AIF), die schwerpunktmäßig an Unternehmen vermarktet werden und wenn die Anzahl der Anleger begrenzt ist als Spezial-AIF bezeichnet werden. Spezial-AIF werden in der nicht juristischen Literatur und in den meisten Statistiken immer noch als Spezialfonds betitelt.

Auch wenn nicht das gesamte gebundene Vermögen über Spezialfonds investiert ist stellt es durchaus den als Standardweg zu bezeichnenden Durchführungsweg dar. Versicherungsunternehmen stellen mit zirka 40 Prozent der Anleger in Spezialfonds die mit weitem Abstand wichtigste Anlegergruppe dar (Abbildung 1). Rechnet man alle Anleger, die sich der Anlageverordnung unterwerfen, zusammen, erkennt man, dass drei Fünftel aller Spezialfonds nach den Grundsätzen der AnlV verwaltet werden.

Asset Allocation im Rahmen der Anlageverordnung

Spezial-AIF dürfen zukünftig bis zu 100 Prozent in unverbriefte Darlehensforderungen investieren. Das ist nicht selbstverständlich, wo bisher eine strenge 30-Prozent-Grenze galt. Aus der Begründung lässt sich entnehmen, dass der Verordnungsgeber insbesondere an Infrastrukturinvestitionen über den Darlehensweg gedacht hat. Es bleibt bei aller Euphorie abzuwarten, ob für andere Darlehensforderungen weiterhin diese liberale Regelung Anwendung findet.

Obwohl Investitionen in Infrastruktur auf politischer Ebene nachhaltig gefordert werden, wurde die Möglichkeit nicht genutzt für Versicherer als besonders große und langfristig engagierte Investorengruppe eine eigene Vorschrift für Infrastrukturfonds zu schaffen. Direkte Investments bleiben damit weiterhin grundsätzlich verwehrt. Es besteht jedoch die Möglichkeit, in besicherte Darlehen und damit als Fremdkapitalinvestor in Infrastruktur zu investieren, sofern die Schuldner in der EU/EWR/OECD domizilieren. Die Qualität der Besicherung wird zukünftig entscheidend sein und mutmaßlich in der Aufsichtspraxis ausgeleuchtet werden. Es ist wahrscheinlich, dass für externe und interne Ratings eine differenzierte Behandlung durch die Aufsicht erfolgt. Die exakte Ausgestaltung im oberen B-Bereich bleibt abzuwarten.

Konsequenterweise werden Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapiere, Publikumsfonds, aus dem EU/EWR-Raum für die Anlage ohne weitere aufsichtsrechtliche Einschränkungen bevorzugt. Das bestehende Aufsichtsniveau auf Fondsebene ist bereits als hoch einzustufen und die Übertragbarkeit der Anteile an einen OGAW-Fonds (und deren Assets) wird als ebenfalls hoch angesehen. Wie in der Vergangenheit lohnt es sich auch bei OGAW die Sicherheit der Anlagen gesondert zu betrachten.

Insbesondere Versicherer nutzen gerne verschiedene Spezialfonds (Zielfonds) und bündeln diese über einen Masterfonds (Dachfonds). Dies gilt auch für die Fälle, wenn mehrere Kapitalverwaltungsgesellschaften beteiligt sind. Neben zahlreichen Vorteilen ist dies in Bezug auf die Anlageverordnung für das Reporting vorteilhaft, weil eine Konsolidierung aller Zielfonds-Assets auf der Ebene des Masterfonds stattfindet und für die Versicherung der Einbezug in die Auswertung des Gesamtbestands aller Kapitalanlagen vereinfacht wird.

Nach dem Koalitionsentwurf im Frühling 2014 war zu befürchten, dass der Masterfonds in einen OGAW umzuwandeln ist. Die erhöhte Kostenbelastung und für alle Beteiligten nicht zielführenden weiteren Nachteile haben zu der Einsicht geführt, dass die bestehenden Master-Spezial-AIF zukünftig doch nicht in OGAWs umgewandelt werden müssen.

Die 25-Prozent-Grenze für Immobilieninvestitionen bleibt erhalten, wobei die Durchführungswege erweitert wurden. Gänzlich neu ist die Möglichkeit in geschlossene AIF zu investieren. Im Hinterkopf hatte der Verordnungsgeber dabei insbesondere Mezzaninekapital.

Reporting

Alle der Anlageverordnung unterliegenden Assets werden zu einem einheitlichen Reporting zusammengefügt. Zwar unterliegt jedes einzelne Asset den strengen Kriterien der Anlageverordnung, aber für die Steuerung der aus der Anlageverordnung herrührenden Quoten ist stets der Gesamtüberblick aller Kapitalanlagen notwendig. Der Gesamtüberblick ist bereits bei der Direktanlage nicht mehr einfach. Bei der Anlage über Spezialfonds ist der Versicherer auf ein zuverlässiges und nachhaltiges Reporting angewiesen. Besonders herausfordernd sind Situationen, in denen mehrere Spezialfonds bei gegebenenfalls unterschiedlichen Kapitalverwaltungsgesellschaften eingesetzt werden, die ihrerseits wieder in andere Fonds investieren. Die meisten Versicherer können auf der Basis eines vom Bundesverband Asset und Investment Management zur Verfügung gestellten Musters die notwendigen Berechnungen auf Versicherungsebene durchführen.

Neben den Bestandsdaten (Name der Kapitalverwaltungsgesellschaft, WKN des Spezial-AIF, Währung) erschließt sich die Anlageverordnung am leichtesten über die Bewegungsdaten, die eine Aussage darüber zulassen, welche Assets überhaupt erworben werden dürfen - die Grenzen werden dann auf Versicherungsebene überprüft (Abbildung 2).

Zusätzlich ist noch eine Schuldnerliste zur Verfügung zu stellen. Die Investmentgesellschaft berichtet über die Anlage in die 10 größten Schuldner jedes Spezialfonds. Es findet eine weitere Differenzierung nach vereinfacht gesagt EWR/OECD-Staaten, nach EWR/OECD-Kreditinstituten, Aktien und sonstigen Anlagen statt. Besonderes Augenmerk gilt bei einem VAG-Reporting der Qualität der dem Reporting zugrunde liegenden Daten.

Zukünftig und verstärkt ab 2016 unter Solvency II werden auch weniger stark verbreitete Assets erworben und das über die einschlägigen Dienstleister verfügbare Informationsmaterial ist mehr als in der Vergangenheit zu hinterfragen. Zum Teil werden eigene Ratings unumgänglich werden, um eine Investiton zeitnah beurteilen zu können.

Mit Umsicht behandelt

Die neue Anlageverordnung hat auf das Niedrigzinsumfeld reagiert und eine Brücke zu den ab 2016 geltenden Vorschriften rund um Solvency II geschlagen. Die schwerwiegendsten Kritikpunkte wurden vom Verordnungsgeber mit Umsicht behandelt. Spezialfonds bleiben weiterhin ein auch nach der Anlageverordnung attraktiver Durchführungsweg der Kapitalanlage. Mit einer Präzisierung der neuen Anlageverordnung ist bereits im Jahr 2015 zu rechnen. Die Gelegenheit Infrastrukturfonds zuzulassen wurde verpasst; die Investition in Immobilien den aktuellen Marktgegebenheiten angepasst. Ein eigenes Ratingmodell wird für einige Versicherer noch wichtiger werden.

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