Neue Impulse für mehr Wagniskapital

Quelle: Neue Impulse für mehr Wagniskapital

Matthias Machnig, beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Berlin

Im Vergleich zu den USA besteht in Deutschland Nachholbedarf in Sachen Wagniskapital. Der Autor führt das auf eine dort bereits seit Jahrzehnten gewachsene Venture-Capital-Kultur zurück - genauso wie auf Schwierigkeiten bei den Exit-Strategien hierzulande. Der Bund steuert im Bereich der Startup-Finanzierung mit verschiedenen Förderinstrumentarien gegen. (Red.)

Wir erleben heute einen der wichtigsten technologischen Fortschritte des letzten Jahrhunderts - die Digitalisierung. Sie hinterlässt überall ihre Spuren, sie verändert unseren Alltag und in vielen Bereichen auch die Spielregeln. Durch junge, kreative Start-ups entstehen neue Geschäftsmodelle und innovative Technologien, die unsere Kommunikation, unsere Arbeit und unsere Wertschöpfung beeinflussen. Online-Marktplätze konkurrieren mit Einkaufszentren, Sharing-Ideen revolutionieren ganze Wirtschaftszweige. Start-ups aus dem Finanzdienstleistungssektor, sogenannte Fintechs, ändern das Zahlungs- und Kreditwesen und vieles mehr. Diese Entwicklungen haben vor allem Technologie- und Internet unternehmen aus dem Silicon Valley angestoßen. Aus kleinen Garagenfirmen sind innerhalb weniger Jahre riesige Konzerne geworden, die nicht selten den Takt vorgeben.

Gewachsene Venture-Capital-Szene in den USA

So unterschiedlich die Geschäftsmodelle und Ideen der Start-up-Szene auch sind - eines haben sie gemeinsam: Wagniskapital hat maßgeblich zu ihrem Erfolg beigetragen. Der Blick auf die USA mit seinen zahlreichen digitalen Weltmarktführern zeigt, dass der Zugang zu ausreichend Venture Capital (VC) ein entscheidender Faktor dafür ist, die ökomischen Chancen der Digitalisierung nutzen zu können. Der Kapitalbedarf für ein Start-up in Deutschland liegt nach Angaben des IKT-Branchenverbandes Bitkom bei durchschnittlich 2,5 Millionen Euro für zwei Jahre. Beim Thema Wagniskapital haben wir in Deutschland großen Nachholbedarf. Zwar hat Berlin in jüngster Zeit als Investitionsziel viel Aufmerksamkeit erfahren. Insgesamt wachsen die erfolgversprechenden Start-ups jedoch nach wie vor vergleichsweise langsam, weil es gerade in der Wachstumsphase an Kapital mangelt. In den USA wird, gemessen an der Wirtschaftskraft, jedes Jahr etwa fünfmal so viel in Wagniskapital investiert wie hierzulande. Die Gründe dafür sind vielfältig. So gibt es in den USA eine seit Jahrzehnten gewachsene VC-Szene, die bereits mehrere Fondsgenerationen aufgelegt hat und schon allein deswegen besser in der Lage ist, viel höhere Kapitalsummen anzuziehen. Im Gegensatz dazu ist der deutsche Wagniskapitalmarkt noch sehr jung.

Außerdem fällt der bei VC-Engagements übliche Exit in Deutschland noch zu schwer. Der Verkauf der finanzierten Unternehmen an strategische Investoren aus der Wirtschaft in Form eines Trade-Sale-Geschäfts funktioniert zwar relativ gut. Im Gegensatz dazu ist der Exit-Kanal Börse seit dem Platzen der Dotcom-Blase jedoch weitgehend verschlossen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat daher mit der Deutschen Börse und anderen Vertretern der deutschen IPO-Szene einen engen Austausch angestoßen, um mehr Börsengänge zu mobilisieren. Im letzten Sommer wurde zudem das "Deutsche Börse Venture Network" gestartet, mit dem deutsche Unternehmen an die Börse herangeführt werden sollen (siehe auch Beitrag Leupold auf Seite 478, Red.).

Auch die relativ kleine Investorenbasis in Deutschland und Europa ist eine Herausforderung. Als potenzielle Anleger kommen vor allem vermögende Privatpersonen, etwa in Form so genannter "Family Offices", sowie ausländische Kapitalgeber in Betracht. Für andere institutionelle Investoren, wie Banken und Versicherungen, gestaltet sich ein größeres Engagement nicht zuletzt aufgrund des regulatorischen Rahmens schwierig. Gerade vor diesem Hintergrund ist es sehr begrüßenswert, dass sich immer mehr deutsche Industrieunternehmen an Start-ups beteiligen und ihre eigenen Fondsaktivitäten ausbauen. Bei diesen Engagements steht oft weniger die Rendite im Vordergrund als der Nutzen einer Vernetzung für die eigene industrielle Produktion im Sinne einer Industrie 4.0.

Wichtige Investitionsanreize mit öffentlichen Mitteln

Trotz des steigenden Engagements der Industrie brauchen wir in der Start-up-Szene in Deutschland deutlich mehr Dynamik. Der Bund hat deshalb ein umfassendes Förderinstrumentarium im Bereich der Start-up-Finanzierung geschaffen. Um möglichst breite und umfassende Anreize zu geben, wird dabei sowohl zwischen einzelnen Finanzierungsphasen (Früh-/Seedphase, Gründungsphase, Wachstumsphase) als auch zwischen unterschiedlichen Zielgruppen differenziert. Neben Direktbeteiligungen an Unternehmen gibt es Unterstützung für Fondsinvestoren und VC-Fonds, um auch die dringend benötigten Impulse für die Entwicklung einer trag fähigen Investorenbasis zu geben.

Für die Früh- beziehungsweise Seedphase haben Industrieunternehmen, das Bundeswirtschaftsministerium und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) schon 2005 den High-Tech Gründerfonds als Public-Private-Partnership aufgelegt. Daneben greift das Exist-Programm, das eine finanzielle Unterstützung und Beratung von Gründern aus Hochschulen und für forschungsbasierte Gründungsvorhaben bietet.

Neuer Fonds Coparion

In der Gründungs- und frühen Wachstumsphase haben private Investoren (sogenannte Business Angels) die Chance, mit dem Invest-Zuschuss für Wagniskapital einen mittlerweile steuerfrei gestellten Zuschuss in Höhe von 20 Prozent der Investitionssumme zu erhalten, wenn sie Geschäftsanteile an jungen innovativen Unternehmen erwerben und die Beteiligung mindestens drei Jahre lang halten. Dieses Instrument wird weiter ausgebaut: Neben Business Angels sollen künftig auch Fondsinvestoren einen Zuschuss erhalten, die maximal förderbare Investitionssumme wird auf 500 000 Euro verdoppelt und die Steuern auf Veräußerungsgewinne werden erstattet.

Der neue Fonds Coparion mit einem Volumen von 225 Millionen Euro wiederum wendet sich direkt an junge Technologieunternehmen. Gemeinsam mit der KfW setzt das BMWi damit die Ausgliederung des Neugeschäfts des ERP-Startfonds in eine eigene Gesellschaft um und können dadurch künftig marktnäher agieren. Es ist vorgesehen, dass Coparion eine direkte Beteiligung an einem Unternehmen zu wirtschaftlich gleichen Konditionen wie ein privater Leadinvestor eingeht (pari passu). Instrumente, die sich an VC-Fonds richten, komplettieren das Förderportfolio. Dazu gehören zum Beispiel der gemeinsam vom EIF und ERP-Sondervermögen finanzierte ERP-/EIF-Dachfonds (Volumen: 1,7 Milliarden Euro) und die ERP-Venture-Capital-Fonds investments, die von der KfW mit einem Budget von 400 Millionen Euro durchgeführt werden.

Mit Unterstützung des Bundes gibt es damit für die Früh- und Gründungsphase ein ausreichendes Kapitalangebot. Und auch die Angebotslücke für die besonders kapitalintensive Wachstumsphase, die viele reifere und expansionswillige Start-ups vor Herausforderungen stellt, wird geschlossen. Zum Beispiel wurde gerade erst die neue ERP-/EIF-Wachstumsfazilität mit einem beträchtlichen Volumen von 500 Millionen Euro aufgelegt. Sie soll Finanzierungsrunden für deutsche Wachstumsunternehmen ermöglichen, die wegen fehlender Mittel bisher häufig nicht erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Dabei erfolgt das Investment immer zusammen mit anderen privaten Mitinvestoren zu wirtschaftlich gleichen Bedingungen. Auf diese Weise werden wichtige Anreize für privates Engagement gegeben und können private Mittel mindestens auf das Doppelte gehebelt werden.

Eckpunktepapier Wagniskapital

Die förderpolitischen Maßnahmen sind aber nur ein Teil der Strategie, mit der Start-ups und innovativen Technologieunternehmen der Zugang zu Wagniskapital erleichtert werden soll. Mindestens genauso wichtig ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Im "Eckpunktepapier Wagniskapital" hat sich die Bundesregierung auf eine Vielzahl von Maßnahmen geeinigt, mit denen mehr privates Kapital für junge, innovative Unternehmen mobilisiert werden soll.

Es geht zum Beispiel um das viel diskutierte Thema "Erhalt von Verlustvorträgen", also den für bestimmte Fälle geschaffenen steuerlichen Rahmen, der es Unternehmen trotz eines Wechsels bei seinen Anteilseignern erlaubt, ihre (teils erheblichen) Anlaufverluste zu nutzen und ihre Steuerlast auf diese Weise zu mindern. Ziel der hier zu geschaffenen Regelungen ist es, eine Substanzbesteuerung zu verhindern. Dafür gab es früher die sogenannte "Sanierungsklausel". Sie war insbesondere für solche innovativen Unternehmen wichtig, die sich noch in einer Forschungsphase befanden, für die Fortführung ihres Unternehmens dringend neues Kapital brauchten, aber bisher keinen Durchbruch erzielt hatten.

Keine neuen Belastungen

Seit einem Beschluss der Europäischen Kommission im Jahr 2011 ist die Sanierungsklausel nicht mehr anwendbar - ihr Schicksal bis zur endgültigen Entscheidung der Gerichte ungeklärt. Das BMWi setzt sich sehr dafür ein, in diesem Punkt schnellstmöglich eine europarechtskonforme Lösung zu finden, damit die steuerlichen Verlust vorträge von Wachstumsunternehmen nicht untergehen, wenn eine Anschlussfinanzierung ansteht oder strategische Investoren einsteigen wollen.

Auch kleinere Beteiligungen von Business Angels, Gründern und Investoren stehen im Blickfeld. So sieht das Steuerrecht vor, dass thesaurierte Veräußerungsgewinne sogenannter Streubesitzbeteiligungen unter 10 Prozent steuerfrei sind, wenn eine Kapitalgesellschaft dazwischengeschaltet ist. Das BMWi hat beschlossen, bei eventuellen Neuregelungen in jedem Fall keine neuen Belastungen für die Finanzierung von innovativen Unternehmen entstehen zu lassen. Im Entwurf zum Investmentsteuerreformgesetz wurde dies bereits berücksichtigt.

Neben einem attraktiveren Rahmen für Wagniskapital, der diese und weitere regulatorische Fragestellungen einbezieht, sind für den Erfolg von Start-ups und jungen technologieorientierten Unternehmen auch andere Faktoren maßgeblich. Ein gutes VC-Angebot trägt letztlich nur dann Früchte, wenn damit Geschäftsideen und Technologien finanziert werden, die am Markt überzeugen können. An diesem Punkt setzen weitere Ideen wie beispielsweise die sogenannten "regulatorischen Experimentierräume" an, mit denen künftig neue Technologien und Geschäftsmodelle in abgesicherten Räumen erprobt werden könnten. Diese und andere Initiativen hat das Bundeswirtschaftsministerium in der "Digitalen Strategie 2025" gebündelt, in der die Unterstützung von Start-ups eine besondere Bedeutung erhält. Denn nur mit einem neuen Gründergeist und einem attraktiven Wagniskapitalmarkt in Deutschland wird uns die digitale Transformation unserer Volkswirtschaft gelingen.

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