Ein Prinzip und seine Umsetzung - Best Execution und die Auswirkungen auf den Wertpapierhandel

Oliver Hans, Geschäftsführer, Baden-Württembergische Wertpapierbörse GmbH, Stuttgart In den Jahren seit dem Inkrafttreten der MiFID I im Jahr 2007 hat sich das Prinzip der Best Execution unter Börsenbetreibern zum Reizthema entwickelt. Einerseits herrschen an der grundsätzlichen Zielsetzung, die Orders von Privatanlegern, die keinen Ausführungsort vorgeben, bestmöglich weiterzuleiten, keine Zweifel. Andererseits ist aber die technische Umsetzung dieser Vorgabe durch die Best Execution Policies der Banken arg umstritten. Der Autor kritisiert vor allem, dass die expliziten Kosten für eine Orderausführung sowie der Spread am jeweiligen Handelsplatz meist alleine den Ausschlag für eine Orderweiterleitung geben. Im Mittelpunkt der Analyse, so fordert er, müssten aber alle sieben von MiFID definierten Kriterien, beispielsweise die Wahrscheinlichkeit und der Umfang der Ausführung, stehen. (Red.)

Seit 2007 bildet die EU-Richtlinie "Markets in Financial Instruments Directive" oder kurz MiFID das Fundament des Wertpapierhandels in der Europäischen Union. Zu den Zielen der Richtlinie zählen neben der Intensivierung des Wettbewerbs zwischen Handelsplätzen um Kundenorders insbesondere die Stärkung von Transparenz und Anlegerschutz sowie Verbesserungen bei der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Tatsächlich hat sich das Wettbewerbsumfeld im Wertpapierhandel seit 2007 grundlegend gewandelt. Im Zuge der MiFID trat eine Vielzahl außerbörslicher elektronischer Handelsplattformen auf den Plan, die heute mit den streng regulierten Börsen um Orderströme konkurrieren und rund zwei Drittel aller Handelsplätze in der EU ausmachen.

Betrachtet man den Wettbewerb unter den Handelsplätzen genauer, so rückt ein Thema in den Fokus, zu dem die MiFID ebenfalls einschneidende Vorgaben machte - die Verpflichtung von Banken zur Best Execution. Dahinter steht als grundlegende Idee, dass die Banken die Wertpapierorders ihrer Kunden an denjenigen Handelsplatz leiten sollen, der für die Anleger die bestmögliche Ausführung bietet. Sichergestellt wird dies durch eine Reihe in der MiFID definierter, nachvollziehbarer Kriterien. Diese gilt es zu berücksichtigen, falls der Anleger nicht von vornherein selbst eine Weisung bezüglich des Handelsplatzes erteilt. In Deutschland wurde die Pflicht zur Best Execution nach bestimmten Kriterien über § 33a des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) in nationalem Recht verankert.

Derzeit ist die Überarbeitung der MiFID in vollem Gange - etwa im Rahmen intensiver Konsultationen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA mit der Finanzbranche. Da im Zuge der Ausgestaltung von MiFID II bis 2016 auch die Best Execution wieder auf die Agenda rückt, ist es lohnend, deren Umsetzung in der Praxis auf den Prüfstand zu stellen und die bisherigen Ergebnisse der Regulierung einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Sieben Kriterien für bestmögliche Ausführung

Prinzipiell lässt sich hierbei feststellen, dass die Auswirkungen der Regulierung nicht unbedingt den ursprünglichen Intentionen des Gesetzgebers entsprechen, nämlich Anlegern zur bestmöglichen Ausführung ihrer Wertpapierorders zu verhelfen. Im Mittelpunkt einer Analyse muss dabei der von der MiFID definierte Kriterienkatalog stehen, nach dem Banken den Handelsplatz für die bestmögliche Ausführung ermitteln sollen. Besondere Bedeutung kommt hier zwei Kriterien zu: Zum einen den Kosten der Ausführung, die sich aus den Transaktionsentgelten und Gebühren von Handelsplatz und Bank ergeben, sowie zum anderen dem Preis des Finanzinstruments am jeweiligen Handelsplatz, also dem dortigen Spread. Zusammengenommen ergeben Kosten und Preis das Gesamtentgelt, an dem sich laut WpHG das bestmögliche Ergebnis für Privatkunden zu orientieren hat.

Daneben nennt die MiFID allerdings noch fünf weitere Kriterien, die ebenfalls zu berücksichtigen sind und sich in der Praxis durchaus vielschichtig darstellen. So kann die Geschwindigkeit der Ausführung je nach Anlageklasse unterschiedlich große Bedeutung bei der Ermittlung des bestmöglichen Handelsplatzes haben: Während bei hochliquiden, intensiv gehandelten Wertpapieren wie Blue Chips oder verbrieften Derivaten eine möglichst schnelle Ausführung Vorteile für den Anleger bringen kann, spielt sie beispielsweise im Anleihenhandel eine eher untergeordnete Rolle.

Beim nächsten Kriterium, der Wahrscheinlichkeit der Ausführung, stellt sich hingegen vor allem die Frage der Messbarkeit. Der Best-Execution-Report der Börse Stuttgart, der auf Basis kontinuierlicher Berechnungen der Handelsüberwachungsstelle monatlich veröffentlicht wird, verwendet hierfür die Kennzahl der Taxenpräsenz in Prozent: Sie zeigt, wie lange während der unterschiedlichen Handelsphasen der Handel an der Börse Stuttgart möglich ist. Je höher die Taxenpräsenz, desto wahrscheinlicher ist also die Orderausführung. Dem Best-Execution-Report der Börse Stuttgart wurde im Übrigen 2011 durch das Institut für Finance & Banking der Ludwig-Maximilians-Universität München bescheinigt, dass die enthaltenen Kennzahlen neutral, detailliert und ökonomisch aussagekräftig sind.

Ein weiteres zu berücksichtigendes Kriterium im Rahmen von Best Execution ist der Umfang der Ausführung - also ob die Order des Anlegers vollständig oder nur teilweise ausgeführt wird. Die beiden übrigen Kriterien sind die Art des Auftrags, das heißt die Verfügbarkeit unterschiedlicher Ordertypen, sowie schließlich die Abwicklung des Auftrags.

Nur explizite Kosten berücksichtigt

Die Beschreibung des Kriterienkatalogs macht deutlich, welch komplexe Aufgabe die MiFID den Banken bei der Auswahl des Handelsplatzes für die bestmögliche Ausführung der Wertpapierorders ihrer Kunden gestellt hat. Soweit die regulatorische Theorie - die Wirklichkeit sieht hingegen anders aus: Statt aller sieben wird häufig de facto nur ein Kriterium eingehend betrachtet, nämlich die expliziten Kosten. Sie sind für unterschiedliche Handelsplätze ohne großen Aufwand zu berechnen und zu vergleichen - viele Banken gehen hier den für sie einfachsten Weg. Schon die Untersuchung des nächsten zentralen Aspekts, des Preises eines Finanzinstruments, ist nämlich deutlich komplexer: Zur Ermittlung des jeweils günstigsten Spreads müssen umfangreiche Daten von den Handelsplätzen beschafft und ausgewertet werden. Am aufschlussreichsten wäre natürlich eine möglichst zeitnahe und fortlaufende Analyse der Handelsspannen - dies ist jedoch praktisch schwer umsetzbar. Deshalb setzen die Banken auf Stichproben, um die Preisqualität eines Handelsplatzes zu ermitteln. Allerdings sind diese punktuellen Prüfungen häufig auf einen isolierten Zeitpunkt und wenige Wertpapiere beschränkt und werden nicht regelmäßig genug vorgenommen. Entsprechend gering ist die Aussagekraft.

Hinzu kommt der Zeitpunkt der Stichprobe: Findet die punktuelle Auswertung beispielsweise ausschließlich innerhalb der Haupthandelszeit statt, kann das Ergebnis und damit die Rangfolge der Handelsplätze bei der Best Execution grundlegend von der Realität im Früh- und Späthandel abweichen, wenn weniger Liquidität im Markt ist. Im Klartext heißt das: Systematisch breiter gestellte Spreads in den Nebenhandelszeiten, die zu Lasten der dann ausgeführten Anleger gehen, bleiben in der Betrachtung unberücksichtigt. In der Konsequenz schneiden Handelsplätze besser oder schlechter ab, als es eigentlich angemessen wäre.

Großteil des Orderaufkommens

Dass es Mängel in der praktischen Umsetzung der Regelungen zu Best Execution gibt, macht auch ein Diskussionspapier der ESMA zu MiFID II deutlich. Unter Bezugnahme auf frühere Studien wird hier postuliert, dass Finanzdienstleister ihre Best Execution Policies künftig klarer und detaillierter formulieren und zudem deren Wirksamkeit besser überwachen sollten. So sei zum Teil nicht nachvollziehbar, warum einige Wertpapierfirmen Orders nur an einen bestimmten Handelsplatz leiten. Auch Unterschiede im Handel mit verschiedenen Wertpapierarten würden vernachlässigt.

Wie bedeutsam Best Execution für den Wettbewerb im Wertpapierhandel ist, zeigt ein Blick auf die Orderströme. So haben Banken, die im Auftrag eigener Kunden oder auch als Dienstleister für andere Institute große Ordervolumina auf sich vereinen, durch die Regulierung erheblich an Marktmacht gewonnen. Denn letztlich sind die Best Execution Policies dieser Banken maßgeblich dafür, an welchen Handelsplatz ein Großteil des Orderaufkommens fließt. Vor diesem Hintergrund sollte umso mehr gewährleistet sein, dass Untersuchungen und Prüfroutinen zur Best Execution so umfassend, transparent und aussagekräftig wie möglich ausgestaltet sind.

Fehlentwicklungen am Markt

Die verbreitete Praxis von Banken, sich auf die expliziten Kosten zu fokussieren, führt häufig zu einer weit überproportionalen Gewichtung dieses Kriteriums in der Gesamtbetrachtung. Dies läuft der eigentlichen Idee der Best Execution zuwider: Die Order des Anlegers gelangt dadurch eben nicht an den besten, sondern an den bei den expliziten Kosten günstigsten Handelsplatz. Dass gerade dort das niedrige Kostenniveau womöglich nur durch erweiterte Spreads und Abstriche bei der Servicequalität erreicht werden kann, lässt sich nicht von der Hand weisen.

Die Konsequenz sind Fehlentwicklungen am Markt: Handelsplätze, die sich auf besonders liquide Wertpapiere konzentrieren, bewusst auf eine niedrige Preis- und Servicequalität setzen und gleichzeitig die Gebühren möglichst gering halten beziehungsweise ganz abschaffen, werden unverhältnismäßig bevorzugt. Damit stärkt die MiFID de facto die Marktposition dieser Handelsplätze, statt für mehr Wettbewerb auf qualitativer Ebene zu sorgen.

Dieser Effekt kann jedoch nicht im Sinne der Anleger sein. Zur wirklich besten Ausführung gehören laut MiFID eben auch ein möglichst enger Spread, eine hohe Taxenpräsenz, die Vermeidung von Teilausführungen oder unterschiedliche Ordertypen. Ein solches hochwertiges Dienstleistungspaket, das mehreren Kriterien der Best Execution Rechnung trägt und weitreichend auf die Bedürfnisse privater Anleger eingeht, verursacht jedoch auch größeren finanziellen Aufwand, etwa für liquiditätsspendende Funktionen, Qualitätskontrollen und IT-Systeme. Dies ist dann über höhere Gebühren gegenzufinanzieren. Deshalb erleiden Handelsplätze mit hoher Dienstleistungsqualität erhebliche Wettbewerbsnachteile, wenn die Vorgaben zu Best Execution von Banken nicht vollumfänglich beachtet werden.

Dass explizite Kosten für die Orderausführung an einem Handelsplatz für Anleger nicht per se von Nachteil sind und im Zusammenhang mit anderen Kriterien betrachtet werden müssen, kommt vor allem bei weniger liquiden Wertpapieren mit breiteren Spreads zum Tragen. Dies lässt sich anhand einer einfachen Modellrechnung verdeutlichen, in die - wie im Rahmen von Best Execution zur Ermittlung des Gesamtentgelts vorgegeben - auch Unterschiede bei der Handelsspanne einfließen sollen. Beispielhaft geht es um ein Investment in 300 Aktien eines Nebenwerts, wobei sowohl der Kauf als auch der Verkauf berücksichtigt werden. An Handelsplatz A kann der Anleger die Papiere zum Briefkurs von 15,88 Euro kaufen und zum Geldkurs von 15,83 Euro verkaufen. Der Spread von 5 Cent schlägt bei 300 Aktien mit 15 Euro zu Buche. Zudem wird jeweils ein Transaktionsentgelt von 0,1 Prozent fällig, also explizite Kosten. An Handelsplatz B gibt es dagegen kein Transaktionsentgelt, allerdings liegt der Briefkurs für den Kauf bei 15,93 Euro und der Geldkurs für den Verkauf bei nur 15,78 Euro - der breitere Spread von 15 Cent wirkt sich hier mit 45 Euro aus.

Die Endabrechnung zeigt: An Handelsplatz A fallen für den Anleger zwar bei Kauf und Verkauf explizite Kosten in Höhe von insgesamt 9,51 Euro an, durch den engeren Spread spart er gegenüber Handelsplatz B jedoch 30 Euro. Das Gesamtentgelt wird also vom Spread und nicht von den expliziten Kosten dominiert. Unter dem Strich bleibt ein Vorteil für den Anleger von 20,49 Euro.

Wettbewerb wünschenswert

Ein sorgfältigerer Vergleich sowohl der expliziten Kosten als auch der Spreads von unterschiedlichen Handelsplätzen ist ein wichtiger Schritt, um dem Grundgedanken der Best Execution gerecht zu werden. Welchen Gestaltungsspielraum Banken im Sinne des Anlegerschutzes bei ihren Best Execution Policies darüber hinaus haben, macht ein Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) deutlich. Zusätzlich zu den in der MiFID genannten Kriterien könnten auch qualitative Faktoren zur Auswahl des besten Handelsplatzes herangezogen werden - etwa die Überwachung des Handels durch eine Handelsüberwachungsstelle (HÜSt), die Handelszeiten, die Belastbarkeit von Leistungsversprechen, die Beschwerdebearbeitung sowie das Service- und Informationsangebot für Investoren. Gerade wenn es um private Anleger geht, besitzen diese Aspekte und daraus resultierende Unterschiede zwischen Handelsplätzen sicherlich erhebliche Relevanz und sollten daher künftig stärkere Berücksichtigung finden.

Mit Blick auf mehr Anlegerschutz ist der von der MiFID forcierte Wettbewerb unter den Handelsplätzen um die bestmögliche Ausführung wünschenswert. Allerdings müssen die regulatorischen Vorgaben konkretisiert, konsequenter umgesetzt und in der Praxis genauer überprüft werden, damit auch tatsächlich Chancengleichheit hergestellt wird. Schließlich geht es um einen erheblichen Teil des Orderaufkommens: Viele Anleger können oder wollen den Handelsplatz nicht selbst auswählen. Ihnen sollten Banken diese Aufgabe in möglichst sinnvoller und nachvollziehbarer Weise abnehmen. Dazu ist es notwendig, sich bei den Best Execution Policies von der bisher praktizierten, bequemen, aber eindimensionalen Fokussierung auf die expliziten Kosten zu lösen. Banken sollten vielmehr auch die aktuellen Preise für Finanzinstrumente in kürzeren Zeitabständen und in breiterem Maßstab in die Analyse einbeziehen. Insbesondere eine Differenzierung nach Handelszeiten und Anlageklassen ist hier geboten und auch technisch umsetzbar. Zudem können Banken sich dazu entschließen, den Empfehlungen der Aufsichtsbehörden zu folgen und auch weiche Qualitätsfaktoren explizit zu berücksichtigen - damit Best Execution künftig tatsächlich für die bestmögliche Ausführung einer Order im Sinne der Anleger steht.

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