Professionalisierung als Wettbewerbsfaktor - Stärkung der Arbeitsmarktfähigkeit durch kontinuierliche Qualifizierung

Ralf Frank, Generalsekretär, DVFA - Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management GmbH, Frankfurt am Main

Ralf Frank, Generalsekretär, DVFA - Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management GmbH, Frankfurt am Main - Dass es einer Branche grundsätzlich förderlich ist, wenn das Management und die Aufsichtsorgane ihrer Unternehmen ein den Anforderungen des jeweiligen Marktes entsprechendes Qualifikationsniveau erreichen, dürfte kaum umstritten sein. Man kann aber darüber streiten, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Sollten Bankenaufseher die entsprechenden Marktstandards setzen und deren Einhaltung überprüfen? Oder sollte man diese Dinge der jeweiligen Branche überlassen? Der Autor tendiert zu einer Selbstverpflichtung. Mit der Weiterentwicklung der Professionsordnung, die für die Angehörigen des Berufsstandes der Investment Professionals Anforderungen an Weiterbildung und Engagement definiert und Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der ordentlichen Mitgliedschaft ist, will er der Öffentlichkeit, dem Gesetzgeber und nicht zuletzt der Marktaufsicht einen souveränen Umgang mit Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung dokumentieren. (Red.)

In den vergangenen Wochen haben einige internationale Banken bekannt gemacht, dass sie sich im Rahmen der Vorbereitung auf den Brexit für den Standort Frankfurt entschieden haben. Im Wettbewerb zwischen den europäischen Standorten haben die Lobbyisten immer wieder auf das hohe professionelle Niveau und die Vernetzung am Finanzplatz Frankfurt hingewiesen. Und tatsächlich wurde das Argument, dass hier eine Vielzahl hervorragend qualifizierter Fachkräfte zur Verfügung steht, offiziell als einer der Gründe für die Verlagerung von Aktivitäten aus London nach Frankfurt genannt.

Autonomie bei der Regelung eigener Angelegenheiten

Man kann noch einen Schritt weiter gehen: Es ist die Professionalisierung der Branche, die Frankfurt fit gemacht hat für den Wettbewerb der internationalen Finanzplätze. Professionalisierung - nach innen die Vermittlung, Anwendung und Erweiterung von Wissen, nach außen das Setzen von Standards und Selbstregulierung - geht nicht ohne den formalen Rahmen einer berufsständischen Organisation. In der DVFA, dem Berufsverband der Investment Professionals, versammeln sich Finanzanalysten (Buy und Sell Side), Fonds- und Assetmanager, Investmentbanker, Banker und Berater. Sie immer weiter in Richtung einer echten Profession zu entwickeln ist das Ziel. Dazu gehört auch eine gewisse Autonomie bei der Regelung eigener Angelegenheiten.

Anstelle von Verordnungen durch den Gesetzgeber Berufsinhalte und Usancen selbst festlegen zu können, bedeutet aber gleichzeitig, dass anerkannt wird, dass der DVFA neben dem Streben nach einer auskömmlichen Berufsausübung auch der Orientierung am Gemeinwohl verpflichtet ist. Nur wenn sich die Gesellschaft auf die Einhaltung der selbstgesetzten Standards verlassen kann, wird sie einer Profession den Vertrauensvorschuss zur Selbstregulierung gewähren. Ein auf Einsicht und Freiwilligkeit basierendes Rahmenwerk kann so die Regulierung durch den Gesetzgeber komplementieren. Denn klar definierte, aus intrinsischer Motivation entwickelte und umgesetzte Regeln entfalten einen höheren Grad an Verbindlichkeit als von außen auferlegte, oft praxisferne Vorschriften.

In diesem größeren Zusammenhang steht die neueste Weiterentwicklung der DVFA-Professionsordnung, die für die Angehörigen des Berufsstandes der Investment Professionals Anforderungen an Weiterbildung und Engagement definiert und Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der ordentlichen Mitgliedschaft im DVFA ist. Schon in der 2016 verabschiedeten Fassung verpflichteten sich die ordentlichen Mitglieder, sich kontinuierlich weiterzubilden und sich für die Profession zu engagieren und über ihre Weiterbildungsmaßnahmen und Engagements im Rahmen der Selbstauskunft Rechenschaft abzulegen.

Neues Qualitätskriterium für Investment Professionals

Um dieser Selbstverpflichtung mehr Verbindlichkeit zu verschaffen und damit der Öffentlichkeit, dem Gesetzgeber und der Marktaufsicht gegenüber zu dokumentieren, dass sich Ausbildungs- und Wissensniveau der Mitglieder der DVFA wechselnden Rahmenbedingungen und komplexer werdenden Anforderungen kontinuierlich anpassen, hat der Vorstand der DVFA per Satzungsänderung das "Zertifizierte Mitglied" eingeführt. Operativ umgesetzt wird diese Zertifizierung durch den Erwerb von "Credit Points" innerhalb von 24 Monaten. Am Ende der Periode verfallen die Credit Points (Ausnahme: erfolgreiche Teilnahme an Lehrgängen) und mit dem Beginn der nächsten Periode am 1. Januar 2019 muss ein zertifiziertes Mitglied einen Antrag auf Re-Zertifizierung stellen.

Welche Art von Engagement dabei wie viele Punkte bringt, wird von der Aufnahmekommission der DVFA festgelegt. Fachevents, Qualifizierungen, Mitarbeit an redaktionellen Produkten, ehrenamtliche Arbeit - die Bandbreite ist groß und auch Angebote dritter Anbieter und Veranstalter im Markt werden gewertet. Das Credit-Point-Schema orientiert sich an den Qualitätskriterien der Fairness, der Stabilität, der Allparteilichkeit und der Ausgewogenheit. Fairness bedeutet in diesem Verfahren, dass Mitglieder zwar vor Herausforderungen, aber nicht vor Anforderungen gestellt werden, die aufgrund der beruflichen Situation beziehungsweise der Seniorität des Mitglieds kaum oder nur unter größtem Aufwand zu erfüllen wären.

Stabilität bedeutet, dass die Zuteilung von Punkten über längere Zeiträume unverändert bleibt und als Orientierung dienen kann. Änderungen werden von der Aufnahmekommission vorgeschlagen und vom Vorstand formell beschlossen. Allparteilichkeit bedeutet, dass DVFA-Angebote nicht gegenüber kommerziellen, kostenpflichtigen oder ehrenamtlichen Angeboten Dritter bevorzugt werden. Und Ausgewogenheit schließlich bedeutet, dass die Zuordnung der Credit Points keine bestimmte Form des Engagements systematisch über- oder untergewichtet. Ein Mitglied kann die Benchmark nur dann erreichen oder übererfüllen, wenn alle seine Aktivitäten in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Per Selbstauskunft - eine Onlineplattform mit persönlichem Login - gibt das Mitglied seine Engagements an, und die dahinter liegende Systematik ordnet die Punkte zu und addiert sie zu einem Gesamtwert. An diesem Wert kann abgelesen werden, wie der (Fach-)Kenntnisstand und das Engagement einzustufen sind. Eine vom Vorstand vorgegebene Benchmark steht für den "DVFA Grade", mit dessen Nachweis das Mitglied die zertifizierte Mitgliedschaft beantragen kann. Weiterhin zeigt der Kandidat in seiner Bewerbung an, dass weder strafrechtliche oder berufsrechtliche Verfahren gegen ihn/sie anhängig sind - siehe § 5(4) der Satzung des Verbands.

Klare Zielsetzung: Digitales Werkzeug beherrschen

Damit signalisiert ein DVFA Grade in der öffentlichen Wahrnehmung professionale Exzellenz und verbessert auf dem Arbeitsmarkt die "Employability" (zu Deutsch etwa Arbeitsmarktfähigkeit) des Mitglieds. Ein DVFA Grade bescheinigt dem Mitglied, sich durch Einsatz von Zeit und Ressourcen für die Weiterentwicklung seiner professionellen Integrität zu engagieren und damit über hohe Kompetenzen, Wissen und einen professionelle Einstellung zu verfügen. Arbeitgeber können die Chance nutzen, sich bei der Einstellung und Beförderung von Mitarbeitern an deren DVFA Grade zu orientieren, weil dieser aussagt, dass ein Mitglied

a) seinen Kenntnisstand regelmäßig erneuert und

b) im Rahmen einer professionellen Selbstreflexion Usancen und Standards einer Überprüfung oder Überarbeitung unterzieht.

Dies ist umso wichtiger, als gerade im Finanzdienstleistungssektor die Herausforderungen stark zunehmen. Dabei sind nicht nur die bereits hinreichend dargestellten und diskutierten Vorgaben des Regulierers gemeint, die einen immer komplexeren Rahmen für den Beruf geben. Hinzu kommt ein souveräner Umgang mit Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung. Wer sich fit halten will für all diese Herausforderungen, muss die digitalen Werkzeuge im Griff haben und über den Tellerrand hinausblicken können.

Fragen, die die Zukunft der Profession überhaupt betreffen, stehen auf der Agenda. Wenn der Siegeszug des passiven, am Index orientierten Investierens anhält, verliert die klassische Aktienanalyse an Bedeutung. Wenn Algorithmen Computer immer leistungsfähiger werden, können vielleicht quantitative Analysen die qualitative ersetzen. Und wenn der Kostendruck weiter anhält, wird auch die Zunft der Analysten einer stärkeren Industrialisierung unterzogen werden. Das Berufsbild wird sich also weiterentwickeln - und das zertifizierte Mitglied wird dem besser gewachsen sein.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X