Kreditwesen aktuell zur gescheiterten Börsenfusion

" Die strategische Fortentwicklung der Deutschen Börse muss aus einer erkennbaren Verankerung in Frankfurt erfolgen"

Lars Hille
Quelle DZ Bank AG

Die Infrastrukturen des deutschen Kapitalmarkts sind effizient und funktionsfähig. Die Kapitalmarktteilnehmer und der Finanzplatz Deutschland können sich auf die Deutsche Börse als weltweit technologie- und qualitätsführendes Unternehmen verlassen, das noch dazu wirtschaftlich gesund ist. Das wurde durch die jüngsten Geschäftszahlen noch einmal untermauert. An diesen Stärken ändert sich durch das Aus für die Fusion kurzfristig nichts. Dementsprechend haben die deutschen Banken als zentrale Kunden und Geschäftspartner der Deutschen Börse zunächst einmal keinen unmittelbaren Schaden erlitten.

Suche nach Größe und Effizienz

Dennoch: Zusammenschlüsse von Börsenbetreibern oder auch geeignete Zukäufe sind grundsätzlich sinnvoll. Im Börsengeschäft sind Größe und Effizienz maßgebliche Faktoren für den Erfolg. Das gilt für die bereitgestellten Handelsplattformen, die dahinterliegenden technischen Systeme und ebenso für die zahlreichen Vor- und Nachhandelsdienstleistungen. Fusionen oder Übernahmen können dabei helfen, die Kosten auf mittlere Sicht nachhaltig zu reduzieren, um Erträge zu steigern und zugleich die nötige Größe zu erreichen, um noch weiteres Geschäft, weitere Liquidität und weitere Ertragspotenziale anzuziehen. Auch Emittenten, Investoren und Banken wissen eine hohe Liquidität zu schätzen - nicht zuletzt als Voraussetzung einer effizienten Preisbildung.

Der Gedanke einer Konzentration von Liquidität oder Clearing-Volumen auf Börsen wird noch dadurch unterstützt, dass regulatorische und aufsichtsrechtliche Vorgaben in den Tendenz eher darauf abzielen, Transaktionen von unregulierten Marktplätzen auf regulierte Börsenplätze zu bringen.

Die mit einer Fragmentierung der Handelsvolumina einhergehenden Ri siken sind bekannt und werden im politischen Raum vielfach, wenn auch längst nicht ausreichend, wahrgenommen. Aufnahmefähige Kapitalmärkte sind volkswirtschaftlich erfolgskritisch. Eine De-Frag mentierung von Geschäftsvolumen und die Etablierung starker Börsenbetreiber ist deswegen im Grundsatz betriebswirtschaftlich, aus Sicht der Emittenten, Investoren und Banken sowie aus Sicht der Politik nachvollziehbar. Dies sollte auch in der Zukunft bedacht und weiter verfolgt werden.

Umso mehr tun alle Beteiligten, aller verständlichen Ernüchterung zum Trotz, gut daran, den gescheiterten Fusionsanlauf sauber zu analysieren und daraus die richtigen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen - gerade mit Blick auf den Finanzplatz Frankfurt, aber auch aus der Perspektive des europäischen Kapitalmarkts insgesamt.

Engagement für den Standort

Kurz- und mittelfristig geht es jedoch erst einmal darum, auf Basis der erfolgreichen bestehenden Strukturen die Grundlagen für eine optimale Fortentwicklung sicherzustellen. Die zukunftsfähige strategische Fortentwicklung der Deutschen Börse und des hiesigen Börsenplatzes muss dabei aus einer erkennbaren Verankerung des Börsenbetreibers in Frankfurt erfolgen. Das liegt im gemeinsamen Interesse der Deutschen Börse und aller ihrer Stakeholder.

Dass ein Börsenbetreiber global denkt, global vernetzt ist und globale Kunden bedient, ist selbstverständlich. Dass er all dies auf einem festen Fundament an seinem Heimatstandort und mit entsprechender Verantwortung für diesen Standort tut, muss in seinem Tun aber auch erkennbar bleiben. Das intensive Engagement der Deutschen Börse für den Fintech-Standort Frankfurt und der große Einsatz für die Finanzierung von Wachstumsunternehmen sind Kennzeichen dessen.

Deutsche Kapitalmarktteilnehmer stärker als Sparringspartner einbinden

Beim anstehenden Strategieprozess ist auch zu bedenken, dass ein Börsenbetreiber ein Unternehmen mit einer besonderen Rolle ist: Erstens stellt es Infrastruktur bereit und zweitens betreibt es - wie im Falle der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) - eine öffentlich-rechtliche Börse. Folgerichtig können die notwendigen Entscheidungen nur dann erfolgreich umgesetzt werden, wenn ein Gleichlauf der Interessen aller Beteiligten sichergestellt ist.

Positiv formuliert: Die Geschichte der Deutsche Börse AG und des Börsenplatzes Frankfurt wird erst als gemeinschaftliche Anstrengung des deutschen Kapitalmarktes - der Emittenten, Investoren und anderer Kapitalmarktteilnehmer - und in engem Dialog mit den Aufsichtsorganen eine Erfolgsgeschichte. Der Börsenrat der FWB, in dem die zentralen Stakeholder-Gruppen versammelt sind, wird eine zentrale Rolle dabei spielen, den erforderlichen Strategiedialog zu moderieren und mobilisieren. Zu führen sein wird dieser Dialog ohnehin.

Es geht hierbei nicht darum, die Arbeit der Entscheidungsgremien eines Unternehmens von außen zu hinterfragen. Vielmehr muss es das Ziel sein, die deutschen Kapitalmarktteilnehmer noch stärker als bisher als Sparringspartner einzubinden und dabei in die Pflicht zu nehmen, bestehende Anforderungen agil und gemeinsam umzusetzen und Innovationen voranzutreiben - im Einklang mit unternehmerischen und internationalen Interessen der Deutschen Börse. Nach meiner Wahrnehmung gibt es aufseiten der Finanzindustrie ein übereinstimmendes und hohes Interesse daran.

Der Autor Lars Hille, Mitglied des Vorstands, DZ Bank AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, und Vorsitzender des Börsenrats, FWB Frankfurter Wertpapierbörse
Lars Hille , Vorsitzender des Vorstands , V-BANK AG, München
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