Frage an ... ... Frank M. Mühlbauer

Welche Chancen eröffnet das einheitliche Rechenzentrum für einen bundesweiten Kundenzugang?

Frank M. Mühlbauer, Vorsitzender des Vorstands, WL BANK AG, Münster

Trotz aller Komplexität des Fusionsvorhabens muss die neue Rechenzentrale des genossenschaftlichen Finanzverbundes schnell ihre volle operative Leistungsfähigkeit herstellen. So fordert es der Autor, denn er sieht das Unternehmen über sein bisheriges Leistungsspektrum hinaus in der Pflicht, dem genossenschaftlichen Sektor der deutschen Kreditwirtschaft Anschluss an technische Innovationen zu schaffen. Im Hinblick auf die Möglichkeiten eines bundesweiten Kundenzugangs seines Immobilienfinanzierers über das bundesweit einheitliche Rechenzentrum und damit ein vereinheitlichtes Kernbankensystem gibt er sich optimistisch. Die WL Bank arbeitet seit 1999 im Kernbankverfahren Bank-21 der GAD und treibt seit 2013 auch die Integration des Kernbankverfahrens Agree BAP der Fiducia voran. (Red.)

Der Zusammenschluss der beiden Rechenzentralen Fiducia IT und GAD war eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft der Genossenschaftlichen Finanzgruppe, weil die Entscheidung zur Fusion den Weg zu mehr Gemeinsamkeit und zu Synergien für alle Partner freigemacht hat. Durch das neue, einheitliche Rechenzentrum ergeben sich auf lange Sicht erhebliche Kosten- und Innovationssynergien, die dem gesamten Sektor nutzen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die gemeinsamen PS nun auch schnell auf die Straße gebracht werden. Selbstverständlich benötigt eine Fusion dieses Ausmaßes und ganz besonders mit solch anspruchsvollem technischem Hintergrund einen angemessenen Zeitraum für den Findungsprozess. Doch ist es für alle Beteiligten von großer Wichtigkeit, dass die neue Zentrale zügig ihre volle operative Leistungsfähigkeit erlangt.

Dazu muss sie noch weit über die bisherigen Levels der beiden Vorgängerinstitutionen hinauswachsen. Ziel sollte es sein, neben den bisher zur Verfügung gestellten Produkt- und Prozessleistungen zukünftig auch den Anschluss an technische Innovationen im Kontext der Fintech-Entwicklungen zu schaffen. Es wird ein zunehmend großes Aufgabenfeld der neuen Zentrale sein, dem genossenschaftlichen Sektor hier innovative und marktfähige Produkte zur Verfügung zu stellen.

Dass das einheitliche Rechenzentrum einen Gewinn für den Verbund darstellen wird, steht für die WL Bank außer Frage. Denn die Pfandbriefbank hat den Vorteil eines gemeinsam genutzten EDV-Systems schon früh als Stellgröße für das Gelingen flüssiger und redundanzfreier Prozesse identifiziert. Seit 1999 arbeitet sie - bisher als einziger Verbundpartner - vollständig im Kernbankverfahren Bank-21 der GAD, das auch von der überwiegenden Mehrheit der norddeutschen Raiffeisenbanken und Volksbanken genutzt wird. Die totale Integration in Bank-21 bedeutete für die WL Bank zunächst eine erhebliche Anstrengung. Denn es mussten nicht nur die Primärbank-Prozesse übernommen und angepasst werden, sondern außerdem viele Eigenanwendungen für die internen Abläufe im neuen System entwickelt werden.

Hebelwirkung auf der Kostenseite

Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Durch die Integration und die damit verbundenen personellen wie technischen Investitionen konnte der Kreditprozess in den Folgejahren erheblich verbessert werden. Die Vermeidung von Schnittstellen und Doppelerfassungen machte ihn spürbar schneller, effizienter und gleichzeitig störungsresistent, weil Primärbank und Verbundpartner im gemeinsamen Kernbankverfahren Bank-21 ohne Medienbrüche arbeiten. Regelmäßige Weiterentwicklung und konsequente Optimierung halten Geschwindigkeit und komfortable Nutzung des Prozesses auf konstant hohem Niveau. Auf diese Weise wurde der Auftrag zur subsidiären Dienstleistung in der genossenschaftlichen Finanzgruppe, zu der sich die Verbundpartner wie die Rechenzentrale verpflichtet sehen, positiv ausgeweitet: von der reinen Zulieferung fertiger Produkte hin zur gemeinsamen Entwicklung technischer Innovationen auf der Prozessebene.

Gerade hier erwarten die Volksbanken und Raiffeisenbanken von ihren Partnern und deren Angeboten eine Stärkung des eigenen Geschäftsmodells durch strategisch weitsichtige Unterstützung. Denn insbesondere Prozesse haben für die Volksbanken und Raiffeisenbanken große Bedeutung, weil ihre Optimierung eine hohe Hebelwirkung auf der Kostenseite entfaltet. Mit Blick etwa auf die aktuelle Zinsentwicklung und die daraus teilweise resultierenden ertragsmindernden Konsequenzen für die einzelne Bank stellt die Prozessoptimierung einen wichtigen Erfolgsfaktor dar.

Aus dem engen Zusammenrücken der eigenen IT mit derjenigen der Primärbanken und der Rechenzentralen als Folge der Systemintegration ergaben sich für die WL Bank und ihre Partner zusätzliche Vorteile. Gemeinsam konnten Optimierungen und neue Releases schneller entwickelt und vor allem aufeinander abgestimmt werden. Die Fusion der beiden Rechenzentralen antizipierend hat die Bank 2013 beschlossen, sich in Zusammenarbeit mit der Fiducia IT auch um eine Integration in das Kernbankverfahren Agree BAP zu bemühen. Ziel war bereits damals, am langen Ende zu einem gemeinsamen System für alle Banken und Verbundpartner zu kommen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Für alle ließe sich der Aufwand für Optimierungen und Weiterentwicklungen erheblich reduzieren, weil nur noch in einem System zu arbeiten wäre. Weder müssten Innovationen des einen Verfahrens in gleicher Qualität im anderen System nachgebildet werden, um kompatibel zu bleiben, noch wären immer neue oder verbesserte Schnittstellen für die veränderten Strukturen notwendig.

Von den dadurch erreichten Synergien würde die gesamte Finanzgruppe profitieren. Derzeit arbeiten viele Verbundpartner und auch Primärbanken auf anderen Plattformen und nicht in einem der beiden Kernbankenverfahren. Erst dann würde der Zusammenschluss der Rechenzentralen aber seine volle Wirkung für den gesamten Sektor entfalten, weil Investitionen in die Weiterentwicklung des Systems allen zugute kommen.

Umstellung innerhalb von fünf Jahren

2013 war eine solche Entwicklung noch weniger absehbar als heute. Dennoch hat sich die WL Bank bereits vor drei Jahren in einem gemeinsamen Projekt mit der Fiducia IT und der GAD auf den Weg gemacht, eine dem Bank-21-Anschluss vergleichbare Einbettung in das Verfahren Agree BAP zu entwickeln. Diese Lösung sollte zukunftsfähig sowohl für die bereits heute in Agree BAP arbeitenden Banken als auch für diejenigen Häuser sein, die zukünftig auf das neue gemeinsame Verfahren Agree-21 migrieren. Dieses Verfahren soll die Vorzüge beider bestehenden Systeme verbinden, basiert jedoch auf dem Fiducia-System Agree BAP. Für rund 440 bisherige Anwender von Bank-21 (Primär- und Spezialinstitute) bedeutet das eine Umstellung des bisherigen Kernbankverfahrens innerhalb der kommenden fünf Jahre.

Kreditbeantragung aus dem bankeigenen System

Ziel ist, dass in naher Zukunft alle Volksbanken und Raiffeisenbanken ihren Endkunden Finanzierungen der WL Bank aus dem eigenen System heraus anbieten können. Im Verlauf dieses Kreditantragsprozesses werden unter anderem das Rating und die Kreditentscheidung direkt vor Ort vorgenommen. Bei positiver Votierung können deshalb direkt im Beratungsgespräch die erforderlichen Vertragsunterlagen gedruckt und ausgehändigt werden. Für die Volksbanken und Raiffeisenbanken vor Ort ist so der Kreditantragsprozess ihres Verbundpartners ohne Systembrüche und Datendoppelerfassung in den eigenen Arbeitsablauf integriert. Das ist für sie wichtig, weil ein Wechsel des Systems selbst mit nur teilweiser Nacherfassung der Kundendaten das Beratungsgespräch bremsen könnte. Auch den nachfolgenden Antrags- und Bearbeitungsworkflow oder möglicherweise weiterführende Cross-Selling-Ansätze würde das gegebenenfalls beeinträchtigen.

Derzeit wird die gemeinsam mit den beiden Rechenzentren erarbeitete Lösung von Pilotbanken getestet, um noch im Herbst dieses Jahres den Breiteneinsatz starten zu können. Dann steht allen Volksbanken und Raiffeisenbanken unabhängig von ihrer Anbindung an die bisherigen Rechenzentralen eine tief integrierte Antragstellung zur Verfügung. Für die Volksbank oder Raiffeisenbank macht die Fähigkeit zur Kreditbeantragung aus dem bankeigenen System einen Wettbewerbsfaktor aus, der zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Damit wird die Integration des Verbundpartners in das Kernbankverfahren erlebbare Subsidiarität in der genossenschaftlichen Bankengruppe - zur Erhaltung und Stärkung der Partner vor Ort.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X