Zahlungsverkehr in Zeiten des Wandels und der Digitalisierung

Olaf Kilimann, Vorsitzender des Vorstands, Volksbank Marl-Recklinghausen eG, Marl, und Vorsitzender des BVR-Fachrats Zahlungsverkehr

Quelle: Volksbank Marl-Recklinghausen

Olaf Kilimann, Vorsitzender des Vorstands, Volksbank Marl-Recklinghausen eG, Marl, und Vorsitzender des BVR-Fachrats Zahlungsverkehr - Viele Jahre galt das Girokonto zwar als Türöffner des Bankgeschäftes, der Zahlungsverkehr im Allgemeinen war für viele Banker aber eher eine Randdisziplin. Mit der zunehmenden Digitalisierung und ihren teils noch gar nicht absehbaren Entwicklungen ist dieser Bereich inzwischen stark in den Blickpunkt gerückt, nicht zuletzt weil viele Neuerungen und Bedrohungen der Geschäftsmodelle vonseiten neuer Wettbewerber aus diesem Umfeld kommen. Der Autor schildert die Herausforderungen und die Positionierung der genossenschaftlichen Gruppe anhand von vier Produkten beziehungsweise Infrastrukturvorhaben, nämlich der PSD2-Vorbereitung via Berlin Gruppe, den absehbaren Entwicklungen bei Echtzeitzahlungen, der kontaktlos Strategie mittels Girocard und mobile Girocard sowie den breiteren Einsatzmöglichkeiten von Terminals ohne PIN-Pad. (Red.)

Der Terminus "Banken im Wandel" wird zwar gerade inflationär benutzt, doch beschreibt er gut, dass Banken sich immer wieder neu erfinden müssen. Dabei muss aber der Kern der genossenschaftlichen Bankidentität immer gewahrt bleiben: nämlich die strikte Mitglieder- und Kundenorientierung. Die Welt ist dank Digitalisierung und Internet weitaus transparenter geworden. Kunden tauschen sich auf digitalen Plattformen aus, teilen dort ihre Erfahrungen und bewerten Banken, Unternehmen und deren Produkte. Unternehmen, Banken und Nichtbanken, müssen sich heute diesen Herausforderungen stellen, um auch weiterhin am Markt alle Chancen zu haben.

Regulierung und Digitalisierung als große Herausforderungen

Der Einzug der Digitalisierung in die Finanzwelt erfordert es, konsequent die Perspektive der Kunden einzunehmen. Angebote dürfen nicht im Elfenbeinturm entwickelt werden, sondern müssen dem Kunden schmecken. Doch warum macht sich diese Schnelligkeit des digitalen Wandels gerade im Zahlungsverkehr besonders bemerkbar? Der Zahlungsverkehr

- ist ein täglicher sichtbarer Kontaktpunkt mit den Kunden, der teilweise auch bereits unmerklich in eine Gesamtwertschöpfungskette integriert ist,

- hat das Potenzial, in das Thema Big Data einzuzahlen (hier ergeben sich mögliche neue Erlösmodelle zumeist für Nicht-Banken) und

- "scheint" einfach zu sein. Hier mussten jedoch in der jüngsten Vergangenheit Unternehmen wie Click and Buy und Yapital Lehrgeld bezahlen, da sie nicht verstanden haben, dass sich Kundenbedürfnisse nur langsam ändern und dass die Regulierung die Erlösmodelle komplett verändert hat.

Die Fachratsarbeit am konkreten Beispiel

Mit Blick auf die Rahmenbedingungen ist auch deutlich geworden, dass die größte Herausforderung für Banken nicht das sich verändernde Kundenverhalten ist, sondern die Regulierung. Allein aufgrund der sogenannten Interchange Verordnung der EU-Kommission (2016) gehen den deutschen Kreditinstituten auf der Erlösseite zirka 463 Millionen Euro Erlöse per annum verloren. Damit wird deutlich, dass der Regulator einen erheblichen Einfluss auf die Rentabilität von Bankprodukten und Infrastrukturen hat.

Es ist eine Besonderheit des Fachrates Zahlungsverkehr, dass dort nicht nur Entscheidungen zu ZV-Produkten, sondern auch zu den Infrastrukturen zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs getroffen werden. Hier wird auch der Spagat der Arbeit des Fachrates deutlich, nämlich bei einer konkreten Produktausgestaltung auch stets die Auswirkungen auf die gemeinsamen Infrastrukturen, quasi die Schienen auf denen Produkte von Banken oder Nichtbanken sich bewegen, mit zu bedenken.

Konkrete Veränderungen ergeben sich aktuell aus den regulatorischen Normen der PSD2 (Zahlungsdienste-Richtlinie), die ab 13. Januar 2018 einzuhalten sind. Diese geben vor, dass die von Banken privat finanzierte Infrastruktur auch gegenüber Dritten (diesen gegenüber preisfrei) geöffnet werden muss (bekannt als Kontozugriff durch Drittdienste oder "XS2A"), während aber zum Beispiel Betrugsschäden primär von den Banken gemanagt werden müssen. Diese Entwicklung steht im Konflikt zu althergebrachten Geschäftskonzepten, die häufig auf der Monetarisierung der Infrastruktur durch die Drittdienstleister oder Händlerkunden basierte.

Produkte und Infrastrukturen im Fokus

Ganz konkret und immer geleitet von dem Gedanken, die Genossenschaftliche Finanzgruppe auch im Zahlungsverkehr leistungsfähig und zukunftsfähig aufzustellen, beschäftigt sich der Fachrat Zahlungsverkehr aktuell unter anderem mit folgenden vier Produkten und Infrastruktur-Vorhaben.

PSD2-Vorbereitung via Berlin Group: Der wesentlichste Punkt bei der EU-Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) ist die "Öffnung der Bankschnittstellen" für Drittdienste (Zahlungsauslöse- und Kontoinformationsdienste). Hierbei müssen die Drittdienste keine Verträge mit den Kreditinstituten schließen und für die Nutzung der Schnittstellen an die Kreditinstitute nichts bezahlen. Zudem hat die PSD2 erhebliche Auswirkungen hinsichtlich der Sicherheit, insbesondere zur Zwei-Faktor-Autorisierung und beim Zugang zum Onlinebanking. Die von der EBA erarbeiteten Umsetzungshinweise, die "EBA RTS", beschreiben die technische Umsetzung der PSD2.

Aus Sicht der kontoführenden Bank ist es wichtig, dass sie tatsächlich die Chance hat, die Drittdienstleister zu identifizieren, da diese Dienste zu differenzierende Zugriffsrechte haben (datenschutzrechtlich abzugrenzende Leserechte und Zugriffsrechte). Die genossenschaftlichen Banken werden hierbei eine einheitliche und regelkonforme sogenannte PSD2-Schnittstelle implementieren.

Für das sogenannte Screen Scraping durch Dritte, mit dem die Sicherheit des Onlinebankings nicht garantiert werden kann, besteht daher keinerlei Erfordernis mehr und sollte daher vom EU-Gesetzgeber, wie von der EBA gefordert, definitiv nicht mehr zugelassen werden. Dabei ist es notwendig, eine möglichst konkrete Form der Umsetzung zu finden, da ansonsten weiter ein unkontrollierter Zugriff von Drittdiensten auf die Kontoschnittstellen zu erwarten ist, was bereits heute zu hohen IT-Kosten für die kontoführenden Banken führt.

Zudem wäre dies im Hinblick auf die in der PSD2 verankerten Haftungsgrundsätze (primäre Haftung durch die kontoführende Bank, dann möglicher Regressanspruch gegen den Drittdienstleister) auch ordnungspolitisch nicht hinnehmbar: In Haftungsfällen könnte die kontoführende Bank keinen Regress nehmen, da der Drittdienstleister weiterhin unbekannt wäre.

Nicht nur Risiken, sondern auch Chancen der Veränderungen

Zugleich gilt es, nicht nur die Risiken, sondern auch die großen Chancen der Veränderungen durch die PSD2 zu sehen. Banken können hier ein großes Ökosystem für ihre Mitglieder und Kunden schaffen, die sich sowohl auf der Nachfrageseite (Privatkunden) und auf der Angebotsseite (Firmenkunden) befinden. So gesehen bietet die PSD2 sehr gute Chancen, die genossenschaftliche Idee weiter mit Leben zu füllen. Für die genossenschaftliche Bank ist es positiv, dass sie das Mitglied und das Bankkonto noch zentraler in den Mittelpunkt stellen kann.

Allerdings stellt die PSD2 auch eine erhebliche Kostenbelastung für die Infrastruktur der Banken dar, da nicht mehr der (menschliche) Kunde die Schnittstelle bedienen muss, sondern häufig ein durch eine "Maschine" gesteuerter Mechanismus, der durch Datenabfragen der Bank erhebliche Kosten verursachen kann. Dies steht möglicherweise mit kostenfreien beziehungsweise volumenunabhängigen Pauschalpreismodellen in Konflikt.

Europaweit einheitliche Schnittstelle

Daher legt der Fachrat Zahlungsverkehr viel Wert auf eine leistungsfähige und preiswerte IT-Infrastruktur der genossenschaftlichen Rechenzentren. Um dieses Ziel zu erreichen, tritt die Genossenschaftliche Finanzgruppe für eine europaweit einheitliche Schnittstelle ein; diese Position wird auch durch die Deutsche Kreditwirtschaft vehement vertreten. Eine Kooperation, um diese diskriminierungsfreie Schnittstelle zu definieren, ist mit wesentlichen Playern aus Europa auf den Weg gebracht worden.

Instant Payments: In diesem Kontext treibt der Fachrat Zahlungsverkehr auch die Entwicklungen bei Instant Payments (Echtzeitzahlungen) voran. Denn das oben beschriebene digitale Ökosystem wird dann für unsere Kunden und Mitglieder besonders interessant, wenn Informationen und Zahlungen sehr schnell auf der Plattform ausgetauscht werden können. In diesem Sinne laufen derzeit in der genossenschaftlichen Finanzgruppe, gesteuert vom Fachrat Zahlungsverkehr, umfangreiche IT-Projekte, um bis zum 4. Quartal 2018 die technischen Grundlagen für die Abwicklung von Echtzeitzahlungen geschaffen zu haben.

Auf dieser Basis werden dann von den Volksbanken Raiffeisenbanken rasch, entsprechend der Marktnachfrage der jeweiligen Kundengruppen, erste Instant-Payments-Produktangebote zur Verfügung gestellt werden. Die Bedeutung von Instant Payments dürfte in den nächsten Jahren stetig ansteigen. Im ersten Schritt werden dabei vornehmlich heutige im Massenzahlungsverkehr übliche Bezahlverfahren, wie die Standardüberweisung, ergänzt werden. Mittelfristig ist aber auch durchaus zu erwarten, dass derzeitige Bezahlmethoden, wie Bargeld, durch Echtzeitzahlungen immer stärker substituiert werden.

Kontaktlose und mobile Girocard

Kontaktlos-Strategie (Kreditkarte und Girocard): Viele Kunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken haben die kontaktlose Girocard bereits in ihren Geldbeuteln. Bis Ende des Jahres 2017 werden bundesweit von allen Bankengruppen in Deutschland zirka 39 Millionen Girocards kontaktlos ausgegeben sein. Bis 2020 soll es nur noch NFC-fähige Girocards geben. Die Girocard kontaktlos ist also im Markt angekommen. Die gleiche positive Entwicklung hat der Fachrat Zahlungsverkehr im Jahr 2016 auch bei den Kreditkarten auf den Weg gebracht. Zwischenzeitlich werden alle genossenschaftlichen Kreditkarten (Mastercard und Visa) grundsätzlich als Kontaktloskarten ausgegeben.

Denn die Vorteile der neuen Technologie sind klar: Ohne die Karte aus der Hand geben zu müssen, durch schlichtes Halten vor das Bezahlterminal, kann damit an der Kasse bezahlt werden. Das funktioniert bei Bons bis zu 25 Euro ohne Eingabe der PIN. Dabei war die Genossenschaftliche Finanzgruppe auch hier der Wegbereiter innerhalb der gesamten deutschen Kreditwirtschaft, da bereits im Herbst 2015 erste kontaktlose Girocards im Großraum Kassel ausgegeben wurden.

Bereits seit Anfang Dezember 2016 läuft in Hessen ein Pilotprojekt der genossenschaftlichen Finanzgruppe zum Bezahlen via Smartphone mit der mobilen Girocard - also der digitalen Girocard. Sie kann überall dort eingesetzt werden, wo man auch mit der Girocard kontaktlos bezahlen kann. Das Bezahlen am Terminal läuft damit genauso wie bei der physischen Kontaktloskarte. Anstelle der Bankkarte wird das Smartphone vorgehalten. Übertragen werden die Daten via Near Field Communication (NFC). Als nächster Schritt werden ab Dezember 2017 in einer weiteren Pilotierung die Kartendaten nicht mehr in der SIM-Karte eines Telefonunternehmens gespeichert, sondern in der Cloud (HCE) abgelegt. Neben der Girocard werden hierbei parallel auch die genossenschaftlichen Kreditkarten digitalisiert, diese können in gleicher Weise in die VR-Banking-App geladen werden. Voraussichtlich ab dem Sommer 2018 wird der Flächenrollout dieses neuen Angebotes zum mobilen Bezahlen per Smartphone an alle Kunden der Volksbanken Raiffeisenbanken erfolgen.

Bei aller berechtigten Zuversicht zu den neuen Produkten ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die digitalen Karten (Mastercard, Visa, Girocard) das kontaktlose Bezahlen per "Plastikkarte" auf absehbare Zeit komplett ersetzen werden.

Neue Bereiche des Handels für Kartenzahlungen erschließen

Terminals ohne PIN-Pad: Das Kartengeschäft ist ein wachsendes Geschäftsfeld. Gerade im Firmenkundengeschäft hat die genossenschaftliche Finanzgruppe starke Wurzeln. Doch leider sind noch nicht alle Bereiche im Handel mit POS-Terminals ausgestattet. Nur eine geringe Kartenakzeptanz bieten bislang zum Beispiel Bäckereien, Zeitschriftenläden und Kioske an.

Um die gemeinsamen Investitionen in die kontaktlose genossenschaftliche Karteninfrastruktur noch besser zu nutzen, begleitet der Fachrat Zahlungsverkehr daher das TOPP-Projekt. TOPP steht für "Terminals ohne PIN-Pad", also ein Terminal, das kontaktlos funktioniert und das ohne ein PIN-Pad auskommen kann. Damit können kleinere und deutlich preiswertere Terminals dem Markt zur Verfügung gestellt werden.

Die Entwicklung wird zunächst auf Basis der Girocard vorangetrieben, steht aber auch zum Beispiel Mastercard und Visa offen. Das Terminal kann insbesondere bei Kleinstbetragszahlungen zum Einsatz kommen, da man bei Transaktionen bis 25 Euro auf den Einsatz einer PIN verzichten kann. Da die Deutsche Kreditwirtschaft den Marktbedarf auf mehrere 100 000 Terminals schätzt, können so ganz neue Bereiche des Handels für Kartenzahlungen erschlossen werden.

Was sollen genossenschaftliche Banken tun? Sie werden sich nicht auf die Rolle des Abwicklers reduzieren lassen. Sie werden selbst ihren Kunden und Mitgliedern gute Zahlungsverkehrslösungen anbieten und damit ihre eingeführte Marke weiter im Bewusstsein der Kunden verankern. Dabei ist es letztlich unerheblich, ob diese Produkte eigen- oder fremdentwickelt sind.

Auch daher sind für die Volksbanken Raiffeisenbanken die Entwicklung und Markteinführung von Innovationen, wie Paydirekt oder die Kontaktlosstrategie bei Kreditkarten und Girocard (kontaktlos und mobile), so wichtig. Zudem müssen sich Banken den Herausforderungen auf der IT-Infrastrukturseite stellen. Eine kundenfreundliche und sichere Authentikation ist der Schlüssel zum Konto und damit auch zum Markterfolg.

Ganzheitliche Betrachtung der Herausforderungen

Allerdings haben sich auch bei der Produktentwicklung die Perspektive und die Vorgehensweise grundsätzlich verändert. Früher wurden die Produkte in gängige Bankbedarfsfelder wie Kartenzahlung, Auslandszahlungsverkehr, Liquidität und Zahlungsverkehr unterteilt. Heute richtet sich das Augenmerk auf die Kunden und die ganzheitliche Betrachtung ihrer internen und externen Herausforderungen. In diesem Sinne wird der Fachrat seine Arbeit in den nächsten Jahren zum Wohle der Mitglieder und Kunden weiterführen.

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