"Zurück zum Ursprung" -Transformation im Verständnis von Kreditinstituten?

Dr. Holger Blisse

Dr. Holger Blisse, Wien, Lehrbeauftragter der Universität Passau - Im Zuge der Überlegungen zur Bewältigung der Finanzkrise ist immer wieder die dienende Funktion der Kreditwirtschaft betont worden. Im Selbstverständnis der Sparkassen und Volksbanken aber auch in den Ursprüngen der Privatbankiers sieht der Autor diese ohnehin angelegt. Vor diesem Hintergrund wirft er die Frage auf, ob und inwieweit die Ausrichtung der Kreditwirtschaft auf den Markt und auf das Kapitalmarktgeschäft Grenzen haben sollte. Zumindest für regional ausgerichtete Institute hält er den Stiftungsgedanken für einen überlegenswerten Ansatz, der die Vorstellungen von einer dienenden Rolle der Kreditwirtschaft neu beleben und einen Gegenentwurf zu den kapitalmarktorientierten Großbanken darstellen könnte. In aktuellen gesellschaftlichen Strömungen registriert er durchaus Akzeptanz für diese Grundidee. (Red.)

In der Diskussion um die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und um eine stärkere Haftung von Einlegern verlagert sich das Risiko aus dem Bankgeschäft auf eine Personengruppe, die davon traditionell nicht betroffen sein sollte: Die Bank wandelt sich auch angesichts immer höherer Anforderungen an die Kapitalausstattung in eine Beteiligungsgesellschaft.

Der Stiftungsgedanke als Perspektive

Als ein Beitrag zur Rückbindung und zugleich als Signal für die Einleger, Kunden eines risikosensitiven Kreditinstituts zu sein, das jederzeit seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen in der Lage ist, können die Gestaltung, Zusammensetzung und die Erwartungen des Eigentümerkreises angesehen werden. Innerhalb möglicher Konstellationen eröffnet das Verständnis einer Stiftung eine neue Perspektive auf die Funktion von Kreditinstituten. Als Eigentümerin kann eine Stiftung, gegebenenfalls sogar gemeinnützig ausgestaltet, hinsichtlich Stabilität und Risikobewusstsein eine Signalwirkung ausüben und damit dazu beitragen, insbesondere die Rolle der Sparkassen und Kreditgenossenschaften wieder im ursprünglichen Sinne mit klareren Konturen als heute zu definieren.

Früher war gewiss nicht alles besser. Doch stand der Privatbankier für Vertrauen und Seriosität. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trugen Aktienbanken maßgeblich zur Finanzierung der aufkommenden industriellen Großbetriebe bei. Sparkassen und Kreditgenossenschaften kommt seit ihrem Entstehen Ende des 18. beziehungsweise Mitte des 19. Jahrhunderts eine jeweils eigene sozialpolitische Ausrichtung zu: Sparkassen sprachen als mildtätige und gemeinwohlorientierte Institute Kleinsparer an und stellten diese Gelder für Aufgaben der Gemeinde bereit - der Impuls ihrer Entstehung ging vom Passivgeschäft aus. Kreditgenossenschaften dagegen förderten ihre Eigentümer auf der Aktivseite, indem sie Kredite zur Verfügung stellten, die anderswo nicht oder nur zu sehr viel schlechteren Bedingungen zu erhalten waren.

Erste Spuren von Stiftungen finden sich bei den Sparkassen als eigener Gründungsrechtsform, was sich bis in die jüngere Vergangenheit bei den Freien Sparkassen gehalten hat. Heute stehen in Deutschland einige Institute wie die Sparkasse zu Lübeck AG mit der Gemeinnützigen Sparkassenstiftung zu Lübeck oder die Sparkasse Mittelholstein AG mit der Stiftung Spar- und Leih-Kasse in Rendsburg auch im Eigentum einer gemeinnützigen Stiftung. In Italien und in Österreich kam der Stiftung im Zuge einer Überführung der Sparkassen in Aktiengesellschaften eine zentrale Rolle zu. Bei 34 Sparkassen-Privatstiftungen steht weit mehr als die Hälfte der fast 50 österreichischen Sparkassen im Eigentum einer gemeinnützigen Stiftung. Mit der Arbeit der Stiftungen unterstreichen die Institute ihre Gemeinwohlorientierung.

Erhalt des Stiftungskapitals als Maßgabe

Eine Stiftung ist auf den Erhalt des Stiftungskapitals bedacht. Im Grunde sollte im funktionalen Grundverständnis das Kapital eines Kreditinstitutes wie das einer Stiftung gepflegt werden: Denn ein Kreditinstitut garantiert Rückzahlungssicherheit für die Einlagen seiner Sparer. Stiftungskapital einer Bank wären deren Eigenkapital und das treuhänderisch überlassene Kapital der Einleger. Beides steht für den Hauptzweck bereit: die risikobewusste und den Bedarf der gewerblichen und privaten Kreditnehmer deckende Kreditvergabe.

Dieses Bild entspricht durchaus noch dem klassischen Bankgeschäft vor allem regionaler Kreditinstitute - es ist an der Zeit, daran zu erinnern und es aufrechtzuerhalten. Dann gelangt das Finanzmarktgeschäft in andere Bahnen, das nicht nur durch sehr vielfältige Kapitalmarktprodukte gekennzeichnet ist, sondern auch Markt unvollkommenheiten aufweist - bis hin zum Marktversagen. Gängiges Beispiel aus der jüngsten Finanzmarktkrise: Als Folge eines Vertrauensverlustes am Geldmarkt ist die Treasury-Funktion außer Kraft gesetzt worden und nur noch "befreundete" Kreditinstitute oder in Gruppen und Verbünden zusammenarbeitende Institute unterstützten sich gegenseitig wie bisher beim Liquiditätsausgleich.

Spätestens in diesem Moment wurde deutlich, dass die Ausrichtung der Kreditinstitute auf den Markt, wie sie sich methodisch in der Banksteuerung in der Marktzinsmethode niederschlägt, ihre Grenzen hat. Werden Kreditinstitute immer mehr auf eine Rolle nur als einer unter vielen anderen Kapitalmarktteilnehmern reduziert, stehen sie auf beiden Seiten ihrer Bilanz im Markt - man könnte auch sagen: unter Marktdruck - und können durchaus Gefahr laufen, "zerrieben" zu werden und als Marktteilnehmer auszuscheiden. Wie selbstverständlich diese Sicht auf die Kreditinstitute als "Mitspieler" geworden ist, vermitteln die Regeln zur Bankenabwicklung. Was früher undenkbar gewesen ist, bekam im Zuge der sichtbar gewordenen Angreifbarkeit der Kreditinstitute durch sich entwertende Kapitalmarktanlagen infolge der Finanzmarktkrise und der Bildung einer europäischen Bankenunion mit der Abwicklungsrichtlinie (Bank Re covery and Resolution Directive) einen rechtlichen Standard.

Auch hinsichtlich der Rechtsform und ihrer zunehmenden Größe wirken auf die Kreditinstitute die Anziehungskräfte und Vereinheitlichungen des Kapitalmarktes: Es liegt vor allem in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, die börsennotierte Kreditinstitute ermöglicht, und es sind Fusionen zu größeren Instituten, die das notwendige Marktgewicht für eine Börsennotierung schaffen. Zieht man dazu noch in Betracht, dass regionale Marktlösungen in Gestalt von Crowdfunding-Plattformen anstelle der Finanzierungsangebote von fusionierten kleineren Instituten wirksam werden, dann ist die "Markt-Offensive" evident. Diese Phase kann als der sich fortsetzende "Zugriff des Kapitalmarktes auf den Fortbestand der Kreditinstitute" bezeichnet werden.

"Schöpferische Zerstörung"

Marktlösungen und produktorientierte Angebote, wie sie von den Fintechs bereitgestellt werden, weisen in die gleiche Richtung, fort vom Einsatz von Finanzinstitutionen hin zu Finanzintermediation am Markt. Institutionelle Beziehungen wie die Bank-Kunde-Beziehung oder sogar Bank-Eigentümer-Kunde-Beziehung werden durch möglicherweise nur einmalige Vertragsbeziehungen ersetzt. Es wird nicht mehr in der Kategorie von Institutionen gedacht - auch als Orte für Beschäftigungsmöglichkeiten -, sondern die Beziehungen werden auf Kontrakte reduziert, eine Entwicklung, die auch das Recht beeinflussen wird. Leistungen der Banken werden auf die Tätigkeit bezogen (Banking) und ergänzt durch Finanzmarktgeschäfte (Finance), wie es sich auch schon in den zugehörigen Stu dien- und Lehrgebieten an den Hochschulen widerspiegelt: aus Bank(management)- und Finanzwirtschaft wird immer mehr Banking and Finance.

Damit schreitet eine "schöpferische Zerstörung" voran, die sich zuallererst in Fusionen zu immer größeren Einheiten ausdrückt, wie sie nicht zuletzt schon einige Landesbanken erfahren haben. Aber auch die Fusionen im Genossenschaftssektor zwischen der Spitze und der Ebene der regionalen genossenschaftlichen Zentralbanken mit dem Ergebnis einer Zweistufigkeit nach der Fusion von DZ Bank und WGZ Bank 2016 lassen sich hierzu rechnen. In den Niederlanden hat die genossenschaftliche Rabobank bereits die Einstufigkeit erreicht.

Ethisch-ökologisch-soziales Bankgeschäft als Gegenbewegung

Als eine Gegenbewegung ist ein ethisch-ökologischsoziales Bankgeschäft, in dessen Nähe man auch das Community Banking rücken kann, anzusehen, wie es ebenfalls das Profil einiger Institute prägt. Sie verzeichnen, wie zum Beispiel die Initiative zur Bank für Gemeinwohl in Österreich oder in Deutschland die beiden langjährigen genossenschaftlichen GLS Gemeinschaftsbank eG und Ethik Bank der Volksbank Eisenberg eG oder auch wie die börsennotierte Umwelt-Bank AG, großen Zuspruch an Einlagenvolumen und an neuen Kunden- und Mitgliedern beziehungsweise Aktionären. Die GLS Bank hat bereits begonnen, durch den Aufbau einer Stiftung für zusätzliche Stabilität ihres Eigenkapitals und damit ihren dauerhaften Fortbestand zu sorgen. Dazu zählt auch die Einführung des GLS-Beitrags von Mitgliedern und Kunden, um die Ertragslage der Bank unabhängiger von den Entwicklungen an den Finanzmärkten und der Niedrigzinspolitik zu machen.

Im genossenschaftlichen Verständnis weisen ohnehin die "generationenübergreifenden" Reserven Züge einer Stiftung auf und unterstreichen damit den Charakter der Dauerhaftigkeit, dem auf der Aktivseite Geschäfte auf Basis gegenseitigen Vertrauens und persönlicher Bekanntheit gegenüberstehen - als Gegensatzpaar zu anonymen Marktbeziehungen.

Doch diese wenigen Spezialisten allein wären zu wenige, um die Lücke zu schließen, die entstände, wenn die Kreditwirtschaft als Ganzes kapitalmarktorientiert transformiert wird. Vielmehr sollte rechtzeitig vonseiten der noch vielen aktiven Institute der dezentralen Bankengruppen - Sparkassen wie Volksbanken und Raiffeisenbanken - und ihrer Interessenvertretungen insgesamt gegengesteuert werden. Sie sollten ebenso wie die vielen anderen Kreditinstitute in sehr unterschiedlicher Rechtsform, wie es sie unter den privaten Banken gibt, das Potenzial und die Beschäftigungswirksamkeit nutzen und das jeweils eigene Profil herausstellen: sei dies in Richtung Nachhaltigkeit und Transparenz, Mittelstandsfinanzierung und exklusive Mitgliederförderung oder Solidarität, Gemeinwohl und Regionalförderung.

Es bleibt ein Unterschied, ob die Geschäfte vor Ort von einer Filiale angeboten werden, deren Zentrale vielleicht sogar in einem anderen Land liegt, oder ob dieser Geschäftsort sogar im Eigentum und unter dem Einfluss der Menschen im Einzugsbereich steht. Zweifellos begünstigen eine weitere Digitalisierung und Aufhebung der Bargeldfunktion die Befürworter einer immer zentraleren Kontrolle und Geschäftsausübung bis hin zur Steuerung der Wirtschaft.

Die dienende Rolle betonen

Dagegen sollte ein Verständnis gestellt werden, wie es oft mit der "dienenden Rolle" der Kreditinstitute in einer Volkswirtschaft beschrieben wird: Im Gegensatz zu einem Gewinn(maximierungs)ziel würde wieder der "Not for Profit-Charakter" von Kreditinstituten zunehmen, wie ihn Sparkassen und Kreditgenossenschaften schon in ihren Anfängen aufwiesen und wie er gut in eine Zeit passen würde, in der die Kritik an ungleicher Einkommens- und Vermögensverteilung und damit die innergesellschaftlichen - sozialen - Spannungen zunehmen. Kreditinstitute wandelten sich damit zu Institutionen des wirtschafts- und sozialpolitischen Ausgleichs. Noch gibt es genug Kreditinstitute, die helfen könnten, das Versprechen einer von Alternativen und institutioneller Vielfalt gekennzeichneten (öko)sozialen Marktwirtschaft einzulösen.

Dr. Holger Blisse , Wirtschafts- und Sozialanalytiker, Wien
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