Brexit

BIG FFM

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Der Brexit wird nicht kommen. Davon ging die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) in ihrem wahrscheinlichen Szenario vor dem britischen Referendum im Juni 2016 aus. Nun sind die Brexit-Verhandlungen im vollen Gange und in Europas Finanzmetropolen ist längst der Kampf um die aus London abwandernden Banker entbrannt. Dabei sieht der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank John Cryan, seiner kürzlichen Äußerungen auf einer Bankenkonferenz nach, das "Rennen" um die verlagerten Arbeitsplätze schon weitgehend zugunsten von Frankfurt am Main gelaufen. Auch die Helaba hat eine ähnliche Sicht der Dinge. Sie hat ihre neue Finanzplatzstudie passend dazu an den Motorsport angelehnt: "Finanzplatz Frankfurt - In der Pole Position für Brexit-Banker". Als besondere Zugfaktoren für den Umzug an den Main nennt die Landesbank die Stabilität und Stärke der deutschen Volkswirtschaft, den Sitz der EZB mit ihrer Doppelfunktion Aufsichtsbehörde und Notenbank und das Rhein-Main-Gebiet als Verkehrsdrehscheibe mit guter Infrastruktur.

Auch bei den Büromieten steht Frankfurt mit knapp 32 Euro/m² im europäischen Vergleich gut da, so die Ergebnisse der Studie. Die britische Hauptstadt ist mit ungefähr 95 Euro/m² mit Abstand die teuerste, aber auch Paris (45 Euro/m²), und Dublin (49 Euro/m²) sind nicht günstig. Die Zusatznachfrage in der deutschen Metropole dürfte angesichts des noch immer reichlichen Leerstands außerhalb der zentralen Lagen und einer Reihe von Projektentwicklungen problemlos zu bewältigen sein, erwarten die Helaba-Analysten. Wohnraum hingegen ist knapp in Frankfurt. Doch auch dagegen weiß die Helaba ein Konzept: "BIG FFM". Hierzu haben die Volkswirte - wie Ministerpräsident Volker Bouffier im vergangenen Jahr auch schon - die räumliche Abgrenzung von Greater London auf das Gebiet rund um Frankfurt übertragen, das damit von Bad Homburg im Norden bis Darmstadt im Süden, Mainz im Westen und Hanau im Osten reicht. Dieser Vergleich ergibt folgendes Bild: Ende letzten Jahres arbeiteten in BIG FFM rund 118 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Sektor Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, in Greater London knapp 360 000. Mit Blick auf die Beschäftigungsdichte (bezogen auf die Bevölkerungszahl) liegen allerdings beide Großräume mit jeweils gut 4 Prozent auf gleichem Niveau. Zudem gibt es erheblich mehr freien Wohnraum in BIG FFM.

Neben dem Immobilienmarkt ist auch das Schulangebot ein zentrales Standortkriterium, so die Studie. Für die Finanzplatzregion Rhein-Main registriert sie bereits ein breites Spektrum internationaler Bildungseinrichtungen, doch angesichts der hohen Nachfrage nach Bildungsange boten bedarf es eines weiteren Ausbaus der Bildungsarchitektur für Kinder jeden Alters, der alle Schulformen umfasst und über den Brexit-bedingten Bedarf hinausgeht.

Insgesamt erwarte man, dass mindestens die Hälfte der aus London abwandernden Finanzjobs nach Frankfurt verlegt werden, erklärt Helaba-Chefsvolkswirtin Gertrud Traud. Rund 8 000 Mitarbeiter dürften laut Helaba-Brexit-Basisszenario ("Kompromiss" - politische und wirtschaftliche Konsequenzen halten sich in Grenzen) damit von der Themse an den Main ziehen. Bis Ende 2019 erwartet Traud einen Beschäftigungsanstieg von vier Prozent auf etwa 65 000 Mitarbeiter in der Finanzbranche am Standort Frankfurt - und das obwohl parallel die Konsolidierung am heimischen Bankenmarkt anhält. Sekundäre Beschäftigungseffekte des Brexit auf viele Bereiche des öffentlichen Lebens wie Restaurants, Schulen, Kindergärten und Bürodienstleistungen sind dabei nicht eingerechnet. In ihrer Studie geht die Helaba davon aus, dass die meisten Banken bis zu 400 Leute mit an den Main bringen. Die Deutsche Bank etwa denkt da schon in anderen Dimensionen und plant bis zu 4 000 Mitarbeiter von der Insel nach Frankfurt zu holen.

Als Fazit erwartet die Helaba in ihrer Studie weit mehr Zuzug von der Themse als die bisher angekündigten Standort- und Schwerpunktverlagerungen einiger internationaler Banken. Aber bei einer Gesamtbetrachtung sind auf mittlerer Sicht die Effekte gegenzurechnen, die durch die Digitalisierung und besagter Konsolidierung zu erwarten sind. Zu der Frage wie viele Mitarbeiter von den Veränderungen betroffen wären, wollte sich John Cryan auf besagter Bankenkonferenz nicht konkret äußern - doch die Zahlen, die dazu herumgeistern, sind mindestens genauso hoch wie die erwartete Zuwanderung im Zusammenhang mit dem Brexit.

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