Deutsche Bank

Ein Desaster - strategisch und kommunikativ

Man mag es kaum fassen, bei der Deutschen Bank ist derzeit alles möglich - erstmals sogar Rücktritte an der Vorstandsspitze. Die vor vierzehn Tagen an dieser Stelle bekundete Einschätzung muss folglich revidiert werden (ZfgK 11-2015). Es konnte tatsächlich noch viel schlimmer kommen. Rückblickend war die Hauptversammlung 2015 vielleicht der Höhepunkt, aber keineswegs der Abschluss der Neufindung. Das Nachbeben mit dem abrupten Abgang von Anshu Jain und dem verzögerten Ausstieg von Jürgen Fitschen gehören gewiss noch zu dieser Periode, auch wenn diese Personalien - selbst nach dem deutlichen Denkzettel bei der HV - so nicht zu erwarten waren. Ob mit John Cryan nun sofort oder erst nach einem weiteren verlorenen Jahr in der Doppelspitze eine neue, hoffentlich erfolgreiche Epoche der einst so stolzen Deutschen Bank beginnt, lässt sich noch nicht sagen, sondern bedarf erst des nachhaltigen Nachweises seiner Führungskunst.

Einige Medien haben freilich mit John Cryan gleich eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Seine Aufnahme in den Aufsichtsrat vor zwei Jahren als kluge und weitblickende Entscheidung von Paul Achleitner zu werten, mag dabei aus aktueller Sicht durchaus angebracht sein. Aber letztlich beurteilbar ist das nur für absolute Insider. Für Betrachter von außen kann dieser Gedankengang ebenso gut ein früher Bestandteil der Geschichtsschreibung der Ära nach Jain und Fitschen sein, der den alten und neuen Aufsichtsrat der Bank in ein besseres Licht rückt, als er es momentan tatsächlich verdient. Denn Paul Achleitner und seine Mitstreiter haben in den vergangenen Monaten sicher kein Glanzstück vorbildlicher Aufsichtsratsarbeit geleistet. Dass dieser Tage in der Öffentlichkeit verstärkt über die Aufgaben dieses zentralen Elementes der hiesigen Unternehmensverfassung diskutiert wird - oder gar eine Beschädigung des Rufs - ist zumindest bemerkenswert.

Angesichts der anhaltend enttäuschenden Kapitalmarktbewertung der Deutschen Bank, den nicht enden wollenden Rechtsstreitigkeiten, den damit verbundenen Verantwortlichkeiten in der Führungsetage und den folgerichtig immer wieder geschürten Zweifeln an einer glaubwürdigen Umsetzung des angestrebten Kulturwandels war die Grundsatzdebatte über die strategische Ausrichtung zu Beginn dieses Jahres berechtigt - unabhängig davon wie sehr sie letztlich unter dem Druck der Großaktionäre angeschoben wurde. Auch das in Anspruch genommene mehrwöchige Zeitfenster zur Neujustierung war nachvollziehbar. Aber schon in dieser Phase potenzierten sich die kommunikativen Ungeschicklichkeiten. Angefangen von der Absage der traditionellen Bilanzpressekonferenz bis hin zu der nach und nach kolportierten Vorbereitung der Märkte auf eine wie auch immer geartete Abspaltung der Postbank wurde in den vergangenen Monaten für alle Beobachter erschreckend deutlich, wie unsicher beziehungsweise uneinig Vorstand und Aufsichtsrat in Wahrheit über die einzuschlagende Richtung waren. Hätte es im Rückblick überhaupt zu dem offenen Bruch mit der Fraktion um Rainer Neske und deren Vorstellungen vom künftigen Privatkundengeschäft kommen müssen? Wäre dessen Rückzug überhaupt notwendig gewesen? Als die Entscheidung dann - aus globaler Perspektive durch aus vertretbar - für die Strategie 2020, sprich eine Selbstbeschränkung mit kontrolliertem Fokus auf das Investmentbanking, Asset-Management und Transaction Banking gefallen war, hätte man eigentlich schon zur HV in Abstimmung mit den Großaktionären und den Aufsichtsbehörden absolute Klarheit beim Spitzenpersonal haben oder schaffen sollen.

Gleichwohl verdient John Cryan an der Spitze eine faire Chance. Ob man den künftigen Chef der Deutschen Bank vorschnell als Investmentbanker oder Sanierer bezeichnet, macht dabei schon einen gewaltigen Unterschied. Denn nach der ersteren Lesart würde sich an der erst kürzlich beschlossenen strategischen Ausrichtung gemäß der Strategie 2020 nichts Wesentliches ändern. Für einen Sanierer hingegen wäre es eine völlig normale Angelegenheit, das Konzept und die gefassten Beschlüsse mit seiner Handschrift neu zu justieren und eventuelle Modifikationen klar zu kommunizieren. Ob und wann John Cryan sich diese Freiheit nimmt?

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