Großbanken

Das Ende der deutschen Bank?

Ob die strategische Neuausrichtung Ende April 2015, die Personalentscheidungen kurz vor der diesjährigen Hauptversammlung und schließlich der Verlauf der jüngsten HV selbst in der Geschichtsschreibung der Deutschen Bank einmal als Wendepunkte der Zukunftsgestaltung eingeordnet werden dürfen, wird man erst viel später einigermaßen verlässlich beurteilen können. Aus der aktuellen Wahrnehmung heraus waren es aber gewiss keine Befreiungsschläge. Nach der massiven Kritik von innen und außen kann es für die Deutsche Bank nun freilich nicht mehr viel schlimmer kommen.

Die Zweifel am großen strategischen Wurf begannen schon mit dem vor gut einem Monat verkündeten Strategiewechsel. Als die Co-Vorsitzenden Jain und Fitschen seinerzeit ihren allseits bekannten Anspruch bekräftigten "eine führende globale und in Deutschland verankerte Bank zu sein", musste man sich ernsthaft fragen, wieso es dazu einer Entkonsolidierung der Postbank bedarf. Denn eine Bank, die Deutschland als Heimatmarkt versteht, sollte sich auf die hiesigen Marktbedingungen einstellen. Und soweit sie sich weiterhin als Universalbank versteht, muss das für den Firmenkunden- wie Privatkundenbereich gleichermaßen gelten. In einem Land, in dem die beiden Verbundorganisationen mit ihrer dezentralen Marktbearbeitung eine so gewichtige Rolle spielen, ist es jedenfalls höchst gewagt, auf rund 14 Millionen Privatkundenkontakte zu verzichten. Erklärbar ist das allenfalls aus einer akuten Not heraus. Wenn es aber der Druck aus der Vergangenheitsbewältigung mit vielen offenen Rechtsfragen und/oder das regulatorische Umfeld ist, die zu der schlechten Bewertung der Deutschen Bank an den Kapitalmärkten geführt haben, darf man die Frage stellen, wieso man sich nicht einfach darauf verständigen konnte, es künftig besser zu machen. Immerhin darf man der Bank zugutehalten, ohne Staatshilfe durch die Finanzkrise gekommen zu sein und die Rechtskosten für die Verfehlungen der Vergangenheit aus eigener Kraft zu stemmen.

Eine Erklärung für den Verzicht der Deutschen Bank auf solch eine enorme Kundenbasis und damit auch Ertragspotenzial in Deutschland sind zweifellos Regulierungsfragen. Falls es sich angesichts der erwarteten Kapitalkosten für eine systemrelevante Bank nicht mehr rechnet, hierzulande in größerem Maße Privatkundengeschäft zu betreiben, sind die getrennten Wege von Deutscher Bank und Postbank naheliegend. Doch dann droht auch das Festhalten an einer starken Basis in Deutschland schnell zu einer rhetorischen Floskel zu geraten und die Frage nach dem vertretbaren Umfang einer Verknüpfung von Investmentbanking und Realwirtschaft stellt sich in allen Segmenten des hiesigen Privat- und Firmenkundengeschäftes immer wieder neu. Sollte beim Management und in den Aufsichtsgremien - wie es in verschiedensten Statements anklingt - die Überzeugung gereift sein, im Zeitalter der fortschreitenden Digitalisierung nur im beratungsintensivem Segment die nötige Kosteneffizienz im Privatkundengeschäft erzielen zu können, ist die strategische Selbstbeschränkung auf den Arm der sogenannten "blauen Bank" nachvollziehbar. Aber die Bank wird dann mindestens zwei Fragen beantworten müssen. Wieso sollte sie in ihrer Marktbearbeitung beim vermeintlich ertragreicheren Privatkundengeschäft mit Vermögenden besser reüssieren als etwa eine Commerzbank oder eine HVB, die mit solchen Ansätzen, einschließlich Digitalisierungsinitiativen, schon seit geraumer Zeit unterwegs sind? Und man darf sich fragen, wieso es die Spezialisten in diesem Segment, angefangen von einer ING Diba über Santander und einer Creditplus bis hin zu den Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihren ungebrochenen Ambitionen zur Verteidigung der Marktführerschaft nicht schaffen sollten, die bisher erreichte Kundenbindung auch im gehobenen Privatkundenbereich zu festigen. Das gilt umso mehr, als der bisherige Privatkundenstamm der Postbank bis Ende des Jahres 2016 wieder auf den Markt kommen soll. Mit dem Rückzug von Rainer Neske nimmt die Verteidigung oder gar der Ausbau einer starken Heimatbasis für die Zukunftsausrichtung der Deutschen Bank künftig eindeutig einen niedrigeren Stellenwert ein. In den Frankfurter Zwillingstürmen will man eine deutsche Bank sein beziehungsweise zumindest eine mit starker Heimatbasis, verfolgt dieses Ziel aber unter dem Druck der Märkte nur halbherzig.

Nicht zuletzt aus dieser Zerrissenheit über die klare strategische Ausrichtung im Inland resultierte bei der jüngsten Hauptversammlung die für hiesige Verhältnisse harsche Kritik der Aktionäre am strategischen Kurs und an den Fähigkeiten der obersten Führungsmannschaft. Die äußerst magere Zustimmung von 61 Prozent für die beiden Co-Vorsitzenden des Vorstands bedeuten zweifellos einen Denkzettel. Die Aktionäre erwarten Rendite. Allen voran Anshu Jain wird künftig in seiner strategischen Verantwortung an den Ergebnissen gemessen. Die Rochade in den Führungsgremien deutet von der bisherigen Ausrichtung der Vorstandsmitglieder her mehr denn je auf eine kontrollierte Hinwendung zum Investmentbanking hin. Ob die angekündigte Repositionierung in diesem Bereich und eine Neujustierung ohne Postbank unter den heutigen regulatorischen Bedingungen und den erklärten Ambitionen wirklich Raum für eine starke Heimatbasis lässt? Gerade in den traditionellen Sparten bleibt das fraglich.

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