Mittelstand

Investitionen als Ventil

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Der Anteil der mittelständischen Unternehmen mit Anlagebedarf ist seit 2009 erstmals rückläufig. Das ist eine Kernbotschaft der von der Bielefelder Fachhochschule des Mittelstands zum achten Mal in Kooperation mit der Commerzbank durchgeführten Studie zum Anlageverhalten und zum Anlagebedürfnis mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Konkret sehen dabei in der jüngsten Auflage dieser Art mit 39 Prozent erstmals weniger als die Hälfte der befragten Mittelständler Anlagebedarf für ihr Haus. Dass Letzterer nach dem relativen Höchststand von gut 5,9 Millionen Euro im Jahre 2015 über knapp 4,7 Millionen Euro im vergangenen Jahr auf 3,6 Millionen Euro in der aktuellen Umfrage aus dem Frühjahr 2017 zurückgegangen ist, mag von den absoluten Zahlen her weniger relevant sein, untermauert allerdings die Grundaussage der Studie.

Wirklich überraschend ist dieses Ergebnis allerdings nicht. Zumindest zwei Entwicklungen mit Wechselwirkungen untereinander dürften es spürbar befördert haben. Einerseits gibt es im deutschen Mittelstand nicht nur bei größeren, sondern auch bei kleineren Unternehmen seit mehr als zehn Jahren der Tendenz nach das Bestreben nach höheren Eigenkapitalquoten. Als Ursache dieser Entwicklung gilt nicht zuletzt die zunehmende Bankenregulierung der vergangenen Jahre, die ihrerseits in der Kreditwirtschaft zu restriktiveren Kriterien bei der Kreditvergabe und damit zu einer stärkeren Eigenfinanzierung geführt haben. Im Ergebnis haben die Mittelständler dank besserer Eigenmittelausstattung heute größere Spielräume bei der Investitionsfinanzierung, bei der Liquiditätshaltung und eben auch bei der Geldanlage als vor zehn Jahren.

Mindestens ebenso stark, mit Blick auf die Anlage liquider Mittel allerdings eher gegenläufig, wirkt andererseits die expansive Geldpolitik der EZB und der anderen Notenbanken. Wer beim aktuellen Zinsniveau mit einer Anlage an den Kapitalmärkten höhere Renditen erzielen will, als sie der originäre Unternehmenszweck abwirft, muss eine vergleichsweise hohe Risikobereitschaft mitbringen. Und liquide Mittel bei der Kreditwirtschaft parken zu wollen, mündet sofort in die leidige Diskussion um negative Zinsen.

In diesem Umfeld registrieren die Autoren der Studie folglich drei typische Ausweichreaktionen für die Mittelverwendung in Unternehmen. So tendieren viele Unternehmen zu höheren Ausschüttungen an ihre privaten Eigner und bewirken bei diesen wiederum ein verstärktes Engagement in Sachwerte bis hin zu Kunstgegenständen. Angesichts der höchst überschaubaren Renditen an den Kapitalmärkten rückt zudem bei vielen Mittelständlern die Ausfinanzierung von Pensionsverpflichtungen in den Blick. Über 40 Prozent der befragten Unternehmen haben Pensionsverpflichtungen und wiederum die Hälfte davon hat diese nicht oder nicht ausreichend finanziert. Insofern geben die Ergebnisse der Studie der Commerzbank wie auch anderen Banken beziehungsweise Finanzdienstleistern ein Signal, dieses Thema der Pensionslasten gezielt bei den mittelständischen Kunden anzusprechen und das vorhandene Geschäftspotenzial möglichst auszuschöpfen.

Besonders interessant ist freilich eine dritte Ausweichreaktion, nämlich ein Vorziehen von Investitionen in das Anlage- und Umlaufvermögen sowie langfristig ausgerichtete strategische Beteiligungsinvestitionen und Übernahmen im In- und Ausland. Aus Sicht der Wissenschaftler lassen sich beide Effekte in der diesjährigen Umfrage der Sache nach klar belegen. Mit einem Timelag, wie er für die Wirkung von geldpolitischen Entscheidungen durchaus üblich ist, könnte die Geldpolitik der EZB also in die gewünschte Richtung führen und den Mittelstand zu der erhofften Ausweitung seiner Investitionstätigkeit führen - bestenfalls auch über eine verstärkte Kreditaufnahme für Ausrüstungsinvestitionen aller Art. In welcher Höhe das freilich der Fall ist, ob es sich nicht doch ganz oder teilweise um aufgestaute Investitionsprojekte der vergangenen Jahr handelt und vor allen Dingen, ob sich diese Wirkung nicht nur in Deutschland, sondern wie von der EZB erhofft auch in den südlichen EU-Ländern zeigt, lässt sich mit dieser Studie allein nicht beurteilen.

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