Zahlungsverkehr

Der Präsident zürnt

Der deutsche Michel zahlt am liebsten in bar. Daran ändern auch die vielfältigen Angebote der Banken und Finanzdienstleister im Bereich Kartenzahlungen oder mobiles Bezahlen nichts. Wie die aktuelle Studie der Bundesbank "Zahlungsverhalten in Deutschland 2014" zeigt, beglichen die Verbraucher im Jahr 2014 immer noch mehr als die Hälfte aller Umsätze für Waren und Dienstleistungen (53 Prozent) in bar. Bei annähernd 30 Prozent wurde die Girokarte genutzt, fünf Prozent wurden per Überweisung gezahlt, bei vier Prozent zückten die Verbraucher die Kreditkarte und bei drei Prozent nutzten sie das Lastschriftverfahren. Diese Zahlen belegen, wie groß der Einschnitt durch die Abschaffung des Bargelds in Deutschland wäre.

Genau das fordern aber Experten wie der Wirtschaftsweise Peter Bofinger. Die Argumente: Illegale Geschäfte würden erschwert. Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung und Drogenhandel könnten viel leichter verfolgt werden, wenn nur noch unbare Transaktionen erlaubt würden. Das Thema Geldwäsche hätte kaum noch eine Bedeutung.

Und die Gefahren von Negativzinsen auf Spareinlagen wären deutlich gemindert. Denn wenn kein Bargeld vorhanden ist, können die Menschen es auch schlecht abheben und zu Hause unter dem Kopfkissen horten. Reines Buchgeld dagegen würde stattdessen zur Vermeidung von Belastungen aus negativen Zinsen ausgegeben und käme damit Konjunktur und Investitionen zugute.

Derartigen Überlegungen widerspricht der Präsident der Deutschen Bundesbank ungewohnt scharf. "Ich halte diese Überlegungen im Kern für eine fehlgeleitete Diskussion", sagte Jens Weidmann in seiner Eröffnungsrede zum Zahlungsverkehrssymposium seines Hauses. Und ergänzte: "Finanzielle Repression mittels Negativzinsen ausüben zu wollen, ist kein Ausweg, sondern ein Holzweg." Der Präsident wusste dies auch wohl zu begründen. Zum einen sei keineswegs sicher, ab welchem Negativzinssatz eine Flucht in das Bargeld einsetzen würde, da es sich bei der sogenannten Nullzinsgrenze um keine scharfe, exakt quantifizierbare Zinsuntergrenze genau auf der Höhe der Nulllinie handele. Deswegen dürfte ein moderater Minuszins wohl noch nicht zu einer Flucht ins Bargeld führen, was Erfahrungen aus Dänemark und der Schweiz zeigten, wo die Notenbanken Negativzinsen in Höhe von minus 0,75 Prozent verlangten.

Zum anderen geht die geldpolitisch motivierte Diskussion um die Existenzberechtigung des Bargelds aus Sicht von Weidmann am eigentlichen Problem vorbei. Der Grund für die Niedrigzinspolitik und damit die expansive Vorgehensweise der Notenbanken liege in der Kombination aus verhaltenen Wachstumsaussichten und einem auf absehbare Zeit gedämpften Inflationsdruck. Die maßgebliche Ursache ist für Weidmann die Wachstumsschwäche, nicht nur im Euroraum, sondern in vielen entwickelten Regionen der Welt. Dagegen anzugehen sei auch für Notenbanken keine neue Aufgabe, aber eine immer dringlichere wie die stetig sinkenden Wachstumsraten der vergangenen Jahrzehnte belegen. Eine erfolgreiche Umkehr des negativen Wachstumstrends wird sich dann auch in steigenden Zinsen ausdrücken, bei den Realzinsen ebenso wie bei den Notenbankzinsen.

Die demografische Entwicklung, die nachlassende Qualität der Schul- und Berufsausbildung, hohe Staatsverschuldung, die steigende Ungleichheit in der Einkommensverteilung, eine wachsende Belastung der privaten Unternehmen und Haushalte mit Steuern und Abgaben und eine steigende private Verschuldung - gegen diese Vielzahl wachstumsbelastender Faktoren gilt es für den Präsidenten anzugehen. Sein Appell: Regierungen der Mitgliedsstaaten müssten das Wachstum im Euroraum fördern, zum Beispiel indem sie die notwendigen Reformen durchführen, um solide Staatshaushalte, wettbewerbsfähige Wirtschaftsstrukturen und leistungsfähige und effiziente öffentliche Verwaltungen zu erreichen. Da könne eine noch so expansiv ausgerichtete Geldpolitik nichts bewirken. Wie sollte dann die Abschaffung des Bargelds helfen, so fragt Weidmann wohl zu Recht.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X