Öffentliche Verschuldung

Zur "Restrukturierung" der Staatsschulden

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte, Fachhochschule Lübeck

Kurz vor den Anfang März 2018 anstehenden Parlamentswahlen fordert die 2009 vom Kabarettisten Beppe Grillo gegründete Fünf-Sterne- Bewegung eine sogenannte "Restrukturierung" der mittlerweile auf 2 275 Milliarden Euro (132,6 Prozent des BIP) angewachsenen Staatsschulden Italiens. Diese Forderung ist mitnichten neu. Vielmehr ist sie einerseits wohlbekannt und andererseits in ihrer Regelmäßigkeit mittlerweile so vorhersehbar wie die geradezu reflexartigen Reaktionen darauf.

Dennoch sollte dieser neuerliche Versuch niemanden darüber hinwegtäuschen, dass es erklärtes Ziel verschiedenster politischer Gruppierungen ist, eine Vergemeinschaftung der Staatsschulden innerhalb der Eurozone zu erreichen. Die immer gleiche Begründung lautet, dass stärkere Volkswirtschaften ihre höhere Kreditwürdigkeit einbringen, um so die Refinanzierungskosten der als weniger kreditwürdig eingestuften Mitgliedsstaaten zu senken. Dies jedoch entspräche einer komplett missverstandenen Solidität. Vielmehr führte eine solche Maßnahme geradezu unweigerlich zu Moral Hazard und konterkarierte jedwede Austeritätszwänge. Immerhin ist es politisch weitaus schwieriger, eine Konsolidierung der Haushalte durchzusetzen, als letztendlich zulasten anderer Volkswirtschaften weiterhin auf die Kapitalmärkte zuzugreifen.

Bereits heute weisen die noch bis mindestens September 2018 anhaltenden Käufe der EZB im Rahmen ihres Asset-Purchase-Programms (APP), beziehungsweise des PSPP, eine gewisse Verzerrung zugunsten Italiens (und Frankreichs!) auf. Per Ende Januar 2018 machten italienische Staatsanleihen etwa 19 Prozent aller im Rahmen des PSPP erfolgten Käufe aus, das heißt (wie auch im Falle Frankreichs) etwa zwei Prozentpunkte mehr als der Kapitalschlüssel der EZB eigentlich vorsieht. Zudem führte die aus den andauernden Käufen der EZB resultierende Verknappung des Angebots mittlerweile dazu, dass insgesamt etwa 45 Prozent der Staatsanleihen der Eurozone eine (zum Teil deutlich) negative Rendite aufweisen. Doch auch von der zunehmend verzweifelten Suche nach Rendite lässt sich nicht ewig profitieren. Über kurz oder lang werden sich am Markt wieder Preise einstellen (müssen), die Risiko und Ertrag adäquat widerspiegeln.

Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass die Staaten der Eurozone schon heute bemüht sind, für die Zeit nach dem Ende des Ankaufprogramms vorzubeugen und sich auf eine möglicherweise Anfang 2019 abzeichnende Zinswende vorzubereiten. Immerhin gilt es, die historisch niedrigen Refinanzierungskosten und damit die Zinslast dauerhaft möglichst gering zu halten. Dies kann (und sollte) einerseits durch eine gewisse Haushaltsdisziplin, welche die sogenannten Real-Money-Investoren nachhaltig überzeugt, erfolgen. Die derzeit gute wirtschaftliche Lage erleichterte dies. Andererseits jedoch, und vor allem ohne den aus einer Haushaltskonsolidierung unweigerlich erwachsenden Druck, ließe sich dieses Ziel auch durch die geforderte Vergemeinschaftung der Schulden erreichen. Nur: Ohne Fiskalunion wird jeder weitere Ruf nach einer wie auch immer gearteten "Restrukturierung" der Schulden Investoren nur unnötig irritieren.

Solidargedanke hin oder her: In Anbetracht der höchst unterschiedlichen Budgetdisziplin der jeweiligen Staaten der Eurozone kann eine Vergemeinschaftung der Schulden nicht zur Debatte stehen. Die Preise der Anleihen, welche eigentlich Aufschluss über Risiko und Ertrag eines Investments reflektieren, würden (noch) stärker als bisher verzerrt. Und so bleibt zu hoffen, dass derartige Forderungen kaum mehr als Wahlkampfgetöse, vor allem aber (fiskal-)politisch nicht mehrheitsfähig sind.

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Fachhochschule Lübeck

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