Bundesgerichtshof

Schadensersatzansprüche: Verjährung bei Fehlern

Bundesgerichtshof

Schadensersatzansprüche von Bankkunden wegen angeblich oder tatsächlich fehlerhafter Beratung und Aufklärung über die wirtschaftlichen Risiken oder Nachteile von Finanzprodukten verjähren gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB grundsätzlich nach zehn Jahren. Der Fristlauf beginnt in der Regel "mit dem Schluss des Jahres, in dem 1) der Anspruch entstanden ist und 2) der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste" (§ 199 Abs. 1 BGB). Zuweilen versuchen "geschädigte" Kunden, die vor mehr als zehn Jahren mit ihrer Bank kontrahiert haben, diese Frist mit der Begründung zu dehnen, ihr Ersatzanspruch sei nicht schon durch den Vertragsschluss entstanden, sondern erst aufgrund eines späteren Umstands während des Vertragsverlaufs.

Dazu hat der BGH in einem Urteil vom 16. Mai 2017 (AZ XI ZR 430/16 - abgedruckt in ZIP 2017, Seite 1152) eine klare Aussage getroffen: In dem Rechtstreit ging es um die Klage einer Ärztin, die 2001 zur Finanzierung ihrer Praxis mit der Bank einen "Universaldarlehensvertrag" über 205 000 Euro bei 5,9 Prozent Zinsen und Fälligkeit 2013 in einer Summe vereinbarte. Auf Empfehlung und Vermittlung der Bank schloss die Ärztin mit einer VersichAG einen Kapital-Lebensversicherungsvertrag über 151 691 Euro und auf die Darlehensfälligkeit abgestimmter Dauer. Dabei prognostizierte die VersAG eine Ablaufleistung von 140 Prozent = 212 367 Euro. Tatsächlich betrug die Versicherungsleistung nur 165 961 Euro; die Ärztin musste die Differenz aus eigenen Mitteln für die Tilgung aufbringen. Mit ihrer Klage gegen die Bank verlangte sie unter anderem den Ersatz dieses Betrages. Sie sei von der Bank falsch über das Risiko einer nicht vollständigen Tilgung des Darlehens aus der Versicherung aufgeklärt worden. Bei richtiger Aufklärung hätte sie ein für sie insgesamt vorteilhafteres Annuitätendarlehen aufgenommen. Den ihr entstandenen Schaden habe sie frühestens 2011 nach der Information durch die VersAG über den Fehlbetrag erkennen können. Die Klage war vor dem LG erfolgreich; das OLG wies sie wegen Verjährung eines etwaigen Anspruchs ab. Der BGH bestätigte dieses Urteil im Wesentlichen.

Die BGH-Richter werden mit ihrem Urteil die klagende Ärztin enttäuscht haben, die der - aus ihrer Situation allerdings nicht lebensfremden - Meinung war, ihr Schadensersatzanspruch gegen die Bank wegen Falschberatung sei doch erst zu dem Zeitpunkt im Sinne des Beginns der Verjährungsfrist "entstanden", an dem sich ihr "Schaden" realisiert habe, also erst bei Feststellung der zur Tilgung ihres Darlehens fehlenden Versicherungsleistung. Da das frühestens im Jahre 2011 der Fall gewesen sei, habe die zehnjährige Verjährungsfrist auch erst mit dem darauffolgenden Jahresanfang begonnen.

Der BGH sah das anders und zeigte wieder einmal, dass die gesetzeskonforme juristische Bewertung eines Sachverhalts durchaus auch von der Betrachtung nach "gesundem Menschenverstand" abweichen kann. Er stellte nämlich fest, dass ein Schadensersatzanspruch zu dem Zeitpunkt entstehe, "zu dem er vom Geschädigten geltend gemacht werden und klageweise durchgesetzt werden kann". Das sei in diesem Falle schon der Tag des Abschlusses der für die Ärztin wirtschaftlich nachteiligen Kombination aus Darlehens- und Versicherungsvertrag gewesen. Zwar sei der für den Anspruch und dessen Verjährungsbeginn maßgebliche Eintritt eines Schadens regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es zu einer "konkreten Verschlechterung der Vermögenslage" des Betroffenen (hier der Ärztin) komme, nicht schon bei "Eintritt einer risikobehafteten Situation". Der auf Verletzung einer Aufklärungspflicht beruhende Abschluss eines für den Darlehensnehmer nachteiligen Finanzierungsmodells sei indessen bereits für sich genommen ein Schaden und berechtige diesen daher grundsätzlich, den Ausgleich der damit verbundenen Nachteile zu verlangen. Der der zehnjährigen Verjährung unterliegende Anspruch entstehe im Rechtssinne schon mit Vertragsabschluss. Die Ärztin habe ihre Klage aber erst nach Ablauf der von ihrem Vertragsschluss ausgehenden Zehnjahresfrist - und damit verspätet - erhoben. Sie sei daher abzuweisen, und zwar ohne Prüfung, ob der Klägerin materiell-rechtlich ein Schadensersatz zugestanden hätte.

Für die Kreditwirtschaft ergibt sich aus diesem Urteil die Aussicht, Schadensersatzansprüchen von angeblich fehlerhaft beratenen oder aufgeklärten Kunden erfolgreich den Einwand der Verjährung entgegenzuhalten, wenn diese erst nach Ablauf der mit dem auf den Vertragsabschluss folgenden Jahresanfang beginnenden zehnjährigen Verjährungsfrist Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung (insbesondere also Klagerhebung) getroffen haben. Ein anwaltlich ordentlich beratener Kunde, wird es zu solcher Fristversäumnis allerdings nur selten kommen lassen. Ob die Bank gegenüber einem juristisch nicht oder offenkundig schlecht beratenen Kunden die Verjährung seines Anspruchs einwenden oder zum Beispiel im Rahmen eines Vergleichs darauf verzichten soll, ist letztlich eine "Geschmacksfrage" im Einzelfall, deren Beantwortung man von dem bankinternen "Schuld- oder Unschuldsgefühl" in Bezug auf den Kundenanspruch abhängig machen mag!

RA Dr. Claus Steiner, Wiesbaden

Dr. Claus Steiner , Rechtsanwalt, Wiesbaden
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