Insolvenzen

Schuldentragfähigkeit im Blick

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Das Jahr 2017 eingerechnet weist die jährliche Statistik des Informationsdienstleistes Creditreform nun schon zum achten Mal in Folge einen Rückgang der Unternehmensinsolvenzen auf rund 20 200 Fälle aus. Seit der Inkraftsetzung der gültigen Insolvenzordnung im Jahre 1999 waren es nie weniger. Auch unter der alten Konkursordnung wurde zuletzt 1994 ein vergleichbar niedriger Stand erreicht. Und der Prognose nach sollen es für das laufende Jahr sogar noch einmal weniger werden. Das genannte Spektrum von 18 000 bis 20 000 würde gegenüber dem relativen Höchststand von 39 470 im Jahr 2003 eine Halbierung bedeuten.

Wie gewohnt zeigte das Jahr 2017 Unterschiede nach Bundesländern, nach der Altersstruktur der Unternehmen und nach Branchen. So weist Baden-Württemberg mit 38 Fällen pro 10000 Unternehmen die niedrigste Insolvenzquote auf, das nicht zuletzt von vielen Startups geprägte Berlin mit 93 die höchste. Grundsätzlich müssen etablierte Unternehmen nach wie vor deutlich seltener Insolvenz anmelden als junge Unternehmen. Gegenüber früheren Jahren waren allerdings 2017 "ältere Unternehmen" (mehr als 20 Jahre) stärker betroffen als in früheren Jahren. Und es gibt besonders risikobehaftete Branchen wie Abbruchunternehmen, Umzugstransporte, Post- und Kurier- sowie private Wach- und Sicherheitsdienste. Eine kontinuierliche Entspannung zeigen seit dem Jahre 2010 mit ihren 109960 Fällen auch die Verbraucherinsolvenzen, denen nach rund 72100 im Jahre 2017 ein weiterer Rückgang auf 66000 bis 68000 prognostiziert wird. Trotz all dieser tendenziell positiven Entwicklungen dürfen die Banken sich nicht sicher wähnen, auch in den kommenden Jahren mit der niedrigen Risikovorsorge der Vorjahre auszukommen, denn die jüngste Studie fördert auch einen erstaunlich hohen Bodensatz von Unternehmen zutage, deren Schuldentragfähigkeit schon heute unzureichend ist und die damit in noch größere Schwierigkeiten kommen, wenn die Notenbanken die Zinswende vollziehen sollten und damit die Fremdkapitalzinsen wieder ansteigen sollten. Als Indikator dient dabei der sogenannte Zinsdeckungsgrad als Quotient des operativen Ergebnisses und der jährlichen Zinsaufwendungen. Sinkt dieser Wert unter 1 sind die Unternehmen nicht mehr in der Lage, ihre Fremdkapitalbelastungen aus dem operativen Geschäft zu tragen. Und genau diesen Befund hat Creditreform anhand einer Analyse von 7400 Unternehmen aller Größenklassen, Branchen und Regionen Stand Ende 2017 für immerhin 15,4 Prozent der deutschen Unternehmen ermittelt.

An dieser Stelle kommt sinngemäß der Begriff Zombie-Firmen ins Spiel, den die OECD in einem Bericht kürzlich umschrieben hat. Es geht dabei um Unternehmen, die einerseits verschuldet sind und gleichzeitig ihre Produkte und Dienstleistungen nicht rentabel produzieren können. Solange Banken unter den günstigen Zinsen am Kapitalmarkt die Kredite nicht fällig stellen, sondern lieber zu den derzeit günstigen Zinsen weitere Mittel ausreichen, tauchen solche Unternehmen in der Insolvenzstatistik nicht auf. Bei einem veränderten Zinsszenario könnten sich solche Fälle aber sehr schnell in der Insolvenzstatistik niederschlagen.

Genau diesen Effekt hat Creditreform in der angesprochenen Studie in einer Szenariorechnung mit drei Stressfaktoren durchgespielt. Würde der durch eine Zinserhöhung der EZB ausgelöste Effekt die Zinsen der langfristigen Finanzierung der Banken um 1,5 Prozentpunkte auf 4,5 Prozent anwachsen lassen, wären 16,9 Prozent der Unternehmen mit ihren operativen Erträgen nicht mehr in der Lage, eine Zinsdeckung darzustellen. Käme dazu noch eine Ertragsverschlechterung bei den Unternehmen um 20 Prozent, würden 18,5 Prozent in Schwierigkeiten geraten. Und bei einer Verdopplung der langfristigen Fremdkapitalzinsen auf 6 Prozent wären 19,3 Prozent der Unternehmen überfordert. Der Tendenz nach schneiden in dieser fiktiven Rechnung Großunternehmen mit über 500 Millionen Bilanzsumme schlechter ab als KMU mit maximal 43 Millionen Euro Bilanzsumme, Unternehmen aus den nördlichen Bundesländern schlechter als die aus südlichen Bundesländern sowie Dienstleister schlechter als verarbeitendes Gewerbe und vor allen Dingen Bau und Handel.

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