Börsen

Schweizer Empörung

Die Schweizer Politik ist in Aufruhr. Lediglich für ein weiteres Jahr hat die EU-Kommission die Schweizer Börsenregulierung als äquivalent anerkannt - statt unbefristet, wie von der Schweiz erhofft. Das hat schwerwiegende Folgen. Ohne Anerkennung als Dritthandelsplatz erhalten die EU-Handelsteilnehmer und damit institutionelle und private Investoren in Europa keinen Zugang mehr zum Schweizer Markt. Große Handelsvolumen könnten Schweizer Börsen wie Six verloren gehen.

Die Börsenhändler in der Schweiz wiederum können weiterhin an den EU-Märkten handeln, auch wenn die Schweiz keinen Status als Dritthandelsplatz bekommt. Denn die EU kann mit der Regulierung für Wertpapier-Dienstleistungen (MiFID II/MiFIR) nur den europäischen Wertpapierfirmen die Vorgabe machen, Aktien an einem gleichwertigen Drittlandhandelsplatz zu handeln. Der Schweizer Finanzplatz pocht jedoch nicht nur auf die Äquivalenz der Börsenregulierung, sondern ebenfalls auf die Anerkennungen im Bereich alternative Fonds, Derivateregulierung und Weitere.

Eine Verlängerung hänge von den Verhandlungsfortschritten beim institutionellen Rahmenabkommen ab, hatte EU-Vizekommissar Valdis Dombrovskis die Entscheidung der EU-Kommission von Mitte Dezember 2017 begründet. Die Anerkennung der Gleichwertigkeit könne aber "im Falle von genügend Fortschritten" verlängert werden. Hintergrund der Kontroverse ist, dass die Europäische Union seit Jahren auf ein Rahmenabkommen mit der Schweiz drängt. Ziel davon soll sein, alle bilateralen Verträge in einen Ordnungsrahmen zu fassen, der auch die jeweilige Anpassung an die Weiterentwicklung von EU-Recht vorsieht. Ein solches Rahmenabkommen ist in der Schweizer Politik und auch in der Bevölkerung jedoch stark umstritten. Denn für dessen finale Überwachung wäre der EU-Gerichtshof ohne Beteiligung Schweizer Richter zuständig und das ist in der Alpenrepublik nur schwer vermittelbar. Dort spricht man währenddessen von "diskriminierenden Beschlüssen" vonseiten der EU und sieht die Befürchtung bestätigt, dass die Gleichwertigkeitsanerkennung bei politischen Verhandlungen von Brüssel als Druckmittel gegen die Schweiz eingesetzt werden kann. Besonders, weil man der Meinung ist, zur Erlangung der begehrten Äquivalenz viel getan zu haben.

Das neue Finanzmarktinfrastrukturgesetz ist aus Sicht der Schweizer Politik beispielsweise exakt auf die in der EU geltenden Bestimmungen zugeschnitten. Dass die Schweiz die Bedingungen der Börsenäquivalenz technisch erfüllt, hatte ihr die europäische Marktaufsichtsbehörde ESMA schon vor einiger Zeit beschieden. All das sieht der Bundesrat in Bern als Zeichen, "dass dieser Entscheid der Europäischen Union zum Ziel hat, den Finanzplatz Schweiz zu schwächen".

Es wirkt als würde ein politischer Machtkampf auf dem Rücken der Schweizer Börse ausgetragen. Neben dem Druckmittel für ein Rahmenabkommen, ist ein von der Schweizer Politik unbeachteter, zusätzlich naheliegender Gedanke ist auch, dass Brüssel mitten in den Brexit-Gesprächen einem wichtigen Drittstaat wie der Schweiz keine Zugeständnisse machen will, auf die sich London später berufen könnte. Unbeachtet der Gründe, hätte ein langfristiges Ausbleiben der Gleichwertigkeitsanerkennung für die Schweiz zweifellos einen erheblichen Bedeutungsverlust von Kapitalmarkt und Handelsplatz zur Folge.

Besonders muss die Schweiz die Entscheidung der EU vor dem Hintergrund schmerzen, dass die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Börsen in Australien, in Hongkong und den USA bereits zeitlich unbefristet ausgesprochen wurde. Die Begründung der Kommission, dass der signifikante Unterschied sei, dass die Schweiz Zugang zum EU-Binnenmarkt habe und die anderen Länder nicht, wird in Bern so schnell niemand trösten.

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