Inflation

Ein Sturm im Wasserglas

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte, Fachhochschule Lübeck

Im Dezember 2016 stieg die (HVPI-)Inflationsrate in Deutschland jäh auf 1,7 Prozent j/j (im Jahresvergleich) - der höchste Wert seit mehr als drei Jahren. Dies ist zunächst ein ermutigendes Signal: Etwaige deflationäre Tendenzen scheinen vorerst abgewendet. Dennoch sollte diese Entwicklung nicht überbewertet werden. Sie ist insbesondere auf die Schwäche des Euro gegenüber dem US-Dollar und die Erholung des Rohölpreises zurückzuführen. Dieser notierte vor Jahresfrist bei nur 30 US-Dollar/Barrel. Bereinigt um diesen letztlich importierten Effekt, welcher noch bis in den April 2017 hinein anhalten dürfte, stieg die (Kern-)Inflationsrate um lediglich 1,1 Prozent j/j.

Eine nachhaltige Erholung der Inflation lässt sich hieraus nicht ableiten. Im Gesamtjahr 2016 belief sich die (HVPI-)Inflation in Deutschland auf gerade einmal 0,5 Prozent. Und so sollte es keinerlei Zweifel daran geben, dass die EZB ihre expansive Geldpolitik, wie angekündigt, bis Ende 2017, vermutlich aber sogar darüber hinaus ("rates will stay low, very low, for a long period of time and well past the horizon of our purchases" (M. Draghi am 10. März 2016) fortsetzen wird. Schließlich lag die (HVPI-)Inflation in der Eurozone insgesamt im Dezember 2016 bei nur 1,1 Prozent j/j und damit unverändert weit unterhalb des Ziels von "unter, aber nahe 2,0 Prozent".

Infolge des auf den Anstieg des Rohölpreises zurückzuführenden statistischen Basiseffekts wird die für Deutschland ermittelte (HVPI-)Inflationsrate in den kommenden Monaten vermutlich weiter steigen; möglicherweise sogar auf über 2,0 Prozent j/j. Doch wird der abrupte Anstieg der Inflationsrate wohl ein temporäres Phänomen bleiben: Die (weitaus bedeutsameren) Inflationserwartungen liegen bei gerade einmal 1,2 Prozent (2017) beziehungsweise 1,4 Prozent (2018) und steigen erst langfristig auf 1,8 Prozent an. Das Gros der Marktteilnehmer zeigt sich ganz offensichtlich unbeeindruckt.

Der zu beobachtende Anstieg der Teuerungsrate ist also (noch) nicht auf die außergewöhnlich expansive Geldpolitik der EZB zurückzuführen. Die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen unterliegt einer zeitlichen Verzögerung. Diese beträgt in der Regel mehrere Monate, was bedeutet, dass bislang ergriffene Maßnahmen der EZB noch gar nicht vollständig im Markt eingepreist sind. Anders ausgedrückt: Die Währungshüter müssten bereits heute zukünftige und deshalb höchst unsichere Entwicklungen korrekt antizipieren und darauf reagieren.

Für eine Währungsunion, die derart heterogen ist wie die Eurozone, stellt dies ein, gelinde gesagt, schwieriges Unterfangen dar. Zudem zeigt das ungleiche Wirtschaftswachstum innerhalb der Eurozone einmal mehr die Schwierigkeiten des zu Recht kritisierten "One-size-fits-all"-Ansatzes auf. Die Geldpolitik der EZB wird niemandem gerecht. Zwar mag der gegenwärtige Leitzins für einzelne Volkswirtschaften adäquat erscheinen: Für die Mehrheit jedoch erweist er sich als unpassend. In den kommenden Wochen und Monaten wird die Diskussion ob einer Anpassung des geldpolitischen Kurses zunehmen. Gleichwohl wird sich die EZB davon unbeeindruckt zeigen und an ihrer ultraakkommodierenden Geldpolitik festhalten. Da sich die Tragweite dieser Entscheidung jedoch erst langfristig abzeichnen wird, mag dies durchaus weiteres Ungemach bedeuten.

Prof. Dr. Leef H. Dierks, Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte, Fachhochschule Lübeck

Leef H. Dierks , Professur für Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte , Fachhochschule Lübeck
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