Brexit-Studie

Es wird teuer

Quelle: pixabay

Am 23. Juni 2016 stimmte das Vereinigte Königreich für die Unabhängigkeit von der EU. Ein knappes Jahr später haben längst die nüchternen Brexit-Verhandlungen begonnen und langsam wird in der restlichen EU sowie in Großbritannien das Ausmaß der Folgen dieser Entscheidung sichtbar.

Aktuellen Umfragen zufolge bröckelt die Zustimmung für Premierministerin May in der Bevölkerung, der Londoner Immobilienmarkt leidet noch unter der Unsicherheit der Investoren, viele internationale Banken und Versicherungen verlagern Arbeitsplätze auf das europäische Festland, die gesamten Auswirkungen auf den Finanzplatz London sind schwer abzuschätzen.

In den aktuellen Brexit-Verhandlungen stehen Themen wie der Status der EU-Bürger in Großbritannien, die Höhe der Austrittsrechnung für London und die künftigen Regelungen für die Grenze zwischen Nordirland und Irland auf der Agenda. Obwohl Großbritannien und die Europäische Union damit noch gar nicht zu den schwierigen Details der Verhandlungen vorgedrungen sind, rechnet man in der Londoner Finanzmetropole längst mit dem schlimmsten Ausgang - dem harten Brexit und damit dem Verlust des Zugangs zum europäischen Binnenmarkt.

Zu diesem Bild passen die Ergebnisse des Brexit-Updates "One year on from the Brexit vote" des New Yorker Beratungsunternehmens Oliver Wyman. Ein harter Brexit wird vermutlich zu einer starken räumlichen Fragmentierung des Finanzsektors führen, lautet dessen Kernaussage. Banken stehen vor dem Problem, ihre Profitabilität und gleichzeitig den Zugang zu den Finanzplätzen und dem europäischen Binnenmarkt erhalten zu müssen. Im Zuge dessen dürften einige Institute ihr operatives Geschäft auf unterschiedliche Standorte verteilen.

Die Studie rechnet damit, dass die Großbanken 30 bis 50 Milliarden Dollar an zusätzlichem Kapital akquirieren müssen, um die Kosten der neuen Standorte nach einem harten Brexit zu decken. Das entspreche 15 bis 30 Prozent des Kapitals, das derzeit für EU-Geschäfte genutzt wird, so der Bericht weiter. Darüber hinaus könnten die ausgelagerten Einheiten die operativen Kosten der Bankhäuser bis zu vier Prozent in die Höhe treiben - branchenweit rund eine Milliarde Dollar. Den Anstieg führt die Studie nicht zuletzt auf benötigte Doppelstrukturen für Risikomanagement oder Compliance in den EU-Niederlassungen zurück, die bisher bei vielen Instituten zentral aus London wahrgenommen werden.

Oliver Wyman hatte die Zahl der Stellen im Finanzgewerbe, die aus Großbritannien abwandern könnten, im vergangenen Jahr auf bis zu 35 000 beziffert, davon bis zu 17 000 im Großkundengeschäft und Investment Banking. Auf lange Sicht könnten es allein dort bis zu 40 000 werden, heißt es nun. Frankfurt profitiert neben anderen europäischen Metropolen wie Dublin (Barclays, Bank of America), Paris (HSBC, Soc-Gen) und Amsterdam (Radix Trading, Hard Eight Trading und Tradeweb) von der Standortfrage, die sich für viele Banken im Zuge des Brexits stellt. Der Verband der Auslandsbanken prognostiziert über alle Banken hinweg 3 000 bis 5 000 neue Arbeitsplätze in Frankfurt in den nächsten zwei Jahren. Laut einer Untersuchung von Ernst & Young hatten bis Ende Juni 2017 insgesamt 59 der 222 größten Finanzunternehmen mit bedeutenden Geschäftsaktivitäten in Großbritannien angekündigt, Personal und Geschäfte ins Ausland zu verlagern.

Für Frankfurt hat sich bereits die britische Großbank Standard Chartered entschieden. Morgan Stanley, Goldman Sachs, UBS, Citigroup und JP Morgan planen übereinstimmenden Berichten zufolge ebenfalls die Verlagerung von Hunderten Arbeitsplätzen nach Frankfurt. Die drei japanischen Banken Daiwa Securities, Nomura und Sumitomo Mitsui haben sich bereits auf den Umzug an den Main festgelegt. Doch der Brexit betrifft nicht nur ausländische Banken. Neuen Berichten zufolge will auch die Deutsche Bank die Zuständigkeiten für 300 Milliarden Euro ihrer Bilanz an den Main verlagern - bislang wurde ein Großteil des europäischen Handels in London gebucht. Bis zu 4000 Mitarbeiter könnten aus London abgezogen werden. Bislang beschäftigt die Deutsche Bank in Großbritannien zirka 12 000 Menschen, davon 7000 in London.

Die Banken stecken momentan noch mitten in ihren Planungen, wie man die Folgen des Brexits am besten abfangen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt bleibt der Finanzbranche nichts anderes übrig, als sich flexibel für jegliche Eventualitäten und Ausgänge zu rüsten. Den Rest muss man den Politikern in London und Brüssel überlassen. Das dürfte zäh verlaufen und teuer werden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X